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Die Längste Nacht in den Münchner Clubs

Text: munichrocker

Oft blicken die Münchner zu Ihrem Vorbild Berlin auf, zumindest wenn es um das Nachtleben in der Hauptstadt geht. Viertel wie Friedrichshain und Kreuzberg, und Clublegenden wie das Berghain kann die 'nördlichste Stadt Italiens', wie die bayrische Landeshauptstadt sich gerne selbst beschreibt nicht bieten.



Die 'Längste Nacht der Münchner Clubs' am 18. Mai bietet jedoch die Möglichkeit, sich die Münchner Clubszene genauer anzuschauen. In 10 Clubs kommt man an diesem Abend mit einem einzigen Eintrittsbändchen, mit dem sogar noch ein Shuttlebus benutzt werden kann, der zwischen den Locations pendelt.



Mein Abend beginnt um kurz nach Elf Uhr an der Hackerbrücke. Weil ich mir bereits eine Vorverkaufsticket besorgt habe, um eventuelle Schlangen zu umgehen, muss ich zuerst im Neuraum aufschlagen, um mir mein begehrtes gelbes Armband abzuholen. Im Neuraum ist um diese Zeit erwartungsgemäß noch gar nichts los, aber mein erstes Ziel war sowieso ein Anderes. Die Nachtgalerie.



Viel Gutes scheint niemand in München über diesen Club gehört zu haben, eigentlich gilt er doch als billiger Absturzschuppen nahe der Donnersbergerbrücke. Der Shuttlebus bringt mich vom Neuraum in einer kurzen Fahrt dort hin.



Tatsächlich lässt sich wenig negatives entdecken. Die Nachtgalerie liegt in einem ehemaligen Fabrikgebäude mit einem riesigen Aussenbereich, wo man beim Rauchen sogar um einen großen Springbrunnen herumstehen kann. Im Inneren tummeln sich schon einige Besucher, denn bei den günstigen Getränkepreisen ab 50 Cent lässt sich hier wunderbar in den Abend starten. Wer sich aber genug vom 'Angebot des Tages' – 1l Jim Beam Cola für 6€ genehmigt, braucht das Clubhopping wohl nicht weiter machen. Das Publikum in der 'NaGa' ist ziemlich breit gefächert, ich entdecke sowohl 18-, wie auch 35-jährige. In der Clubarea treten heute noch Axel Fischer vs. Rick Arena an, aber um 12 ist da noch nichts zu sehen. Sehr witzig sind die Visuals: Zu Schlagern läuft auf großen Leinwanden ein Musikvideo von ABBA und Right said Fred, und als dann deren Hit „You're my Mate“ gespielt wird, zeigen die Leinwände ein Scootervideo. Als dann „Itsy Bitsy Teeny Weeny“ gespielt wird, beschließe ich mich auf den weiteren Weg zu machen. Draußen vor dem Bus treffe ich einen Bekannten, der in Augsburg studiert, sich die Gelegenheit, mal wieder das Münchner Nachtleben zu besuchen, nicht entgehen lässt.



Der Shuttlebus setzt mich wieder vorm Neuraum ab, wo ich in eine andere Linie umsteigen muss, um in Richtung Altstadtring zu kommen. Leider ist es ziemlich schwer die Haltestelle zu finden, später am Abend wird das durch die riesigen Menschenmassen deutlicher zu Erkennen.



Nach einiger Zeit befinde ich mich tatsächlich in einem Shuttlebus, der aber fast schon an einen Partybus erinnert. Die Durchsage des Busfahrers - „Nächster Halt Elisenstrasse/Yolo“ wird mit frenetischem Jubel bedacht, der Bus ist voll, die Feierwütigen stehen dicht an dicht im Mittelgang.



Mein Nächster Stop ist das „8Seasons“ am Sendlinger Tor.



Hier erspart mir mein gelbes Band tatsächlich eine 50m lange Schlange, ich spaziere einfach am Türsteher vorbei, der meinen Style mit einem „Basst scho“ quittiert – das Hemd hat sich also gelohnt. Das „8Seasons“ spricht ein deutlich älteres Publikum an, als die Nachtgalerie, was sich natürlich auch in den Preisen niederschlägt. Dafür lässt sich hier sehr stilvoll zu toller Housemusik feiern. Heute scheint hier aber noch nichts los zu sein, weswegen ich mich sehr bald wieder auf den Rückweg Richtung Stachus mache. Immerhin bedankt sich der Türsteher für meinen 20 Minutenaufenthalt.



Der Shuttlebus bringt mich direkt zum Stachus, wo ich das erste Mal an diesem Abend Chelseafans begegnen, die erst mal ein Spontankonzert „Stern des Südens“ über sich ergehen lassen dürfen. Nachdem ich mich mir kurz zwei Mitternachtssnacks organisiert habe, sehe ich, wie ein Bayernfan mit einem Chelseafan die besten Public Viewing Orte bespricht – Fanfreundschaft gibt's zumindest beim Feiern. Was den meisten Betrunkenen vorm McDonald's am Stachus wohl noch nicht aufgefallen ist: Der Mülleimer spielt Musik, wenn man ihn öffnet.



Ich steige in den nächsten Shuttlebus ein. Mir kommt ein Junge entgegen: „Ich hab keine Ahnung, wo ich bin!“ - Immerhin steht er mitten in der Innenstadt, da kommt er wohl nach Hause, aber tatsächlich fährt man weit rum in der City, denn 3 der 10 Clubs liegen außerhalb des Altstadtrings.



Mich plagt jedoch grade eine ganz andere Frage: Werde ich am heutigen Abend ins die heiligen Hallen des P1 kommen? Immerhin soll die Tür etwas offener sein.



An der Tür des P1 anzustehen, war an sich schon eine sehr witzige Erfahrung. Ein älterer Herr, der mit seinen chauvinistischen Sprüchen an den Monaco Franze erinnert, flirtet kurz mit jedem Mädchen, um herauszufinden, mit wie viel Anhang sie denn unterwegs ist. Als Frau hat man gute Chancen hereinzukommen, als Mann alleine gar keine. Ich gebe nach 20 Minuten, in denen nichts vorwärts gegangen ist auf und notiere: Minirock, Highheels und weiter Ausschnitt helfen sehr. Das P1 bleibt heute Abend für mich etwas Mystisches.



Zeit um mich darüber zu ärgern habe ich keine, denn der Bus setzt mich gleich am Maximiliansplatz ab, wo mich mein gelbes Band wieder vor einer langen Schlange bewahrt und ich direkt ins Max & Moritz reinkomme. Der gerade neu renovierte Club ist sehr gut gefüllt, das Durchschnittsalter liegt hier um Anfang 20. Die Bar hat allerdings Probleme, weil sich mit 10 Longdrinkgläsern eben kein Club machen lässt. Nach geschlagenen 20 Minuten bekomme ich dann auch ein Red Bull – in der Dose. Die Musik im Max und Moritz ist richtig gut, man hat die Wahl zwischen Partytunes und R'n'B.



Um kurz nach Drei gehe ich zwei Türen weiter in die 089 Bar. Mit Servus und Lächeln, kommt man hier immer sehr gut rein, und dementsprechend voll ist es auch. Die Musik macht Feierlaune, das offene und kommunikative Publikum auch. Dieser Ort schreit nach einem Absturz, hier gehe ich bald wieder hin.



Gegen halb 4 beschließe ich aber den Heimweg anzutreten, denn immerhin ist heute Champions League-Finale dahoam. In der S-Bahn treffe ich noch einen Schwankenden, der mir nach einem prüfenden Blick gleich seinen Ausweis zeigen will – den er aber genauso wenig dabei hatte, wie eine Fahrkarte: „Die hat mei Freind, und wenn I zahl, zahlts er.“



Die Längste Nacht der Münchner Clubs geht natürlich noch länger, bis 5 Uhr fahren die Shuttlebusse im 10 Minuten-Takt, die Locations haben noch länger auf, und man kann jederzeit auf die Öffentlichen umsteigen, die vermutlich schneller sind, als der Bus. München hat eine gute Clubszene, das ist das Ergebnis dieser Nacht. Es lässt sich für jeden Geschmack das Passende finden, und mit dieser Erkenntnis, brauchen wir uns vor Berlin nicht zu verstecken.

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