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Alte Liebe postet nicht

Text: Tigerhuhn

Wie eine Beatmungsmaschine hält das Internet unsere Beziehungen zu Expartnern am Leben. Situationen, in denen man diese Maschine unbedingt abstellen muss.



Heikel ist, dass Facebook und andere soziale Netzwerke in erster Linie unsere jüngere Vergangenheit konservieren. Sie lassen also auch diejenigen vor unserer Nase weiterleben, die erst neulich in unserem Herzen Gast waren: Exfreunde, Exaffären, Exschwärme. Weil wir sie nie aus der Freundesliste gelöscht oder wenigstens geblockt haben, verfolgen sie uns als „Gefällt-mir-Drücker“ unter Clips, die gemeinsame Freunde gepostet haben, oder markiert auf Urlaubsfotos. (Ach, mit denen war er in Frankreich, warum wusste ich davon nichts?) Und so wird man dank Facebook im Handumdrehen zum Stalker. Mit neugierigem Stöbern hat es nämlich längst nichts mehr zu tun, wenn dir das mitternächtliche „Mal sehen, was er so treibt“ am 8. Abend in Folge den Schlaf raubt. So was kann einen nach einem Jahr noch wochenlang beschäftigen. Die Menschen, die Kerben in unsere Herzen gehauen haben, sodass wir monatelang nicht mehr wussten, wo oben und unten ist, die verschwinden plötzlich nicht mehr automatisch. Wir müssen sie aktiv verschwinden lassen.
Das geht ja, theoretisch. Blocken, entfreunden, eine Weile offline gehen. Keine große Sache. Noch einfacher ist es aber die verlorene Liebe weiter zu beobachten. Früher hätte man dafür auf einem Festnetztelefon angerufen, womöglich bei seinen Eltern die aktuelle Nummer erfragen müssen. Das Schamgefühl, so einen offensichtlich verzweifelten Schritt zu tun, rammte noch vor 10, 15 Jahren einen natürlichen Pflock zwischen Einst und Jetzt, aber heilsam. Facebook dagegen ist ein Fluch in Sachen Loslassenkönnen. Eine elende Beatmungsmaschine für Exfreunde, Exaffären, alte Liebe. Es hält künstlich ein Gefühl am Leben, das eigentlich längst erloschen war. Das eigene Scheitern: immer in Sichtweite. Genauso wie die permanente Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Ich könnte ihn fragen, wie es ihm geht. Jetzt. Es wäre ganz leicht. Andererseits: Er könnte es auch. Warum tut er’s nicht (ein zum tagelang Wälzen bestens geeigneter Gedanke)? Warum ist er nachts um 3 noch wach? Skypt er mit seiner neuen Freundin? Hat er allen Ernstes seinen Beziehungsstatus aktualisiert? Aber hätten wir nicht doch noch eine Chance? Es gibt viele Gründe für die Onlinerecherche. Bei genauerem Hinsehen erweisen sie sich allerdings als sehr gute Gründe, die Recherche zu unterlassen.



Lange nicht mehr auf seiner Pinnwand gewesen.
Mit anderen Worten: Ungefähr 3 Stunden lang nicht. In 3 Stunden hat er viel herumgeantwortet: „Ja klar sehen wir uns übermorgen“, „Super Abend gestern“, liest man dann. Viel Spaß beim Durchdrehen. Was, bitte, ist übermorgen? Was für ein Abend? Wo? Mit wem? Grundsätzlich gilt: Deine Würde ist wichtiger als Wissen.



Ich will doch nur mal sehen was er so macht.
Was wird das wohl sein? Essen, trinken, schlafen, Haare kämmen, Musik hören, ausgehen, in den Urlaub fahren. Alles was er mit dir zusammen gemacht hat, macht er jetzt halt ohne dich. Das allein ist schon eine Zumutung. Es quasi live mitzuerleben, ist die Hölle. Egal, was du findest, es wird dir ganz sicher wehtun. Fahr sofort den Rechner runter und geh ins Bett.



Er hat sein Profilbild geändert. Sieht echt gut aus.
Und das willst du ihm jetzt mitteilen? Nein? Nur mal kurz „Gefällt-mir“ anklicken? Was ist denn schon dabei minutenlang auf das Profilbild eines Menschen zu starren, der dir (so viel Ehrlichkeit ist erlaubt) nie ganz egal sein wird? Das Schlimme an Facebook ist: Selbst der kleinste Kleinkram bedeutet etwas. Der „Gefällt-mir“ Button hat noch dazu etwas Unterwürfiges. Das Gute an Facebook ist: Selbst der kleinste Kleinste Kleinkram bedeutet etwas. Und somit auch der Umstand, gar nicht zu reagieren.



Manchmal merkt man erst im Nachhinein, wie glücklich man war.
Du bist immer noch allein. Da fällt dir plötzlich ein, wie glücklich du damals gewesen sein sollst? Reiß dich zusammen. Wer trotz wildem Nachhausekommsex morgens um 4 und romantischem Sternegucken nicht in Echtzeit glücklich war, der war, genau: nicht mit dem richtigen Partner zusammen. Lass den Mann in Ruhe. Wenn er schlau ist, hat er dich längst geblockt.



Man muss sich nicht gleich entfreunden, nur weil man nicht mehr miteinander ins Bett geht.
Ich seid schließlich erwachsene Menschen? Dümmster Satz der Welt. Erwachsene, die sich gegenseitig sehr wehgetan haben, sind für eine ganze Weile kein guter Umgang mehr füreinander. Und sollten lieber von den Dreijährigen lernen. Die brüllen nach dem Schippenklau instinktiv das Richtige: „Du bist nicht mehr mein Freund!“ Dich sitzen lassen oder dir die rote Schippe entreißen: Beides tut ein Freund nicht. Entfreunden ist wie unter dem Bett staubsaugen. Jeder weiß, dass es eigentlich sein muss, kaum einer tut’s.
Gib dir einen Ruck.



Quelle: Neon

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