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Die Kunst der Kommunikation

Text: HEDunckel






Was ist los im Internet? - Kaum hat die Cyber-Kommunikation begonnen, sich in immer positiveren Bahnen zu bewegen, soll aus negativen Winkeln gezielt gegen diese Entwicklung interveniert werden? - Der Daily Telegraph hat vertrauliche und interne Dokumente zur Planung eines „beispiellosen Propaganda-Blitzkrieges“ (original Wortwahl des Telegraph) eingesehen, der vor und während der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2014 stattfinden soll. Die Strategie wird über "Überwachungsinstrumente der öffentliche Meinung" (public opinion monitoring tools) zum Einsatz kommen, die "in einem frühen Stadium erkennen helfen, ob Debatten politischer Art unter den Anhängern in sozialen Netzwerken und Blogs ein Potenzial haben, das Interesse von Medien und Bürgern zu wecken". - "Die institutionellen Kommunikatoren des EU-Parlament müssen befähigt sein, öffentliche Diskussionen und Stimmungen auf realem Boden und in Echtzeit zu überwachen, um "Trending Topics" zu verstehen und die Fähigkeit haben, schnell zu reagieren, um sich in einer gezielten und relevanten Weise zu beteiligen und Einfluss auf die Kommunikation zu nehmen; zum Beispiel, indem sie Fakten und Zahlen zur Verfügung stellen, die Mythen dekonstruieren sollen." - Ende Januar war bereits bekannt geworden, dass man in Brüssel ebenfalls plant, in allen Mitgliedsländern "Medienräte" einzuführen, und mit der Befugnis zur Verhängung von Strafen und zur "Suspendierung" von Journalisten auszustatten.







Es gibt ein Buch des Kybernetikers Norbert Wiener, mit dem englischen Titel "THE HUMAN USE OF HUMAN BEINGS", und das 1952 in der BRD unter dem Titel "MENSCH UND MENSCHMASCHINE" erschienen ist. Dort kommentiert Wiener zum Ende hin, und schon damals sehr treffend, wo das Problem derartiger Interventionen essentiell zu finden ist: "Sie haben nicht bedacht, dass diese Waffen (der Überwachung und Manipulation vom damaligen KGB und einer daran orientierten Praxis des FBI) der Menschlichkeit grundlegend zuwider laufen und dass hinter ihnen, um sie auch nur erträglich zu machen, die volle Kraft eines überwältigenden Glaubens und Vertrauens stehen muss. Diesen Glauben und dieses Vertrauen einzubauen haben sie sich nirgends bemüht." - In der aktuellen EU ist dieser Zustand noch erdrückender. Aufgrund der Erfahrungen mit dem "Frühling" in der islamischen Welt, haben sich z.B. die Politiker der regierenden, konservativen "VOLKS"-Partei (PP) in Spanien z.B. dazu entschlossen, die Organisation von Demonstrationen und Versammlungen per SMS und FB unter Strafe zu stellen ... und mit diesen Plänen sicher recht offensichtlich einen direkten Progress in Richtung "Ewiger Winter" angepeilt.







Schon seit zwei Dekaden, und noch vor dem „Internet-Boom“, wird auf derartige Entwicklungen aufmerksam gemacht. Günther Grass schrieb in seinem Zyklus „Novemberland“: „Die Angst geht um, November droht zu bleiben. - Nie wieder langer Tage Heiterkeit. - Die letzten Fliegen fallen von den Scheiben, und Stillstand folgt dem Schnellimbiss der Zeit.“ - Am 28. Januar 2013 gab es eine Polizeiaktion in den Redaktionsräumen der "Augsburger Allgemeinen", wo die Polizei in den Verlagsräumen die Daten eines Internet-Forennutzers beschlagnahmte. Freie Meinung und Bürgerbeteiligung werden immer mehr zu „Mythen“ ehemals angestrebter Visionen einer gemeinsamen, planetaren, aber auch ganz konkreten, europäischen Zukunft. WEIL: Ein vermeintlicher "Euroskeptizismus" kann in sämtlichen Meinungen gefunden werden, die sich nicht eindeutig mit institutionellen Verordnungen und Gebrauchsanweisungen decken. Doch gerade wenn befürchtet wird, dass aufgrund der "gegenwärtigen wirtschaftlichen und finanziellen Krise" das Vertrauen in die Brüsseler Institutionen schwinde, kann ein Konzept von "mehr Europa und nicht weniger" nur durch den Abbau von Barrieren, und nicht das Errichten neuer Barrieren, von uns Bürgern ernst genommen werden.







Hingegen: „Die volle Kraft eines überwältigenden Glaubens und Vertrauens“ in eine gemeinsame Zukunft, ist gerade in den sozialen Netzwerken zu finden. Ein unilaterales Festhalten an herkömmliche Verfahrensweisen kann zukunftsträchtige Entwicklungen nur blockieren: "Im Allgemeinen gibt es keine denkbaren Beobachtungen, die uns genug Information über die Vergangenheit eines Systems geben könnten, um vollständige Information über seine Zukunft zu erhalten." (Wiener) – Niemand kennt also die Zukunft und kommunikative Defizite zeigen sich immer in ihren suboptimalen Resultaten. Die institutionellen Kommunikatoren des EU-Parlament und ihre "Überwachungsinstrumente der öffentliche Meinung" (public opinion monitoring tools) sind als gesellschaftliche Strategien öffentlich in Internet-Foren zu entwickeln, um für eine Europäische Gemeinschaft der Menschen effizient werden zu können. Andere Meinungen wären nicht nur billige „Mythen“, sondern zeigten sich als institutioneller Aberglauben, der aber leicht zum Alptraum vieler Bürger werden kann. Das freie Sprechen und auch das freie Schreiben im Internet, ist das größte Anliegen und die bisher hervorragendste Leistung des Menschen. „Das gesamte menschliche Sozialleben in seinen normalen Erscheinungen hat die Sprache zum Mittelpunkt, und wenn die Sprache nicht zur richtigen Zeit gelernt wird, verkümmern sämtliche Beziehungen des Individuums zur Gemeinschaft.“ (Wiener) - Kommunikation ist eine wesentliche Form der Kunst. Einer Kunst des würdevollen Miteinander-Umgehens. Wird eine institutionelle Überwachung, Lenkung und Elimination von Kommunikation zur Realität, muss ein jeder seine „künstlerischen“ Ansprüche an individuelle und gesellschaftliche Weltbilder radikal reduzieren, und „Stillstand folgt dem Schnellimbiss der Zeit.“ - Im EU-Parlament möchte man bislang keine Stellungnahmen abgeben.

Holger E. Dunckel



 



P.S.: Müssen jetzt alle Internet-User zu den Ai Weiwei's Europas werden? - Wo doch gerade dieser chinesische Künstler, in seiner Heimat und wegen sehr ähnlicher Probleme, hier, in der westlichen Welt, zu einem gefeierten Dissidenten wurde? - Nigel Farage, der Vorsitzende der UK Independence Party (UKIP), der seine und andere nicht etablierte Parteien als potenzielles Ziel solch einer Politik sieht, erkannte Ähnlichkeiten zu George Orwells 1984. Noch deutlicher wurde der Tory-Abgeordnete Douglas Carswell, der meinte, er hätte so etwas im Iran, aber nicht in der westlichen Welt erwartet und gehe nun endgültig davon aus, dass das "Europäische Projekt" mit einer freien Gesellschaft "inkompatibel" ist.






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