Der Fotograf Beat Presser im Interview über Inszenierte Fotografie.
Beat Presser, geboren 1952 in Basel. Ausbildung zum Fotografen und Kameramann in Basel, Paris und New York. Herausgeber der Fotozeitschriften Palm Beach News und The Village Cry. Ab 1980 enge Zusammenarbeit mit Klaus Kinski und Werner Herzog.
Heute produziert der freischaffende Fotograf und Filmemacher fotografische Geschichten und Fotoausstellungen, die wetlweit ausgestellt werden und unterrichtet an verschiedenen Universitäten und Foto- und Filmhochschulen in Europa, Afrika, Südamerika und Asien.
Bassler: „Bevor Sie mit einer Fotoserie beginnen haben Sie davor schon einen Plan und Ihre Motive schon im Kopf?“
Presser: “Es kommt auf das Thema und die Begebenheiten an und es gibt verschiedene Vorgehensweisen. Bei vielen Projekten, da weiß ich ziemlich genau was ich will. Ich mache mir Notizen, Skizzen und schreibe ein Konzept. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass die Realität diese Pläne immer wieder auf den Kopf stellt und sich die Geschichten in eine ganz andere Richtung entwickeln. Meist sind die Resultate anders als das, was ich anfangs gewollt habe. Vor allem bei Langzeitprojekten ist das der Fall, je länger man sich mit einem Thema auseinandersetzt, desto mehr kann man in Erfahrung bringen und je eher kommt man von der ursprünglichen Fährte ab. Aber schlussendlich spielt das gar keine Rolle. Was zählt ist das Endprodukt und der Weg dorthin. Bei vielen Themen die mich interessieren beginne ich einfach, fotografiere und lasse das Ganze auf mich zukommen. Beispielsweise habe ich vor bald zwanzig Jahren eine Arbeit über den Zirkus begonnen, ich weiss aber immer noch nicht so genau, in was für eine Richtung das gehen soll. Als ich jetzt in Kolumbien war habe ich diese Arbeit wieder aufgenommen, sie besteht wie aus vielen kleinen Mosaiksteinen, die sich langsam zu einer Geschichte mausern. Irgendwann trage ich alle diese Mosaiksteine zusammen und erzähle damit ein Märchen aus der Zirkuswelt.”
Bassler: “Und wann weiß man wann man fertig ist?”
Presser: “Fertig ist man nie! Oder? Wenn man das Gefühl hat jetzt sei genug, dann muss man einen Kompromiss mit sich selber eingehen und einen Schlussstrich ziehen können. Es gibt auch Projekte, die will man gar nicht fertig haben. Meine Arbeit über den Buddhismus war auf 3 Monate projektiert; am Schluss waren es dann 7 Jahre. Nach fünf Jahren Arbeit ist das Buch „Oase der Stille“ erschienen, es erzählt in Schrift und Bild vom Leben von buddhistischen Mönchen, Nonnen und den Novizen. Mich interessiert beispielsweise die Frage, was bringt einen Novizen dazu, sein Leben vom fünften Lebensjahr an in einem Kloster zu verbringen. Oder wie leben diese Leute, was sind deren Philosophien, wie gehen sie mit all den Entbehrungen und dem Verzicht um. Zudem hat der Buddhismus ganz viele verschiedene Gesichter. In Burma haben die Mönche eine ganz andere Stellung als zum Beispiel in Korea. Dieses und vieles mehr hat mich fasziniert. Und darum habe ich natürlich immer wieder versucht, diese Arbeit so lange wie möglich zu intensivieren. Immer wenn mein Verleger gefragt hat, ob ich nun fertig sei, habe ich geantwortet, ja, ich bin fertig, aber ich müsse nochmals zurück, ich wolle noch andere Aspekte des Buddhismus beleuchten. Ein Jahr später bin ich wieder gekommen und habe dann wieder das gleiche erzählt. Ich habe versucht, dieses Projekt so lange wie nur möglich hinzuziehen. Je mehr man sich intensiv und seriös mit einem Thema beschäftigt, desto mehr versteht man davon, je mehr kann man sein Wissen vertiefen. Zudem, wenn man länger an einem Projekt arbeitet, dann muss man sich nicht jedes halbe Jahr oder alle 3 Monate mit etwas Neuem beschäftigen. Wer schnell die Themen wechselt und von einem Projekt zum nächsten rennt läuft Gefahr sich nur oberflächlich mit den Aufgaben auseinanderzusetzen. Die Fotografen von National Geographic die ich getroffen habe arbeiten heute ähnlich. Die wohnen zwar ganz toll und ganz reich, haben Fahrer und Führer, alles was es braucht und alles ist schon im Voraus abgesteckt und gut vorbereitet. Solche Reportagen sind auf der einen Seite sehr populär, auf der anderen Seite kann die Recherche gar nicht sehr tief gehen. Alles muss rasch abgefrühstückt, gut aussehen und schnell gemacht sein. Einer solchen Arbeitsweise kann ich nicht viel abgewinnen. Ich glaube auch nicht, dass ich je eine Arbeit zu Ende gebracht habe, es gäbe immer noch mehr zu entdecken, zu erforschen, etwas auf Film zu bannen. Die Arbeit über den Buddhismus habe ich damals aufgehört weil ich bei einem gewissen Punkt das Gefühl hatte, das Ganze sei mir zu kompliziert und zu komplex, um es wirklich zu verstehen.”
Bassler: “Wie wichtig ist Text in Zusammenhang zu ihren Fotoserien?”
Presser: “Ja, Text ist mir seit „Oase der Stille“ sehr wichtig. Ich habe zwar schon zuvor geschrieben, angefangen damit habe ich1981 während den Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“. Aber nur wenige Texte sind damals publiziert worden. Ich habe auch für die hiesige, damals sehr gute Basler Zeitung – die heute leider nicht mehr diesen Ruf genießen darf – Fotobuchkritiken geschrieben. Etwas später habe ich angefangen Kurzgeschichten zu schreiben. Aber bei „Oase der Stille“ habe ich das erste Mal einen ganzen Buchtext verfasst. Später dann auch für „Dhau – Beatus Piratus auf Sindbads Spuren“ und bei meinem letzten „Kinski“ Buch; da habe ich einen Text verwendet, den ich bereits 1981 während der Dreharbeiten zu Fitzcarraldo geschrieben habe. Ich schreibe gerne die Texte zu meinen Büchern und zwar aus folgendem Grund: Früher wollte ich Schriftsteller oder Journalisten dazu bringen für mich oder mit mir Texte zu verfassen. Aber irgendwie war das leider nicht möglich. Es ist schwer jemanden zu finden, dem man eine gelebte Situation so wiedergeben kann, dass sie oder er das Ganze so auf Papier bringt wie man es selber erlebt hat. Das Erlebte wirkt dann auf Papier immer verfälscht und wird romantisiert. Ich glaube, wer die Fähigkeit hat zu schreiben, der sollte schreiben. Für einen Fotografen ist Schreiben eine hervorragende Disziplin. Was dazu kommt, ich bin oft alleine und über Monate hinweg unterwegs und fotografiere meine Geschichten. Zum Beispiel meine jüngsten Reportagen auf dem Meer, über die Dhaus vor der tansanischen Küste oder über die Schiffahrt in Indonesien...”
Bassler: “Sie arbeiten gar nicht mit Assistenten?”
Presser: “Nein, gar nicht, weil... Höchstens mit Leuten vor Ort, ab und an mit einem Führer oder mit Freunden, Studenten. Unterwegs als Fotograf ist man sehr oft auch alleine, man spricht die Sprache nicht, kennt niemanden oder nur wenige Leute. In solchen Zeiten ist das Schreiben natürlich eine wunderbare Sache, man setzt sich hin und schreibt nieder was einem bewegt, was man sieht, was man kritisiert, was einem gut gefällt, was man hinterfragt, was man nicht versteht. Das finde ich spannend. Ich schreibe alles in ein kleines, schwarzen Moleskine Buch und wenn ich später die Zeit finde, übertrage ich die Texte in meinen Computer, editiere das Geschriebene. Das gefällt mir gut und ich werde es auch in Zukunft so halten.”
Bassler: ”Stichwort: Unterschiede zwischen Fotodokumentation und inszenierter Fotografie: In Ihren Serien sind viele Bilder im Voraus geplant. Gibt es aber auch Serien und Fotografien die spontan entstehen?”
Presser: “Dieses Bild ist zum Beispiel total spontan entstanden. Das hat sich zufällig ergeben. Diese beiden Novizen, sie sassen einfach da, an diesem kleinen Teich und warteten auf ihr Essen. In einer solchen Situation muss man blitzschnell reagieren, Blende und Zeit berechnen und den Auslöser betätigen (zeigt auf eine Fotografie der Serie „Oase der Stille“). Oder auch dieses Mädchen – Pearl (Siehe Foto), sie ist meine Nachbarin und wohnt im gleichen Haus, oben im vierten Stock. Die Familie ist aus Sri Lanka und hat mich gefragt, ob ich sie portraitieren könne für ihre Eltern und Grosseltern auf Sri Lanka. Ich habe vorgeschlagen, das Bild in unserem Garten zu realisieren, am besten am Sonntag wenn sie schön gekleidet aus der Kirche kommen. Nach der Kirche haben sich die Eltern und die beiden Kinder bei mir im Studio zurecht gemacht, sich geschminkt und die Saris zurecht gerückt während ich im Garten die Blitzanlage mit der Leica synchronisierte. In dem Moment kam Pearl in den Garten gerannt und meinte: „Quickly, quickly, before the whole family comes“. Ich habe dreimal den Auslöser betätigt und schon stand der Rest der Familie wunderschön gekleidet für das Portrait bereit. In diesem kurzen Moment, noch während ich das Licht eingerichtet habe ist dieses fröhliche und wunderschöne Bild entstanden. Ein spontaner Moment, zwischen Pearl und mir, nicht ich habe diesen Moment inszeniert, sondern Pearl. Oder besser gesagt, es war eine Art von Zusammenspiel, das optimale Timing am richtigen Ort.”
Bassler: “Geben Sie auch Anweisungen? Zum Beispiel bei dem Projekt „Dhau“. Gab es da Situationen wo Sie auf jemanden hingegangen sind und gesagt haben so und so?”
Presser: “Nein. Bei der „Dhau“ eigentlich weniger. Weil das Prinzip bei der „Dhau“ ist ja folgendes: Das sind Segelschiffe die schon seit Jahrtausenden im Indischen Ozean vor Ostafrika hin und her kreuzen und früher bis Indien und noch weiter gefahren sind. Wenn man heute das Glück hat und mitsegeln und fotografieren darf, dann muss man sich auch an die Regeln halten. Wenn man beispielsweise stundenlang vor dem Wind segelt oder dagegen, wenn keine Manöver im Gange sind, dann gibt es eigentlich gar nicht viel zu sehen oder zu fotografieren. Da passiert auch nur wenig. Für den Fotografen ist es dann spannend, wenn ein Manöver stattfindet. Wenn gewendet oder gehalst wird, wenn man frühmorgens den Anker lichtet, auf Grund läuft, die Segel gerefft werden, wenn ein Sturm aufkommt. Wenn ein Manöver stattfindet, dann arbeitet die ganze Crew, meist 6 oder 7 Seeleute, der Steuermann und der Kapitän. Das sind dann oft auch sehr gefährliche Momente. Da muss man gut aufpassen als Fotograf, dass man niemandem im Wege steht, die Arbeit der anderen nicht behindert und dass man sich nicht selber in Gefahr bringt. Da kann man nicht gehen und die Leute inszenieren und Anweisungen geben wie: „Du, sei doch so mal gut und rückt mal etwas mehr nach links oder nach rechts“. Zudem gibt es ja die Sprachbarriere. Flink, seetüchtig und schnell muss man da sein. Präzise arbeiten und dafür sorgen, dass das Gerät nicht nass oder feucht wird und nicht leidet unter den klimatischen Gegebenheiten. Und gute Bilder machen. Nehmen wir an es besteht die Gefahr einer Havarie, da muss man unheimlich schnell reagieren. Da bleibt keine Zeit für inszenierte Fotografie, das ist unmöglich. Das ist dann reine Dokumentarfotografie. Weil die Gefährlichkeit der Situation es nicht zulässt, dass man Leute inszeniert. Bei der Arbeit über den Buddhismus war es auch schwierig Situationen zu inszenieren, weil ich den Rhythmus der Leute nicht stören wollte. Es gibt Situationen, da inszeniere ich mein Gegenüber, und zwar ganz bewusst. Aber es stellt sich auch immer die Frage: „Wer inszeniert wen?“ Ich weiß gar nicht ob der Fotograf immer derjenige ist, der inszeniert. Ist es der Fotograf der inszeniert oder die resp. der Fotografierte. Klaus Kinski den ich ein erstes Mal in Paris, später dann bei den Dreharbeiten zu Werner Herzog’s Fitzcarraldo und Cobra Verde und später auch in Rom begleitet habe, hat mich ebenso inszeniert wie ich ihn. Oder besser, Klaus hat sich selber inszeniert. Er hat sich so inszeniert, wie er sich gefiel und ich habe ihn abgelichtet. Aber er hat das natürlich nur gemacht, weil ich da war. Zusammen hat das wunderbar funktioniert. Klaus wusste aber auch, dass ich ihn gut in Szene setzen konnte. Da ist es schwierig zu sagen, wer inszeniert wen. Es ist die Aufgabe des Fotografen – so sehe ich das wenigstens – das Gegenüber dazu zu bringen, sich wohl zu fühlen in seiner Haut, der meist unbekannten Umgebung und vor der Kamera. Zudem bin ich versucht, dass am Schluss das Bild so aussieht, dass es den Betrachter fasziniert. Der oder die Portraitierte muss aber auch einen Teil von sich preisgeben. Und als Fotograf musst du das auch. Man muss aufeinander zugehen und schauen, dass das eine gute und energiegeladene Symbiose wird. Und das ist das Spannende an der Portraitfotografie. In den meisten Fällen gelingt es. Es gab aber auch Situationen, da hat es nicht gefunkt, aber im allgemeinen würde ich sagen, es funktioniert gut.”
Bassler: “Ich habe gelesen, dass Sie Ihre beiden Fotoserien „Dhau“ und „ALPenTRAUM“ für eine Ausstellung in Medellin eingereicht haben, wobei beide Serien mit der Begründung, zu sehr künstlerisch und zu wenig dokumentarisch abgelehnt wurden. Wie sind Sie mit dieser Begründung umgegangen?”
Presser: “Für mich ist das so: Alle fotografischen Arbeiten, die ich autorisiere, hinter denen kann ich stehen. Jede Arbeit, die aus meinem Studio rausgeht, sei es als Vergrößerung, als digitales File oder als Buch, dahinter kann ich hundertprozentig stehen. Sowohl ästhetisch als auch vom Inhalt.”
Bassler: “Also die Behauptung, dass es zu wenig dokumentarisch ist, ist ihnen egal?”
Presser: “Ach, das ist mir wirklich egal. Vor allem hat sich das nachher schnell entschlüsselt, als wir den Direktor der Ausstellung kennengelernt haben, haben wir gesehen, dass seine Reaktion unverhältnismässig war. Und dazwischen stand da ja auch noch meine Kuratorin, Ingrid Torres. Sie ist eine junge Frau aus Kolumbien, ist 25 und macht ihren Master und Doktor im Fachgebiet „cultural science“. Ingrid hatte ganz klare Vorstellungen und sie ist damit zu ihm gegangen. Dem Direktor hat nicht gepasst, dass da eine junge Frau daherkam, die sich hervorragend auskannte in der Materie und genau wusste was sie wollte. Aber mich hat das nicht gross berührt, weil ich glaube, wenn so etwas passiert, dann ist das immer zum Guten. Nachdem die Klaus Kinski Ausstellung abgesagt worden war, und die beiden ersten Vorschläge verworfen wurden, haben wir uns zusammengesetzt und alles neu überdacht. Dann haben wir den beiden ersten Serien noch vier weitere dazugefügt und so eine sehr schöne Arbeit zusammengetragen. Neben der Geschichte über die Schweizer Alpen und der Dhau Schifffahrt haben wir die Ausstellung um folgende Themen erweitert: eine sich noch in Arbeit befindende Geschichte über die Seefahrt im Indonesischen Archipel, ein Kapitel über die Fischerei in Madagaskar und Bilder aus der Buddhismusserie, fotografiert in Korea, Ladakh und Nepal. Dann hat Ingrid Torres das Konzept dem Direktor gezeigt. Jetzt konnte der Direktor gar nicht mehr nein sagen. Am Konzept und den Bildern gab es nichts mehr auszusetzen. Auch das Dokumentarische kam jetzt zum Tragen. Und die Ausstellung ist ein großer Erfolg. Wenn Kritik konstruktiv ist und fundiert daherkommt, kann ich sehr gut mit ihr umgehen und lasse mich auf die einzelnen Kritikpunkte ein. Im Nachhinein waren wir natürlich dankbar, dass der Direktor die ersten Vorschläge verworfen hatte. Nur so konnte diese wunderschöne und reichhaltige Ausstellung „Mundos Diferentes“ mit über 100 Fotografien überhaupt entstehen. Diese ganze Entstehungsgeschichte vom „Mundos Diferentes“ hatte seine Gründe und das war auch in Ordnung so. Ich glaube die meisten meiner Sachen laufen wie sie sollten und müssen. Und das ist gut so!”
Bassler: “Also dass sie nicht dokumentarisch arbeiten, stimmt so nicht?”
Presser: “Ich bin nicht in dem Sinn wirklich dokumentarisch. Ein Dokumentarist geht ja nochmals anders um mit der Sache und wird sie anders angehen.”
Bassler: “Wo? Also an welchem Punkt?”
Presser: “Ein Dokumentarist ist vielleicht jener, der 1920 in die Südsee fuhr mit einer 16mm Kamera und die Stämme und Kopfjäger gefilmt hat. Das sind Dokumente mit einer vermeintlichen Authenzität. Da gibt es ja verschiedene Beispiele. Die Brüder Lumiere, sie haben Kameramänner um die ganze Welt geschickt, von Argentinien bis China und Japan um laufende Bilder von anderen Kulturen zu sammeln. Sie wollten die Welt für die Welt aufzeichnen. Es gab aber auch Fälle, wo Dokumente – aus war für Gründen auch immer – verfälscht wurden. Wenn ich irgendwo hingehe und versuche etwas fotografisch zu dokumentieren bringe ich immer auch meine eigenen Vorstellungen mit ein und wenn auch noch ein Apparat dazwischen ist, dann ist es schwierig etwas authentisch festzuhalten. Die reine Dokumentarfotografie; ich weiß nicht ob es das je gegeben hat. Ein heikles Thema wie ich meine.”
Bassler: “Jeder setzt ein Thema in einen bestimmten Kontext. Selbst der allerzufälligste Schnappschuss, geht von einem individuellen Standpunkt aus.”
Presser: “Ja... also wenn ich jetzt so mache (Nimmt eine Kamera und fotografiert ganz willkürlich aus unterschiedlichen Perspektiven ohne durch den Sucher zu schauen.) Ist das auch inszenierte Fotografie?”
Bassler: “Ja sicherlich.”
(beide lachen)
Presser: “Wieso?”
Bassler: “Weil es ihr Standpunkt ist.”
Presser: “Also, ich weiß nicht wo das anfängt und aufhört. Ich finde das auch gar nicht so wichtig. Mir geht es darum, mit meinen Bildern andere Leute zu faszinieren. Etwas zu zeigen, was sie nie zu sehen bekommen. Aber nicht aus Voyeurismus. Sondern einfach um zu zeigen, es gibt auch noch andere Welten. Ich bin soeben zurück aus Südamerika. Unter anderem habe ich zwei längere Reisen auf dem Amazonas unternommen. Unterwegs habe ich eine Art Kurzgeschichte geschrieben. Diese habe ich Anfang Januar verschickt und habe sehr viele Antworten erhalten von Leuten die fasziniert sind von dieser uns so unbekannten Welt. Diese Geschichte – illustriert mit Fotografien – hat den Leuten einer andere Welt nähergebracht, die sie wahrscheinlich nie selber erleben können. Wenige nur haben die Zeit oder den Mut dazu. Oder es ist zu unbequem. Aber, da ich die Fähigkeit in den Schoss gelegt bekam, Begebenheiten visuell gut umzusetzen und keine Strapazen scheue, kann ich das Gesehene dann in Buchform oder als Ausstellung nach außen tragen. Daran liegt mir mehr, als ein Dokument zu schaffen. Abgesehen davon, ich glaube nicht an eine objektive Sehweise. Oder an eine Objektivität. Das gibt es für mich nicht.”
Bassler: “Verwenden Sie Hilfsmittel wie Blitz, Beleuchtung, etc.”
Presser: “Ja beides. Aber reduziert. Je nach Situation. Wenn es die Situation braucht, dann blitze ich, oder helle auf, wenn es das nicht braucht, dann eben nicht.”
Bassler: “Und mit was reisen Sie?”
Presser: “Kameras, verschiedenen Objektiven, Filtern, Belichtungsmesser, Blitz, Reflektor, Stativ, Filme. Alles wasserdicht verpackt.”
Bassler: “Wie ist es mit digitaler Bildbearbeitung?”
Presser: “Ja; ich versuche, meine Fotografien zu optimieren, wie auch im Fotolabor beim Vergrössern ab Negativ. Aber kein „Hanky-Panky“. Sondern einfach die Optimierung der Bilder. Kontraste und Farben sauber angleichen etc.. Die Lichtbedingungen sind ja immer wieder anders. Nehmen wir einmal an, ich gehe jetzt auf den grossen Platz vor meinem Studio und mache ein Portrait von Ihnen. Und morgen noch einmal. Heute regnet es und morgen soll die Sonne scheinen. Kontraste und Farben werden verschieden sein. In diesem Falle versuche ich die Bilder einander anzugleichen. Es geht ja immer darum – das ist jetzt ein komisches Wort– das perfekte Foto zu kreieren, den optimalen Moment festzuhalten, umzusetzen was man sieht. Meine subjektive Sehweise umzusetzen. Dafür dient Photoshop als ein gutes Werkzeug. Diese Arbeit mache ich selber, es gefällt mir und ich kann es inzwischen auch ganz gut. Jemand der so lange wie ich, der 30 oder mittlerweile 45 Jahre lang im Labor gearbeitet hat, hat keine Probleme mit der Bildbearbeitung. Das ist ein Kinderspiel. Man muss ein paar Griffe kennen, einen eigenen Stil entwickeln und viel üben. Aber ich unterrichte selber Fotografie an verschiedenen Universitäten und da bin ich immer wieder gefordert und sollte auf Fragen auch eine Antwort wissen. Das ist ja nicht so schwierig und es kommt auch oft vor, dass man viel lernt dank den Studenten, die immer wieder neue Kniffs und Erkenntnisse miteinbringen. So wird der Unterricht eine wunderbare Austausch-Geschichte. Die Kinder sind natürlich viel besser geschult in den neuen Medien als ich, aber die Anwendung in der Praxis kennen sie weniger. Da kommt mir die analoge Fotografie sehr zu Gute, sie hat mich viel gelehrt. Ich glaube nach wie vor, wer sich seriös und intensiv mit Fotografie auseinander setzen will, der sollte sich auch im Labor auskennen und mit der analogen Fotografie vertraut sein.”
Bassler: “Warum?”
Presser: “Die digitale Fotografie ist nur ein Teil der Fotografie. Die analoge Fotografie braucht nochmals ein anderes Verständnis. Man muss wissen, wie diese chemischen und physikalischen Gesetze wirken und wie bekommt man das was man sieht auf den Film und das Papier. Wie kann man schöne Abzüge machen. Ich glaube das ist sehr wichtig, wenn man ein guter Fotograf sein will. Zum Knipsen braucht es nicht sehr viel. Aber wer sich seriös mit der Fotografie auseinandersetzen will, der muss mehr wissen und mehr können als nur einen Knopf zu betätigen und das Bild später am Rechner zurechtzurücken. Fundiertes Wissen und Übung ist derop bearbeiten.“
