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Bettfreunde

Text: direktemang

Ich liege auf meinem Bett und lasse den Kopf hängen, vornüber.



Es ist ziemlich beeindruckend, wie viele Staubflocken sich so darunter befinden. Große, graue Büschel muss man schon fast sagen. Sie liegen da einfach so rum und tun nix. Denke ich, aber wenn man mit einer Lupe hinschauen würde, könnte man vielleicht sehen, dass sie sich heimlich still und leise, Zentimeter für Zentimeter bewegen, weil zigtausend kleine Tierchen in ihnen leben. Und wie sie da so liegen und sich nicht bewegen oder auch doch, mir das Blut mehr und mehr in den Kopf steigt und dort einen Stau verursacht, kommt mir ein Gedanke: Wie wäre es wohl, wenn ich mal wieder meine Wohnung putzen würde!
Das würde bedeuten, dass ich mich jetzt aufräkeln müsste, langsam, denn sonst würde mir schwindelig werden und ich müsste sogleich- von der Anstrengung mich zu erheben, ermattet- zurück in die Federn sinken. Ich würde mich, wenn ich mich also gemächlich erhoben hätte, aus dem Bett rollen, die Füße zuerst, alles andere wäre Quatsch und einen vor den anderen setzen. Ich müsste meinen R2D2- Staubsauger aus dem Flur bewegen, das Stromkabel abwickeln und in die Steckdose im Badezimmer stöpseln. Das klingt vorerst nach viel Arbeit, aber das mutige, aufbrummende Geräusch meines Staubflockenfressenden Freundes würde mich gleich viel selbstsicherer im Kampf, die Flusenmonster ein für alle Mal loszuwerden, machen.
Diese zumindest, die Erfahrung lehrt mich, dass neue nachkommen würden, immer und immer wieder. Woher die bloß immer alle kommen? Wer lässt die eigentlich in meine Wohnung? Ich kann mich nicht entsinnen, dass sie vor meiner Haustür gestanden, um Asyl gebeten haben und ich ihnen großmütig Einlass gewährte. Da müsst' ja mein Herz ein Affe sein. Wenn ich den erwische, der trotz knallharter Türpolitik in meiner Bude, diesen unglücklichen Artgenossen Eintritt gewährt, der kann was erleben.
Zum Glück hätte ich meinen treuen Gefährten R2 an meiner Seite, der sich mit lautem Getöse auf die Biester stürzen würde: Nehmt das und das und das, in der linken Ecke unterm Bett und in der rechten auch. Ich würde langsam in Fahrt kommen und den Rest der Wohnung mit meinem verlängerten Saugarm inspizieren. Lupenrein sollte es sein und ich würde mich bis in die hintersten Ecken meines Domizils vorkämpfen. Irgendwann wäre ich schweißgebadet und einen Schokoriegel schlanker am Ende meiner Kräfte angelangt und würde R2, mit einer müden und dankesagenden Geste, wieder in den von ihm mit Sicherheit auch bevorzugten Zustand des Ruhemodus fahren. Ich würde hektisch das Stromkabel einrollen, da ich es kaum erwarten könnte, mich wieder hinzulegen und ihn schnell in seine heimelige Ecke, am Ende des Flurs, neben der Leiter schieben und mich erschöpft aufs Bett fallen lassen.

Da wo ich immer noch liege und mir gerade vorstelle, wie es wäre zu putzen.

Der Gedanke an all die damit verbundene körperliche Aktivität lässt mich allerdings jetzt schon ermattet den Gedanken an all die kleinen Tierchen in den Staubflusen und Büscheln vergessen und ich beschließe sie einfach weiterhin beherzt zu ignorieren. Ich will heute mal nicht so sein, sie sollen auch ihr Recht auf ein Dach über dem Kopf, ein trockenes Heim und ihr täglich Brot haben.

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