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"Sagte das dicke, fette, faule, Ferkel" Ein Zitate-Ticker

Text: Der_Tagesticker
Ich muss euch ein Geständnis machen. Ich bin infiziert. Mit Zitateritis.
Ich bin mit Zitaten aufgewachsen. In meiner Familie wurde und wird alles zitiert, was nicht niet- und nagelfest ist: Kinderbücher, klassische und (seltener) moderne Literatur, Gedichte, Balladen, Theater, Chansons, Kabarett (ganz schlimm!), seltener historische Zitate, ganz selten Filme.
Okay, innerhalb der Familie nicht so schlimm und wer bei uns einheiratet, muss halt sehen wo er bleibt.

Draußen in der großen weiten Welt ist das etwas schwieriger. Weil das, was meine Familie (und eben ich) gerne zitieren, sich nicht unbedingt mit dem Zitateschatz der Durchschnittsbevölkerung deckt und (das ist viel schlimmer) es eine erschreckend große Zahl an Menschen gibt, die anscheinend überhaupt nicht zitieren. Die sehen einen dann mit diesem Ausdruck zwischen Verwirrung und Entsetzen an und manch einer möchte vielleicht schon den psychiatrischen Notdienst verständigen. Bloß weil man seine angestrengten Bemühungen in den verwurschtelten Pullover zu finden mit heiterem „links ein Arm und recht ein Arm ist links mal warm und rechts mal warm“ kommentiert hat oder seine Klage über eine geänderte Anweisung „aber vorhin wollte der Chef doch....“ mit „Vorhin ist nicht jetzthin – und jetzthin mag ich Mäuse“. (Wobei Pumuckl im Allgemeinen doch eine überraschend hohe Wiedererkennungsquote hat.) Und ein genervtes „Kannst du nicht...“ trocken mit „I scho, aber du ned“ zu beantworten, wirkt überraschenderweise beim anderen eher nicht stimmungsaufhellend.
Aber dann natürlich auch das Gegenteil, wenn man unverhofft andere Infizierte trifft. Wenn mein gedankenverloren hingemurmeltes „Honey or condensed milk with your bread?“ von meinem Gast plötzlich mit brummigem „Both! But don't bother about the bread.“ beantwortet wird. Und Plötzlich entsteht eine ungeahnte Vertrautheit, als würden wir uns schon ewig kennen.

Nachdem ich nicht mehr ständig unter dem Einfluss meiner Familie stehe, habe ich die Symptome der Zitateritis einigermaßen im Griff. Meistens zumindest. Ganz gefährlich ist es allerdings, wenn jemand mir eine Vorlage liefert, irgendetwas sagt, was (quasi krankheitsbedingt) nur mit einem ganz bestimmten Zitat beantwortet werden kann. Manchmal kann ich den Impuls bremsen, manchmal nicht. Ein leichtfertig geäußertes „Und ich schon gar nicht!“ mit „sagte das dicke, fette, faule Ferkel“ zu beantworten... Nun ja, damit macht man sich keine Freunde. Wirklich nicht. Niemals. (Obwohl es natürlich die einzig passende Antwort ist.)
Auf einen schwermütigen Seufzer „da atmete das Marzipanschwein ganz tief“ zu sagen, ist nicht ganz so schlimm, erfordert aber in der Regel ausschweifende Erklärungen.
Kabarettzitate sind sowieso gefährlich, weswegen in der Öffentlichkeit von Äußerungen wie „Man soll nur ungelesene Bücher verbrennen!“ abzusehen ist.





Nun, nachdem ihr in die Tiefen meiner Seele blicken durftet, wie ist das bei euch? Packt euch auch manchmal die Zitierlust? Dem Ticker nach scheint das bei einigen durchaus der Fall zu sein. Wenn ja, kennt ihr diese Unverständnisreaktionen, wenn der andere so gar nichts damit anfangen kann, dass man zitiert (geschweige denn mit dem Zitat selber)? Und was zitiert ihr?
Oder gehört ihr zu den genervten Augenverdrehern? Wenn ihr nach einem besorgniserregenden Geräusch aus der Küche, eurem Schatz ein „Alles in Ordnung?“ zuruft und ihr als Antwort nur „Houston, wir haben ein Problem!“ hört – geht ihr dann die Koffer packen und schlaft lieber wieder bei Mama?
Jetzt erzählt mal! Und natürlich sind Zitate als Beiträge heute ausgesprochen willkommen!

Text und Bild: Lish

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