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Video der Woche: Lady Gaga und das Ende der Bescheidenheit

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Lady Gaga ist die erste Künstlerin seit Jahren, ach was: seit Ewigkeiten, die es schafft, mit so etwas Banalem wie einer Videopremiere die Popkultur-Gemeinde in Atem zu halten. Und als das Video da war, da machten sich Heerscharen von Bloggern daran, das Video in Einzelbilder zu zerlegen und eine Exegese bereitzustellen. Das funktionierte bei „Paparazzi“, das wurde geradezu hysterisch bei „Bad Romance“ und auch bei ihrem aktuellen Video „Telephone“ ist es nicht anders. Wochen vorher wurden Fans häppchenweise mit Fotos vom Videodreh versorgt, der Starttermin für das Video wurde mehr als einmal verschoben und die Gerüchteküche kochte geradezu über, als Lady Gaga via Twitter verkündigte, sie habe großes Mitleid mit „Bad Romance“, aber es sei nicht zu leugnen, dass „Telephone“ das bessere Video sei. Und dann war es tatsächlich soweit – in der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde „Telephone“ zum ersten Mal öffentlich aufgeführt; was an sich schon bemerkenswert ist, angesichts der Tatsache, dass es kaum ein Hollywood-Studio mehr hinbekommt, seine Filme bis zum Start unter Verschluss zu halten. „Telephone“ ist kein gewöhnliches Musikvideo, so wie auch Lady Gaga keine gewöhnliche Sängerin ist. Da ist zunächst die schiere Länge des Videos: „Telephone“ dauert in der Originalversion erschöpfende neun Minuten und 32 Sekunden – länger als die meisten Kurzfilme und auch sehr viel länger als die vermutete Aufmerksamkeitsspanne eines jeden internet-geschädigten jungen Menschen in der heutigen Kurzkultur-Zeit. Das Video beginnt mit einem elendiglich langen Vorspann, in dem wir Gaga dabei zusehen, wie sie sich im Frauengefängnis ("Prison for Bitches") akklimatisiert, werden Zeugen einer derben Schlägerei unter Frauen und erleben die drei ersten von vielen folgenden Product Placements. Nach drei Minuten voller Gefängnisatmosphäre und Bitchslapping, fängt Gaga endlich an zu singen und zu tanzen – im Gefängnis-Korridor, in Unterwäsche aus schwarzem Leder, besetzt mit Nieten. Und das ist erst der Anfang.

Völlig klar, dass ein antizipiertes Ereignis, wie dieses Video eine Menge Kritik von enttäuschten Fans und hauptberuflichen Kritikern erntet. Und so ganz unrecht haben einige Kritiker auch nicht: so bemängeln sie unter anderem die vielen Einstellungen auf Unterleibshöhe und die Tatsache, dass Video und Song nichts miteinander zu tun haben. Aber vielleicht macht gerade das einen großen Teil der Anziehungskraft von Lady Gaga aus: Sie schafft aus der Durchschnittlichkeit ihres Songmaterials in Verbindung mit den visuellen Abenteuerlichkeiten, die ihrer Fantasie entspringen, etwas, das größer ist, als die beiden Teile. Und die Tatsache, dass sie uns Songs verkaufen kann, die vom Anruf eines nervigen Freunds handeln, während man gerade "am Abdancen" ist, ist nur ein weiterer Beweis ihrer Größe.

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