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Tollwood-Kolumne. Heute: Ska als Glücks-Therapie?

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„Ska sucks. Ska revival isn’t cool, you stupid fuck,“ sang einst die Punkband Propaghandi mit gelangweiltem Unterton. Dazu schepperte gemein und dreckig eine E-Gitarre im skatypischen Off-Beat. Eine Hymne für alle, die Ska-Musik ätzend finden. Ich finde Ska eigentlich ganz gut. Ein bisschen verwunderlich vielleicht. Das liegt vor allem daran, dass Ska-Musiker immer so erschreckend gut gelaunt sind. Das fällt mir einmal mehr auf, als ich fasziniert auf die Band Bienenstich im SZ-Zelt im GabiDom starre. Quietschgelbe T-Shirts. Quietschgelbe Hosen und Chucks. Neonpinkgrüne Kappen. Sonnenbrillen. Nackte, verschwitze Bierbäuche. Die Band reißt einen Kalauer nach dem anderen. Das Publikum johlt. Wie schaffen die das?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Peinlich oder glücklich? Die Band Bienenstich in Action. (Foto:bienenrock.de) Macht Ska aus jedem eine Frohnatur, unempfindlich gegen offenkundige Peinlichkeiten? Oder machen nur Frohnaturen Ska-Musik? Schmeißen Bands wie Bienenstich vor dem Auftritt vielleicht unbekannte Glückspillen ein, die pausenloses Witzerzählen ermöglichen? Ich habe Flo, den Sänger der Band gefragt. Früher habe er in einer Hardcore-Band gespielt, sagt er. Davon hat er aber immer so schlechte Laune bekommen, und deshalb sei er ausgestiegen und dann kam Bienenstich. Also doch: Musiker, die jeden Morgen einen Clown frühstücken, landen früher oder später automatisch bei Off-Beat-Gitarren und Bläserarrangements. Das erklärt aber noch lange nicht, wieso Ska sowohl Musiker als auch Zuhörer resistent gegen peinliches Verhalten macht. Ich kenne zum Beispiel eine sehr gute Skapunkband aus Köln namens Karoshi, deren Bandmitglieder sich auf Konzerten manchmal aufgeblasene Kinderschwimmringe um den Hals legen. Man stelle sich 1,90 Meter großen und etwa ein Meter breiten, glatzköpfigen, patzig dreinblickenden Oi-Punk an der Trompete vor, der ein rosa Plastiketwas um den Hals trägt. Das hat ungefähr den gleichen Level, wie zu gelbe Outfits und neonfarbene Kappen. Beides für sich genommen albern. Im Skakontext: Erheiternd und cool. Vielleicht ist das der Punkt. Auf Ska-Konzerten darf jeder seine kindlichen Triebe ausleben. Ein geheimer Pakt zwischen Band und Publikum. Man muss nicht tanzen können, sondern nur stampfen, hüpfen und die Knie hochreißen. Jeder darf sich schwitzend seiner Kleider entledigen, auch wenn sich darunter kein pop-tauglicher Waschbrettbauch verbirgt. Peinlichkeiten sind nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Skabands singen auch im tiefsten Winter noch von Sonnenschein. Oder von Politik – das bekommt das wippende Publikum bei den heiteren Klängen meistens überhaupt nicht mit. Nach dem Bienestich-Konzert liegen sich die Leute im SZ Zelt selig in den Armen. Ein Mann nimmt seine kichernde Frau huckepack und trägt sie raus in die Sonne. Ich glaube, ich werde in Zukunft wieder öfters auf Ska-Konzerte zu gehen. Als Glücks-Therapie.

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