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Es ist eigentlich ein bisschen lächerlich, aber schon lange genug her um es zu erzählen. Ich bin auf dem Land groß geworden, das Dorf hatte 200 Einwohner, morgens und abends fuhr ein Bus in die nächste Stadt. Verbindungen zwischen den Dörfern gab es eigentlich nicht, zum Teil weil die Straßen zu schmal für Busse waren. Deshalb hatte ich mein ganzes Geld zusammengekratzt, den Mopedführerschein gemacht und mir eine Yamaha SR 125 gekauft. Ich will jetzt nicht anfangen zu schwärmen und eigentlich finde ich Motorräder auch doof, aber das war echt ein hübsches Ding. Und es musste einiges durchmachen. Es war irgendwann zwischen den Jahren, ich muss 16 oder 17 gewesen sein. Meine Eltern waren im Urlaub und ich war verliebt. Eigentlich kein Problem, ich konnte schließlich mit meinem Moped zu ihm fahren. Wenn es an dem Abend nicht Eisregen gegeben hätte, die Straßen waren spiegelglatt. Aber das konnte mich nicht aufhalten. Ich setzte mich auf das Moped und fuhr los. Das erste Mal fiel ich hin, als ich aus der Garage fuhr. Das zweite Mal in der Kurve zwanzig Meter weiter. Sobald sich die Straße nur ganz leicht bog, brach das Hinterrad aus und der Sturz war unvermeidlich. Aber nicht nur in den Kurven, ich fiel auch auf der geraden Strecke hin. Ich fuhr so langsam, selbst laufen wäre schneller gewesen. Von meinem Dorf zu seinem waren es ungefähr zehn Kilometer. Ich muss etwa fünfzig Mal hingefallen sein. Auf der ganzen Strecke begegnete mir nicht ein einziges Auto. Ich versuchte zu schieben, aber das kam dem Versuch gleich, ein Motorrad über einen zugefrorenen Fluss zu schieben. Meine Turnschuhsohlen waren viel zu glatt, sie griffen nicht auf der Eisfläche. Eine Weile stapfte ich durch den halben Meter verkrusteten Schnee am Straßenrand und schob das Motorrad über die Straße. Ich war denkbar schlecht ausgerüstet für dieses Unternehmen, ich trug nur eine Jeans, die irgendwann so durchnässt war, dass ich unterhalb meines Knies nichts mehr spürte. Oberhalb des Knies tat mir jeder Knochen weh. Die Tachonadel war eingefroren, ebenso meine Wimpern und Augenbrauen, Ohren, Nase und Finger wurden immer gefühlloser. Es ging schon lange nicht mehr darum, meinen Freund zu sehen. Es ging einfach nur darum, die nächste Kurve zu überstehen. Zwischendurch dachte ich, dass ich niemals ankommen würde. Einmal fiel ich in einer Serpentine hin und beschloss einfach liegen zu bleiben, stand dann nach ein paar Minuten doch wieder auf. Warum ich das Motorrad nicht stehen gelassen habe und zu Fuß weiterging, kann ich mir nicht erklären. Wahrscheinlich war es der pure Starrsinn. Aber irgendwann kam ich doch an. Gerade als ich in die Einfahrt einbog, zum letzten Mal schicksalsergeben hinfiel und das Motorrad wieder aufrichtete, fuhr das Räumfahrzeug an mir vorbei. Ich begutachtete das Moped, überall Schrammen und Dellen, die noch rosten sollten, als ich schon längst nicht mehr mit dem Jungen zusammen war. Dann duschte ich erst mal ewig, ließ heißes Wasser über meine Beine laufen und spürte lange nichts, erst nach und nach fingen sie an zu kribbeln. Ich war übersäht mit blauen Flecken, völlig erschlagen und mir tat alles weh. Sex hatte ich trotzdem noch.


Ich habe beschlossen, mit 14 Jahren aus reinem Liebesbeweis zu einem Mädel, dass die Liebe nicht erwiderte, Vegetarier zu werden. Hab’s knallhart durchgezogen, bis heute! Ich bin jetzt 30. und aus uns ist nie was geworden. Verlässliche quellen berichteten mir vor Jahren, sie im hiesigen Schnitzelparadies speisen gesehen zu haben... Soll man denken was man will ;-))
Damals... ...hab ich meinem Freund eine Latein-Ex verraten, die er am folgenden Tag bei meiner Mutter schreiben würde. Heute... ...finde ich, Fernbeziehungen fordern genug Opfer.
Geheiratet habe ich. Aus Liebe, meine ich. Verrückt genug?
Liebe? Was ist das wirklich? Habe mal wegen einem Typen 1 Monat mein fünfjähriges Kind in Deutschland (bei Vater und Großmama, gut betreut, was ist gut?) zurückgelassen, bin nach Andalusien geflogen, dann nach Marokko auf dem Motorrad, ein schlechtes Ding, wir entkamen knapp einem schweren Unfall, und habe Dinge getan, die wunderlich verrückt schienen. Illusion von Glück... Das war eigentlich gar nicht gut, der Typ ein Abzocker, ein egoistischer. Wie stand ich auf ihn - bis ich zur Besinnung kam! Nie mehr!!
Ich bin ja im Grunde meines Herzens hoffnungslos romantisch. Ich habe mein Studium geschmissen und bin endgültig ausgewandert und in sein Elternhaus eingezogen. Da kannte ich ihn gerade drei Monate! Für einen Anderen habe ich riesige Umwege und Mühen in kauf genommen, und ihm eine Rose geschenkt, obwohl ich wusste, dass er mir nie irgendwas schenken würde. Und Nichts davon bereut.
Ich habe einmal meine Liebe erklärt, indem ich ein etwas aufwendigeres Geschenk gemacht habe - ein Buch geschrieben, etwa 100 Seiten, schön in Leinen gebunden und so ausgelegt, dass es persönlich war, aber sie auch im Falle eines Korbes (der dann auch prompt kam) trotzdem etwas damit anfangen kann.
Mit 18 von der ZVS in die Provinz verschickt, mit Riesenaufwand dort hingebracht von der Familie, alles arrangiert. Am dritten Tag stand ich wieder vor der Tür des Mädchens, dessen Herz ich doch gerade fest hatte. War für mich ziemlich logisch die Entscheidung, hat aber kaum jemand verstanden. p.s.: Die Beziehung hält jetzt seit 30 Jahren.

Text: sebastian-mraczny - Bild: ap

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