Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Der Wasserträger vom Land: Florian Ludwig (CSU)

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Vor dem zentralen Kaufhaus in der Rosenheimer Fußgängerzone steht ein Mann mit sonnengebräuntem Gesicht und Headset und redet so penetrant gut gelaunt auf die Passanten ein, dass man ihn fast mit dem Gemüsehobelverkäufer verwechseln könnte, oder mit diesem Waschmittelfutzi. Aber er verkauft heute etwas viel mächtigeres. Auf seinem Polohemd steht „Team CSU“. „Ein bewegender Einfall, den unsere CSU da hatte. Ich finde die Idee phänomenal: Eine Radeltour durch den Landkreis“, ruft der Braungebrannte, er heißt Franz Knarr, ist freier Moderator und wurde extra für heute angeheuert. Hinter ihm hängt ein großes Transparent mit der Aufschrift „MITeinand Tour 08 – miteinander radeln, miteinander reden, radel mit!“, in blauer Schrift auf weißblauem Grund. Überall hängen CSU-Luftballons, ein Kind trägt ein „Kick it like Beckstein“-Shirt. Die Rosenheimer CSU startet an diesem Mittag ihre große Wahlkampf-Radeltour und hat alles aufgefahren, was nur irgendwie geht. Die Oberbürgermeisterin ist da, die örtliche Bundestagsabgeordnete, der Landrat, zwei Landtagsabgeordnete, eine Bezirksrätin, ein Dorfbürgermeister. Alle von der CSU. Sie tragen dunkle Anzüge, Dirndl oder CSU-Poloshirts. Der Landtagskandidat Florian Ludwig steht mitten drin. Er trägt ein schwarzgelbes Radeltrikot und einen Rucksack von der Uni München. Es ist CSU-Radeltour und Florian Ludwig ist der einzige, der aussieht wie ein Fahrradfahrer.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im weißen T-Shirt und bester Laune: Florian Ludwig. Florian spielt mit einem weißblau-gerauteten CSU-Gummiball, der Moderator spricht nur noch in Radsportmetaphern, redet von Bergetappen und Fitness und irgendwann blickt er dann Florian an und meint: „Die Jüngsten müssen die Wasserträger sein. Das solltest Du Dir zu Herzen nehmen.“ Das war wohl als erhobener Zeigefinger zu verstehen. Dann wird es hektisch. Noch schnell ein Gruppenfoto – „Es muss ja a gscheits Buidl für die Zeitung geben“ – die Oberbürgermeisterin gibt den Start frei, die Kandidaten radeln los, und sind drei Minuten später wieder zurück und posieren für Fotos. Richtig geradelt wird erst am nächsten Tag, heute ging es nur um die Show. Eigentlich halte er ja nichts von „Blabla“, von politischen Aktionen ohne Inhalt, sagt Florian, als er wenig später in einem Cafe sitzt, das Radeltrikot hat er gegen ein lockeres Polohemd getauscht. „Ich will konkrete Aussagen machen.“ Florian ist 28, hat in München Physik studiert und als ihm irgendwann klar wurde, dass er als Physiker kaum Arbeit in seine Heimatstadt Rosenheim finden würde, entschloss er sich Lehrer am Gymnasium zu werden. Florian meint: „Ich bin einfach kein Stadtmensch.“ 1998 trat er in die CSU ein, weil er so überzeugt war von Edmund Stoibers Politik. Für andere Parteien konnte er sich nicht begeistern. Die Grünen hatten ihm zu wenig Achtung vor christlichen Werten, die SPD hatte zu naive Antworten auf die Globalisierung. Vor sechs Jahren wurde Florian Kreisvorsitzender der CSU-Jugend „Junge Union“ im Rosenheimer Land. Er ist Chef über 26 Ortsverbände, mit über 800 Mitgliedern. Seit ein paar Monaten hat er auch einen Sitz im Stadtrat von Rosenheim. Der Landtag wäre der nächste Schritt für die politische Karriere. Florian steht auf dem Wahlzettel auf dem guten achten Platz der CSU-Oberbayernliste. Aber er kandidiert in keinem Direktstimmkreis. Und weil nach dem sehr eigenen bayerischen Landtagswahlrecht für jeden Kandidaten die Erststimme für das Direktmandat, und die Zweitstimme auf der Parteiliste zusammengezählt werden, wird das sehr schwer für Florian. „Was soll die CSU denn machen“, fragt er fast ein wenig resigniert, „die kann mit ja keinen Stimmkreis aus dem Nichts herzaubern.“

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Florian hat seinen Wahlkampfflyer dicht mit Inhalten bedruckt. Er möchte das Bildungssystem ein wenig durchlässiger machen und setzt sich gegen grüne Gentechnik ein. So weit würden nicht alle in der CSU gehen. Es würden auch nicht alle ihren Wählern so viele Inhalte zumuten. Am Nachmittag hat Florian noch einen Termin als Stadtrat. Ein neues Jugendbüro wird eingeweiht. Ein umgebauter Postcontainer soll jetzt jungen Rosenheimern die Freizeit schöner machen, als Platz zum Spielen, zum Rumhängen, als Anlaufstelle, wenn sie mal Probleme zu Hause haben. Die Jugendlichen haben den Wagen selbst dekoriert. Innen hängen einige Simpsons-Poster, auf die Tür ist die obskure Simpsons-Nebenfigur „Poochie der Hund“ aufgemalt. Heute ist große Einweihungsfeier mit Kinderschminken, Hüpfburg und Lokalpolitiker-Ansprachen. Florian redet mit dem zweiten Bürgermeister, dem Mann von der Sparkasse, hört der Rede des Stadtjugendring-Chefs und geht nachher zu ihm und fragt ihn, wie man zur Zeit so aufgestellt sei bei der Jugendarbeit. Der Jugendring-Chef erklärt die Probleme, die nächsten Projekten, der Mann von der Sparkasse hat Ideen, wie man die sponsern könnte und Florian überlegt sich, wie er als Stadtrat da helfen könnte. Jetzt wird Politik gemacht. Völlig unglamourös, ohne jede Show. Und Florian genießt es.

Text: bernhard-huebner - Fotos: Holly Pickett

  • teilen
  • schließen