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Ich will da rein! Thomas Asböck

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„Thomas Asböck wird gewinnen“, ruft der Kreis-SPD-Sprecher vom Rednerpult und macht sein „Ich mein das total ernst“-Gesicht. Hinter ihm steht auf einem Transparent groß in blau und rot „SPD: Bayern, aber gerechter“. Links von ihm hängt ein Hasenfell an der holzvertäfelten Wand, rechts ein Hirschgeweih. Die SPD hat eingeladen, in den Gasthof Eckinger in der Gemeinde Ering, nahe Passau. An einem langen Tisch sitzen 15 Zuhörer. Sie sind unzufrieden – mit der Regierung, mit der Autobahn nach München, die seit Jahrzehnten versprochen, aber noch immer nicht gebaut ist, mit dem verwirrenden Rauchverbot, den schlechten Bedingungen an den Schulen. Deshalb sind sie heute Abend hier. Sie wollen wissen, ob die SPD vielleicht Antworten auf ihre Sorgen hat. „Unser Landtagskandidat: Thomas Asböck“, werbetrommelt der Kreisverbandssprecher. „Man kann ihn so bezeichnen: Frech, stark, super.“ Thomas stöhnt auf: „Ach naaaa.“. So viel Lobhudelei ist er einfach noch nicht gewohnt. Dafür ist er mit seinen 28 Jahren einfach noch nicht lange genug in der Politik.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Thomas Asböck auf Wirtshaustour. Das ist sie also, die junge Hoffung der SPD in Bayern. Im Hauptberuf arbeitet Thomas Asböck als technischer Zeichner bei einer niederbayerischen Baufirma. In seiner Freizeit ist er Landesvorsitzender der Partei-Jugend Jusos. Am 28. September kandidiert er zum ersten mal für einen Sitz im bayerischen Landtag. Seine Partei hat ihn als Direktkandidaten im Wahlkreis Rottal-Inn aufgestellt. Das ist eine echte Chance. Andererseits ist die Konkurrenz von der CSU auch kaum wo anders so übermächtig wie in Niederbayern. Vor fünf Jahren holte die CSU in Rottal-Inn 65,9 Prozent der Erststimmen. Die SPD schaffte ganze 12,9 Prozent. Man könnte das eine schwere Aufgabe nennen, vor der Thomas da steht, aber das wäre wohl ziemlich untertrieben. „Ich habe ja noch Zeit“ sagt Thomas. Er hat ein freundliches, rundes Gesicht, trägt eine Brille, einen kleinen Stecker ihm linken Ohr und ein gestreiftes Polohemd. Thomas raucht kurz vor seinem Auftritt eine Mentholzigarette und erzählt was er schon erreicht hat. Zusammen mit Mitgliedern anderer Jugendorganisationen hat er ein „Bündnis gegen Rechts“ gegründet und dafür von seiner Partei einen Preis bekommen. Seit sechs Jahren ist er bei den Jusos, seit vier Jahren Kreisvorsitzender und die Genossen aus der örtlichen SPD erzählen bewundernd, der Thomas Asböck, der habe die Jusos im Landkreis erst wieder richtig aufgebaut. Wenn Thomas über Politik redet, dann beginnt er Sätze oft mit den Worten „Ich als Sozialist...“ und sagt Dinge wie „Es muss auch Linke geben, die in der SPD bleiben und sie wieder auf Kurs bringen.“ Er ist in die SPD gegangen, weil er an das Soziale, an Gerechtigkeit in der Gesellschaft und das alles noch glaubt. Das was die SPD unter der Regierung Schröder gemacht hat, neoliberale Reformprojekte wie Hartz IV und Agenda 2010 sind für Thomas Kursabweichungen, die man korrigieren muss. Das sagt er offen und macht sich damit nicht nur Freunde in seiner Partei. Auf der nächsten Seite: Wie Thomas deutschlandweit bekannt wurde, warum er nach einem Interview mit "Spiegel Online" das Telefon aussteckte und welche Rolle die Zahl 14 spielt.


Vergangene Woche gab er ein kleines Interview mit Spiegel Online und sagte dabei: „Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin und Ex-Innenminister Otto Schily sind für mich Ekelpakete am rechten SPD-Rand.“ Das war nicht wirklich nett. Am Abend bekam Thomas einen Anruf von der Bild-Zeitung und wurde gefragt, ob er ein Foto schicken könnte, wo er etwas grimmiger aussehe, als auf seinem Wahlplakat. Das war am Montag. Am Dienstag schrieb die Bild in großen Buchstaben „Was nimmt sich denn dieser Politik-Bubi heraus?“ Thomas ging den Rest des Tages erst einmal nicht mehr ans Telefon.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Thomas bei einem politischen Abend im Gasthaus zum Hofwirt in Triftern in Niederbayern. Er spricht vor fünf Zuhörern. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt und Thomas gibt zu: „Mir ist im Nachhinein klar geworden, dass deftige Worte wie Ekelpaket nicht so gut sind. Aber inhaltlich stehe ich dazu.“ Er habe zustimmende E-Mails von SPD-Mitgliedern aus ganz Deutschland bekommen, sagt er. Und da merke man, dass an der Basis der Druck gegen die Rechten in der Partei steige. „Und es war gut, dass ich dem Druck das Ventil geöffnet habe.“ Im Dorfgasthof in Ering tritt Thomas hinter das Rednerpult. Seit Juni ist er auf Wahlkampftour. Der Landkreis hat 31 Gemeinden, und in allen 31 Gemeinden tritt Thomas auf, geht zur Basis, zu den Wählern, in die Wirtshäuser und präsentiert sein Programm. Heute ist Thomas 17. Wahlkampfabend. Er greift mit beiden Händen den Rand des Pults, an dem vorne jemand eilig das „Raiffeisen“-Logo mit einem „SPD Rottal-Inn“-Schild überklebt hat und sagt mit tiefem bayerischen Tonfall: „Den Freistaat Bayern haben wir als Sozialdemokraten erfunden.“ Thomas polemisiert gegen die Regierung, den CSU-Chef, lästert über das Rauchverbot, wird mit jeder Minute lauter und beim Thema „Reform des Gymnasiums“ ist er schon am schreien: „Waren etwa wir des, die das G8 eingeführt haben? Wer regiert denn seit 50 Jahren?“ Eine Frau im Publikum ruft „Bravo“. Man kriegt kurz Angst, es könnte den ganzen Abend so weitergehen, mit dem Lästern und Polemisieren, aber dann fängt Thomas an mit konkreten Vorschlägen, redet von Ganztagesschulen, von der Idee Schüler nicht schon in der vierten Klasse auszusortieren, sondern länger gemeinsam zu unterrichten und erläutert das Konzept der Ausbildungsplatzumlage. Am Ende applaudieren alle im Wirtshaus-Nebenraum, Thomas wischt sich die Stirn mit einem Taschentuch ab und der Kreisverbandssprecher lobhudelt schon wieder: „Wir haben hier den zukünftigen Ministerpräsidenten gehört.“ Wer will, könne noch Fragen stellen, sagt Thomas. Und die Bürger erzählen von ihren Problemen, von der überlasteten Polizei in ihrer Region und von der noch immer nicht fertigen Autobahn. Thomas hört zu und erklärt dann die Hintergründe und was er dagegen tun könne. Nicht auf alles hat er einfache Antworten. Aber die Zuhörer sind zufrieden. Sie fühlen sich ernst genommen. So will Thomas das noch 14 Abende machen. 14 mal Wirtshaus, 14 mal reden bis der Schweiß tropft. Die Wahlkampfzentrale der SPD habe schon gefragt, ob sie ihm vielleicht einen Bundesminister vorbeischicken könne zur Unterstützung im Wahlkampf. Peer Steinbrück, oder Frank-Walter Steinmeier etwa, erzählt Thomas. „Das mussten wir aber ablehnen. Wir können deren politische Ansichten einfach nicht teilen.“ *** In der nächsten Woche: Tobias Thalhammer von der FDP

Text: bernhard-huebner - Fotos: Holly Pickett

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