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Was muss ich wissen übers Altern, Dr. Marina Schmitt?

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Frau Dr. Schmitt, wie wird unsere Gesellschaft im Jahr 2050 aussehen? Wenn man sich anschaut, wie die Gesellschaft sich entwickelt, muss man zwei Aspekte betrachten. Zum einen die Lebenserwartung, die allgemein ansteigt und zum anderen die Altersverschiebung in der Gesellschaft. Von den 82 Millionen Menschen in Deutschland waren im Jahr 2000 21 Prozent unter 20 Jahre alt, 55 Prozent 20 bis 60 Jahre und 24 Prozent über 60 Jahre alt. Bei der mittleren Vorausberechnung verschieben sich die Zahlen bis 2050 auf 15 Prozent bei den unter 20-Jährigen, 46 Prozent bei den 20- bis 60-Jährigen und auf 39 Prozent bei den über 60-Jährigen. Die letzte Gruppe zeigt also einen deutlichen Anstieg. Diese Altersverschiebung hat stark mit dem Rückgang der Geburtenrate in Deutschland zu tun. Momentan haben wir einen Stand von circa 1,35 Geburten pro Frau. Wenig spricht für einen dauerhaften Umschwung. Wer finanziert meine Rente? Die Anzahl der alten Menschen steigt immer weiter an, so dass immer mehr Ältere von immer weniger Jüngeren versorgt werden müssen. In Zukunft wird besonders die Anzahl der Hochaltrigen, der über 85-Jährigen zunehmen, da dies die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre sind. Die Rente ist ein komplexes Gebiet bei dem verschiedene Faktoren wie die Geburtenrate, die Lebenserwartung und Zuwanderung eine Rolle spielen und darüber entscheiden, wie sich der Sozialstaat entwickelt. Es gibt verschiedene Schreckensszenarien, die ein Bild der verarmten Rentner zeichnen oder das der wenigen Jungen, die viele Alte versorgen müssen. Wie sich das Ganze entwickelt, wird aber anhängig sein von der Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials. Wie die Versorgung in Zukunft aussehen wird, ist sehr schwer vorherzusagen. Ich würde aber auf die Politiker hören und sehr deutlich dafür plädieren, möglichst früh mit der privaten Altersvorsorge anzufangen, um später eine ausreichende finanzielle Ausstattung zu haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie alt werde ich als heute 20-Jährige durchschnittlich? So genau kann man das nicht sagen, da die heute 20-Jährigen schon einige Jahre gelebt und zum Beispiel schon die Kinderkrankheiten durchgemacht haben. Wenn man im Jahr 2050 60 Jahre alt ist – was auf die 1990er-Jahrgänge zutrifft -, dann hat man durchschnittlich als Mann noch 25,3 und als Frau noch 29,1 Jahre zu leben. Das ist die so genannte fernere Lebenserwartung. Menschen, die im Jahr 2050 geboren werden, haben eine Lebenswartung von 83 Jahren bei den Männern bzw. 88 Jahren bei den Frauen. Welche Krankheiten werden mich im Alter am wahrscheinlichsten treffen? Da wird sich relativ wenig ändern in der Zukunft, weil im Alter die chronischen Erkrankungen eine große Rolle spiele. Das sind beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Im Alter zeigen sich stark die Lebensstile, die dann in Krankheiten kumulieren. Im jüngeren oder im Erwachsenenalter macht das noch nicht soviel aus, aber die Einschränkungen werden später zu chronischen Erkrankungen. Ganz wichtig ist, dass man sich heute als junger Mensch schon darüber im Klaren ist, dass das Gesundheitsverhalten heute die beste Vorsorge fürs Alter ist. Die Tipps, die man für die Gesundheit so kennt, also nicht rauchen oder trinken, Sport machen oder auch gut mit Stress umgehen zu können, sind wichtig. Im Alter bekommt man die Quittung für sein Verhalten präsentiert. Brauche ich im Alter ein Hobby, damit mir nicht langweilig wird? Ältere Menschen sind meist vielfältig interessiert, engagieren sich bürgerschaftlich, fahren in Urlaub oder beschäftigen sich mit verschiedenen Dingen. Es ist wichtig, dass man sich schon früh damit auseinandersetzt und sich nicht erst im Alter denkt, man brauche jetzt ein Hobby. Im Alter neu anzufangen und Dinge heute ins Alter aufzuschieben, ist nicht so sinnvoll. Es ist wichtig, schon früh dafür zu sorgen, dass man Freundschaftsbeziehungen und Hobbys hat, die man dann mit ins Alter nimmt. Das was Sie heute sind, ist auch ein Stück weit mit dem verbunden, was Sie vor fünf oder zehn Jahren waren und so ist das im Alter auch. Freundschaften sind wichtig, weil man mit der Zeit auch viele Erfahrungen miteinander teilt und oftmals halten gute Freundschaften 20 oder 30 Jahre. Diese erst im Alter aufzubauen fällt dann häufig schwieriger. Wie werde ich später leben? Vor dem Hintergrund muss man wissen, dass nur ein geringer Anteil der heute Älteren tatsächlich im Altersheim lebt. Das Interesse daran, sich mit dem Wohnen im Alter auseinander zu setzen, ist in den heutigen Generationen schon groß, wird in Zukunft aber noch stärker zunehmen, da es eine immer größere Rolle spielt, im Alter selbstständig zu bleiben. Ein Stück weit möchte man die Sicherheit haben, dass sich jemand um einen kümmert, wenn man bestimmte Dinge nicht mehr tun kann oder es einem gesundheitlich schlecht geht. Andererseits möchte man auch im Alter seine Autonomie behalten. Möglichkeiten sind zum Beispiel, in einer Wohngemeinschaft zu leben und gemeinsam eine Kraft zu engagieren oder das betreute Wohnen. Dabei zieht man in eine Wohnung und hat im Umfeld eine bestimmte Infrastruktur, die man nutzen kann und die Sicherheit gibt. Es wird auch um die Frage gehen, wie man möglichst lange in der eigenen Wohnung leben kann, ohne umzuziehen. Technische Lösungen werden vor allem in Zukunft eine Rolle spielen, in Generationen, die bereits mit dem Computer groß geworden sind und bei denen es eine höhere Technikakzeptanz gibt. So ist es möglich, die Wohnung zur Sicherheit zu überwachen oder mit dem Arzt über den PC im Kontakt zu stehen. Stichwort PC, muss ich mich auf lebenslanges Lernen einrichten? In Zukunft wird es nicht mehr genügen, sich auf dem in der Ausbildung oder im Studium erworbenen Wissen auszuruhen. Im Rahmen des technologischen Wandelns und des Wandels der Informationsgesellschaft wird es darum gehen, sich permanent weiter zu qualifizieren. Vielleicht gibt es in Zukunft auch einen Masterstudiengang, den man mit 50 Jahren macht, um sich für die letzten 20 Berufsjahre weiter zu qualifizieren. Das lebenslange Lernen spielt somit eine ganz große Rolle

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wer pflegt mich im Altersheim, wenn die jungen Menschen, zum Beispiel Zivis, fehlen? Das Altersspektrum der in der Altenpflege arbeitenden Menschen ist sehr groß. Der Bedarf an Menschen, die in Gesundheitsberufen arbeiten wird zunehmen. Es gibt auch den Trend der ambulanten vor der stationären Pflege, also dass man versucht, Menschen möglichst lange ambulant zu versorgen. Wichtig ist auch, dass bestimmte Dienste zum Beispiel von Ehrenamtlichen übernommen werden und die Arbeit somit ein Stück weit aufgeteilt wird. Werden wir im Alter sexuell aktiver sein als Mitte Zwanzig? Dazu gibt es viele Studien mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Auch da ist es wichtig zu sagen, dass es bei Paaren oder Einzelpersonen auch auf die sexuelle Aktivität, die sie in ihrem Leben hatten, ankommt und auf die Bedeutung, die sie der Sexualität in ihrem Leben zuweisen. Wenn ich mich als 30-Jährige nicht sonderlich für Sex interessiert habe, werde ich dies auch mit hoher Wahrscheinlichkeit mit 60 Jahren nicht tun. Die heute älteren Menschen sind in einer Zeit groß geworden, in der Sex noch stark tabuisiert wurde, aber durch die sexuelle Revolution haben auch sie heute einen anderen Zugang zur Sexualität. Ältere Menschen haben auch noch Geschlechtsverkehr oder sexuelle Interessen. Frauen, deren Partner vor ihnen stirbt, sehnen sich nach Zärtlichkeit oder körperlichen Beziehungen. Natürlich können gesundheitliche Beeinträchtigungen dazu führen, dass es mit dem Sex nicht mehr so gut klappt. Zum Beispiel führen Prostata-Operationen immer noch oft dazu, dass der Mann impotent wird. Da ist es wichtig, dass das Paar gemeinsam eine Möglichkeit findet, Sexualität zu leben und über die jeweiligen Wünsche kommuniziert. Ab welchem Alter muss ich mit körperlichem Verfall rechnen? Das ist ganz unterschiedlich. Wenn wir das Ganze auf Zellniveau betrachten kann man sagen, dass der Abbau der Sehzellen zum Beispiel schon mit 20 Jahren beginnt. Man kann aber eine klassische Differenzierung zwischen dem so genannten dritten und vierten Alter machen. Beim dritten Alter zwischen 60 und 75 Jahren sind die Leute noch relativ gesund, fit, aktiv, mobil und haben viele Interessen. Im vierten Alter, ab 85 Jahren büßen sie dann mit hoher Wahrscheinlichkeit an Selbstständigkeit ein, haben mehrere Krankheiten und sind pflegebedürftiger. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit stark, an Alzheimer zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen ist die dunkle Seite der gestiegenen Lebenserwartung. Wird es in naher Zukunft die Chance auf den „ewigen Jungbrunnen“ geben? Momentan gibt es sehr viel Forschung in der Alternsbiologie, aber es wird wohl noch Jahrzehnte brauchen, bis man von der Forschung an der Fruchtfliege auf den Menschen schließend kann. Ich bin sehr skeptisch, ob sobald etwas entwickelt wird, was den Altersprozess wirklich aufhält. Es wird in nächster Zeit eher darum gehen, sich der Alzheimerforschung und der Behandlung chronischer Erkrankungen zuzuwenden. Wichtiger, als dafür zu sorgen, dass die Menschen 130 Jahre alt werden, ist die Qualität des Lebens. Es geht darum, den Jahren, die man hat mehr Leben zu geben, statt dem Leben nur mehr Jahre. Was ist im Alter wichtiger – Familie oder Freunde? Generell nimmt die Anzahl der Beziehungen im Alter ab. Die Beziehungen zur Familie oder zu Freunden bleiben hingegen bis ins hohe Alter relativ stabil. Es zeigt sich, dass ältere Menschen in der Regel sehr zufrieden mit ihren sozialen Beziehungen sind. Freunde sind deshalb besonders wichtig, weil es freiwillige Beziehungen sind. Familiäre Beziehungen kann man ja auch als ein Stück Verpflichtung betrachten. Es ist ganz wichtig, dass man in einer Familie seine Wurzeln hat, aber die Freundschaft hat man frei gewählt und es ist wichtig, jenseits der Familie Personen zu haben, mit denen man offen reden und Erfahrungen austauschen oder auch Unternehmungen machen kann. Die Familie ist immer noch der größte Pflegedienst der Nation, da meist im Alter zunächst die Angehörigen um Hilfe gebeten werden. Wann sollte ich meine Eltern ins Altersheim abgeben? Bei vielen ist das immer noch eine Entscheidung, die die Eltern selber treffen. Sie hängt aber auch stark von Bedingungen ab, wie der Frage, ob ich mich selber um meine Eltern kümmern kann, was diese noch machen können und machen wollen. Es gibt auch den Fall, wo beispielsweise die Tochter ihre Eltern bis zur Erschöpfung pflegt, weil sie sagt, dass sie sich nicht ins Altersheim geben kann. Dann stellt sich die Frage, auf welche Art man so jemandem Hilfe anbieten und wie man die pflegenden Angehörigen entlasten kann. Was macht mit über 70 Jahren mehr Spaß als mit 20? Viele ältere Menschen berichten uns, dass sie ruhiger werden, sich nicht mehr über so viele Dinge aufregen und dass sie das sehr positiv sehen. Sie haben so viel gesehen und Erfahrung gesammelt, dass sie wissen, wie man mit bestimmten Dingen umgehen kann. Wenn man weniger aufgeregt ist, kann man sich an kleineren Dingen viel mehr erfreuen, die das Leben lebenswerter machen und es einen mehr genießen lassen. Werde ich im Alter langweilig und spießig? Die Persönlichkeit wird bereits im jüngeren Erwachsenenalter gebildet und besitzt eine große Stabilität. Sie kann sich in verschiedenen Nuancen noch verändern, aber nicht sehr stark.

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