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Diese Typen triffst du in deiner Lerngruppe

Illustration: Katharina Bitzl

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1. Der Nachhinker

nachhinker
Illustration: Katharina Bitzl

Au Mann, das ganze Semester hat er verschnorchelt. Der Nachhinker hat immer ein paar Sachen ein bisschen zu spät mitbekommen, er ist immer ein bisschen mehr Schwanz als Ratte gewesen. Der Nachhinker ist Opfer seiner eigenen Langsamkeit und wirkt manchmal trottelig. Doch die Wahrheit ist anders, weil seine innere Uhr schlicht nicht synchron ist mit dem, was die Gesellschaft da draußen als Zeitvorstellung entwickelt hat.

Der Nachhinker ist ein Anachronist. Fing ja schon nach dem Abitur an. Er musste sich für einen Bildungsweg entscheiden, wo er doch rein mental noch gut zwei Jahre Schule hätte vertragen können. Dann haben sie ihn ins Studium getreten und er musste lernen, obwohl er das gar nicht wollte.

In der Lerngruppe wird ihm häufig das Wort abgeschnitten, weil er auch immer so lange braucht, einen Gedanken auf wenigstens einen Punkt hin zu formulieren.

Das Kuriose ist nun, dass er dennoch ganz wichtig für die Gruppe ist. Er ist nämlich die Füllmasse. Und der Blitzableiter. Er ist der Harmlose, der Typ, der früher auf den Klassenfotos hinten stand und es gerade noch schaffte, die Stirn in die Kamera zu richten. Er ist der, über den sich die anderen Mitglieder einer Lerngruppe mit Vergnügen erheben. Er weiß immer ein bisschen weniger, man kann ihn deshalb zurechtweisen und ihm über den Mund fahren. Aber wehe, er holt auf. Dann zündet er den Turbo! Wann das sein wird, weiß man noch nicht. Der Nachhinker hat andere Uhren.

Das sagt er zur Begrüßung: „Ihr seid ja schon wieder alle da. Mensch, ihr seid echt fleißig.“

Das sagt er beim Lesen zu sich selbst: „Wuff, Mannmann, krass, Mannmann. Fffu.“

O-Ton beim gegenseitigen Abfragen: „Ömm“. 

2. Der Genießer

geniesser
Illustration: Katharina Bitzl

Es sind wilde Zeiten im Bildungssystem. Viel Stress und Lebenslauf-Shaping allenthalben. Was da dem Genießer täglich den Sonnenschein ins Gesicht malt und warum er die Dinge so gelassen sieht – man weiß es nicht.

Er sitzt immer ein bisschen länger beim Mittagessen und ist gut im Bauchkraulen. Es gibt Kombattanten, die flüsternd behaupten, der Genießer habe fürchterlich reiche Eltern im Kreuz. Deshalb sehe er allen Herausforderungen des Lebens nicht mal sportlich, sondern bloß gelassen entgegen. Wieder andere glauben, die Ursache für die Ruhe dieses Menschen sei in der körperlichen Korpulenz zu finden. Schließlich, Klischee, seien dickere Menschen entspannungsbegabter.

Für die Lerngruppe ist er Gift und Gnade zur gleichen Zeit. Der Genießer mahnt zur rechten Zeit zu Gelassenheit und Zerstreuung. Er ist das in menschliche Kontur gegossene Zuckerl, das einem vor die Nase gehalten wird: Er verkörpert schon zu Hochlernphasen das Leben, das einem vermeintlich blüht, wenn denn dereinst alle Mühen überstanden sind.

Aus ihm strömt an manchen Tagen herrlich duftend so etwas wie Ambitionslosigkeit. Ein in unserer Welt schon fast verbotenes Odeur. Vielleicht hat er zur rechten Zeit gesagt bekommen, dass das Studium die leichteste Zeit des Lebens sein kann. Deswegen hat er keine Lust, sich dauernd zu grämen und zu fürchten. Er macht einfach die beste Zeit des Lebens zur besten Zeit des Lebens. Um diese Fähigkeit wird er von der gesamten Lerngruppe beneidet.

Das sagt er zur Begrüßung: „Mahlzeit.“

Das sagt er beim Lesen zu sich selbst: „Mmmmmmeica macht das Würstchen.“

O-Ton beim gegenseitigen Abfragen: „So genau muss man das nicht wissen, du musst das halt nur richtig einordnen können.“

3. Der Frontmann

frontmann
Illustration: Katharina Bitzl

Freilich haben Lerngruppen keinen Thron zu vergeben. Hätten sie es, der Frontmann hätte sich schon vor Ankunft der anderen Gruppenteilnehmer draufgesetzt.

Er hat schmale Lippen und seine Gesichtsmuskeln sind stets angespannt. Er ist der Leitwolf der Lerngruppe und will viel. Wenn möglich, sorgt er dafür, dass sich die Anwesenden seinem Leistungswillen unterordnen.

Deshalb eruiert er mindestens einmal täglich, was wohl in der Prüfung verlangt sein könnte. Er wägt Erfahrungsberichte von ehemaligen Geprüften und Gespräche, die er nach den Vorlesungen mit den Professoren geführt hat. So entsteht mit der Analyse des Frontmanns ein neues Anforderungspanorama, das mitunter anstrengender ist als das tatsächlich zu erwartende. Der Frontmann nämlich möchte der Beste werden und sein und das kann er nur, wenn er die Bedingungen des Lernens beziffern darf. Er bestimmt die Treffzeiten und prescht stets als Erster dazwischen, wenn jemand eine kleine Frage stellt. Er ist gut darin, einem ein schlechtes Gewissen einzureden.

Lustig wird es, ihm zuzusehen, wenn er verliert. Dann weiten sich seine Augen und er kaut diebisch auf seiner Unterlippe herum. Zu beobachten ist das, wenn er mitbekommt, dass andere mit wenig Lernaufwand bessere Noten bekommen. Das ist schlimm für ihn. In diesen Momenten wird all der Drang und die Mühsal des Frontmanns entwertet und er lässt die antrainierten Hirnmuskeln tief hängen.

Das sagt er zur Begrüßung: „Bin gestern noch bis zwei Uhr dagesessen und hab die ergänzende Literatur durchgeackert. Seid ihr auch so müde?“

Das sagt er beim Lesen zu sich selbst: „Schneller, schneller.“

O-Ton beim gegenseitigen Abfragen: „Soll ich nur die Stichpunkte oder auch das Gedankengebäude dahinter?“

4. Der Easygoer

easygoer
Illustration: Katharina Bitzl

Er kommt stets mit Charme zu spät und wird den Teufel tun und sich dafür entschuldigen. Er hat selten alle Bücher dabei, muss sich immer was leihen. Er fläzt im Stuhl, während die anderen sitzen. Er schämt sich nicht, gegen Ende der Vorlesungszeit zu fragen, ob er eine Kopie der Mitschriften der Kommilitonen machen könne. (Hin und wieder verspricht er eine Gegenleistung in Form einer Einladung zum Kaffee, die aber nie wirklich wird, weil man beim Kaffee dann doch nicht wüsste, was man mit ihm reden könnte, weil man doch eh immer das Gefühl hat, er nimmt einen nicht für voll.)

Etwas Genialisches wohnt seinem leicht bekleideten Wesen inne. Wundertaten umgeben sein Studienleben. Dass er vor einer derben Klausur, die für 9 Uhr angesetzt war, um fünf Uhr aufgestanden sei und bei Kaffee und Zigarette zum ersten Mal einen Blick in die Lernunterlagen erhascht habe. Vor dem Prüfer schließlich reüssierte er mit einem eloquenten Vortrag, der selbst Doktoranden gut zu Gesicht gestanden hätte. So erzählt man es sich vom Zauberkind.

In der Tat mag man ihn in der Lerngruppe vor allem, weil er der mäßig witzigen Veranstaltung etwas Glamour zufügt. Aus seiner Warte besehen ist Lerngruppe überflüssig. Aber auch ein Easygoer braucht Struktur in seinem Leben und lässt sich deshalb herab. Als Normallernender kann man ihn eigentlich nur hassen. Und tut das auch.

Das sagt er zur Begrüßung: „Ihr Lieben! Wie geht es euch?“

Das sagt er beim Lesen zu sich selbst: „I've been watching you - alalalalalong, alalalalalonglong ...“

O-Ton beim gegenseitigen Abfragen: (Lange nichts und dann) „Wie lange bist du jetzt schon mit deinem Freund zusammen?“

5. Der Sortierer

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Illustration: Katharina Bitzl

Endlich jemand, der das Lernen ernst nimmt. Erst der Sortierer gibt einer Gruppe den Anlass, sich Lerngruppe zu nennen. Lernen funktioniert nämlich nicht ohne Übersicht, und die hat der Sortierer. Ihm liegen die Prüfungen aus den Vorjahren vor, er kennt Inhaltsverzeichnisse und er hat die belastbaren Infos zum Bewertungsverhalten der Lehrenden.

Im Herzen ist er ein Historiker, vielleicht ein Archäologe, vielleicht ist er aber auch nur eine arme Sau. Er klebt bunte Zettel an verschiedene Sach- und Lernbereiche in Büchern und Ordner und Skripte. Wo der Frontmann Behauptungswissen heranzieht, um seinen Claim abzustecken und wo der Easygoer die Sonnenbrille zurecht rückt, belässt es der Sortierer gern bei den Fakten. Er sagt dann: „Hier steht aber ...“

Manchmal ist er nicht ansprechbar, weil er mit denkbar viel Energie eine Antwort auf eine Randfrage finden muss, die sich im Fortgang des Lerngruppentreffs ergeben hat. Er „taucht gern ein“ in fremde Materien. Schade, dass er nicht mit einer Taucherbrille oder einem Bohrer auf dem Kopf auf die Welt gekommen ist, schließlich würde er damit dicke Bretter bearbeiten. Lernen ist für ihn eine Arbeit, die vor allem darin besteht, Einzelteile zu einem Ganzen zusammenfügen. Er ist die Trümmerfrau unter den Lernenden.

Der Satz zur Begrüßung: „Hallo, sorry für die Verspätung. Ich war noch im Schreibwarengeschäft.“

Das sagt er beim Lesen zu sich selbst: „Das hab ich doch schonmal wo gelesen ...“

O-Ton beim gegenseitigen Abfragen: „Soll ichs nachschlagen?“  

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