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Lars Weisbrods WM-Tagebuch: Tor Podolski, Köln

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Grandiose Stimmung in Köln gestern. Als ich ankomme, sind schon 60 000 Engländern und 20 000 Schweden dort und die Kölner freuen sich auf das Deutschlandspiel. Keine Spur davon, dass sich Engländer und Deutsche mit Flaschen bewerfen, alle sind freundlich. Den Schweden schmeckt das Kölsch, die Engländer sind optimistisch, doch noch eine Karte zu bekommen. Am Geldautomaten treffe ich drei, die gerade ihre Kontosperren ausreizen - 1000 Euro pro Karte wollen sie ausgeben. Ob ich welche hätte? Nein, habe ich nicht. Dass das Vertrauen auf den Schwarzmarkt gar nicht so unberechtigt ist, erzählen mir nachher zwei andere Engländer, die bisher jedes Spiel ihrer Mannschaft gesehen haben und auch noch jedes weitere sehen wollen - obwohl sie keine einzige Karte in der Tasche gehabt haben, als sie nach Deutschland gekommen sind. Wie viel sie dafür ausgeben mussten, wollen sie aber nicht verraten. Nur ich habe wieder Pech und komme nicht mal zu den Fan Festen. In der Schlange vor dem Roncalliplatz intonieren deutsche Fans gerade die Nationalhymne, was irgendwie bescheuert klingt (dann doch lieber eine Humpa) - dann wird der Platz wegen Überfüllung geschlossen. Die Fahrt zum Heumarkt ist müßig, auch hier geht's nicht mehr rein. Ich nehme mir vor das nächste mal zwei Stunden vor Anpfiff zu den Großbildleinwänden zu gehen. Auf der anderen Rheinseite bin ich zuerst glücklich, einen Platz bei einer Spielübertragung gefunden zu haben. Bis ich merke, dass hier nur Engländer sind, die die deutsche Mannschaft beim Einlaufen ausbuhen - was an sich noch nicht so schlimm gewesen wäre - und dass das Spiel für sie extra auf Englisch übertragen wird. Darauf habe ich keine Lust und so laufe ich beim Anpfiff durch leere Industriestraßen und suche einen Ort zum Schauen. Es ist tatsächlich kaum einer auf der Straße, alles ist ruhig, ich treffe nur eine selten einen Menschen: ein Techniker überprüft eine Straßenleitung und sieht nebenbei das Spiel auf seinem Laptop (ich bin neidisch), Arbeiter hören die Übertragung in ihrem Lastwagen genauso wie die Taxifahrer, in jedem Friseursalon steht ein Fernseher. Zur zweiten Halbzeit habe ich dann auch einen Platz gefunden. Wenigstens bekomme ich noch Podolskis Tor mit, wo ich doch schon hier in Köln bin.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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