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Wohnungsschau: Anne zieht aus

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Anne lebt in München in einer ungewöhnlichen WG-Konstellation: Eine ihrer Mitbewohnerinnen ist 84 Jahre alt und hat Anne das Fürchten gelehrt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Eingang zur Hölle Du lebst mit einer 84-jährigen Frau zusammen, wie ist es denn dazu gekommen? Anne: Soll ich ganz von vorne anfangen oder lieber die kurze Form? Von vorne. Ich habe in Würzburg studiert und bin dann für ein Jahr als Assistant Teacher nach Birmingham. Als ich zurückgekommen bin, haben meine Geschwister meine Möbel verschleppt. Wir sind eine ziemlich große Familie und zwei meiner kleinen Schwestern sind umgezogen und haben sich einfach in meinem Fundus bedient. Als ich dann aus Birmingham zurückgekommen bin, war irgendwie alles anderweitig in Benutzung. Ich häng nicht besonders an so was wie Möbeln, deshalb hab ich kurzerhand einfach etwas Möbliertes gesucht als ich nach München gezogen bin. Hat ja keiner ahnen können, dass das so ausgeht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Hausflur...

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

...ist todschick renoviert Du spielst wohl damit auf deine jetzige Wohnsituation an? Stimmt genau. Ich hatte wenig Zeit, etwas zu finden und der Münchner Wohnungsmarkt hält, was die Klischees versprechen. So bin ich aus Verzweiflung hier bei Frau S. gelandet. Am Anfang wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, dass ich das bereuen würde. Was genau? Anne: Naja, die Wohnung hier schätze ich auf 180 qm, sie liegt mitten in Schwabing, ist Altbau, hat einen Balkon und mein Zimmer kostet 300 Euro – also eigentlich viele Pluspunkte. Leider ist Frau S. der alles überschattende Minuspunkt. Frau S. lebt in dieser Wohnung seit 55 Jahren und zahlt damit wahrscheinlich 500 Euro Gesamtmiete. Ihr Mann ist im Zweiten Weltkrieg gefallen und seitdem ist sie alleine. Man kann sich vorstellen, dass sie nicht besonders viel Rente bekommt, deswegen ist es ein ziemlich cleverer Schachzug, sich drei Studentinnen zur Untermiete zu holen. Jeder von uns zahlt so um die 300 Euro, damit hat sie ausgesorgt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Annes Kommode mit Anne im Spiegel, plus Kaffeetasse

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Illustration: Julia Schubert

Der Schrank war schon...

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Illustration: Julia Schubert

....der Schreibtisch auch

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Illustration: Julia Schubert

Auch die anderen Zimmer sind aus dem vorigen Jahrundert.

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Illustration: Julia Schubert

Vorhänge und Schränke dürfen nicht verändert werden. Die Wohnung teilt ihr euch doch aber nicht wirklich, das sieht hier so abgesperrt aus. Richtig. Frau S. wohnt in einem Teil, wir im anderen. Allerdings teilen wir uns eine Toilette, was sie ständig zum Anlass nimmt, in allen Türen stehen zu bleiben und zu kommentieren wie wir atmen/das Bett machen/abstauben/unsere Schreibtische aufräumen sollen. Das nervt irgendwann unglaublich. Außerdem ist der Balkon an unserer Küche, weshalb sie auch da ständig durchwatschelt.

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Illustration: Julia Schubert

Der Ort, an dem die Klorollen verschwinden

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Balkon, mit Vorhängen aus einer anderen Zeit Eure Küche ist optisch ja auch ein ziemlicher Sonderfall. Oh ja. Frau S. will sich nicht mit uns ein Bad teilen, was ich absolut nachvollziehen kann. Deshalb hat sie in das Bad, das in ihrem Teil der Wohnung liegt, eine Küchenzeile eingebaut, umgekehrt in die Küche, die in unserem Teil liegt, eine Dusche gestellt. Dieses Teil ist echt der Horror. Man kann quasi aus der Dusche das Essen am Herd umrühren. Das Becken hat auch keinen Ablauf, weshalb wir zum Abspülen das Waschbecken benutzen, in dem wir auch unsere Zähne putzen. Widerlich, oder? Alles ist gammelig und uralt, das macht mich wahnsinnig.

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Illustration: Julia Schubert

Die Dusche des Grauens

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Illustration: Julia Schubert

Das Becken ohne Ablauf

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Illustration: Julia Schubert

Verwahrung mit Vorhang - Beware of the Geruch!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anne lacht trotzdem noch. Kommt Frau S. denn rein, wenn ihr hier duscht? Wenn ihr einfällt, dass sie gerade jetzt und sofort auf den Balkon muss, schon. Dann bleibt sie gerne mal stehen und quatscht einen voll. Sie hat einfach wenig Distanzgefühl und irgendwie ist meine Schmerzgrenze erreicht. Das heißt, du willst ausziehen? Ja, lange bleib ich hier nicht mehr. Schau, seit du hier bist, hat sie mindestens schon dreimal an der Tür gelauscht. Außerdem verspreche ich dir, dass sie ihre Klorolle schon aus dem Klo geräumt hat, damit du kein Klopapier klaust. Das unterstellt sie nämlich alle unseren Gästen. Außerdem bekomm ich hier irgendwann einen Tinnitus. (Aus Frau S.s Teil der Wohnung tönt lautstark der Fernseher. Anm. d. Red.). Alles ist gammelig und kaputt und außerdem stinkt es. Ich dachte, ich gewöhne mich an den Geruch, aber das ist leider nie eingetreten. Frau S. lüftet nicht sehr oft, weil sie Heizkosten sparen will. Sie bekommt auch jedes Mal einen Tobsuchtsanfall, wenn wir die Wohnung verlassen und die Fenster zum Lüften offen lassen. Umgekehrt ist es ihr aber egal, dass die Fenster so alt und undicht sind, dass wir uns ständig den Arsch abfrieren.

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Illustration: Julia Schubert

Der schick dekorierte Flur

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Illustration: Julia Schubert

Ab hier nur noch Dunkelheit: Der Flur zu Frau S. - Weiteres Vordringen für die Redakteurin nicht möglich, da sie vorher einen Gehörsturz durch das RTL-Mittagsmagazin (im Fernseher) erlitt. Du hast wirklich ganz schön die Schnauze voll, oder? Ja, ich muss hier echt raus. Versteh mich nicht falsch, ich habe eigentlich eine wirklich ausgedehnte Schmerzgrenze. Immerhin bin ich in einer Großfamilie mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Da ist immer was los und man hat ein weiches Eigentumsgefühl, aber hier werde ich langsam verrückt. Dann nutz das doch gleich als Aufruf hier. : Sehr gern. Ich suche ein WG-Zimmer in Uni-Nähe bis 350 Euro. Meine Mitbewohner sollten lustig sein und sich mit Bier statt Klosterfrau Melissengeist betrinken. Ach und ich hätte gern eine Küche zum Kochen, nicht zum Duschen.

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