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Nirgendwo trinkt es sich im Sommer schöner als an der Pool-Bar

Illustration: Federico Delfrati

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Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.

Manchmal trifft einen die Lebensweisheit, wenn man es am wenigsten erwartet. Es war ein heißer Sommer in Griechenland. Ich war 16 und pubertierte am Strand. Während meine Eltern, die gerade ihr Wohnmobil verkauft hatten, versuchten, mir das Modell All-Inclusive-Urlaub schmackhaft zu machen – „Guck mal, das Frühstücksbuffet, wie reichhaltig!“, „Willst du dir morgen am Strand auch diese kleinen Zöpfchen flechten lassen?“ –, fühlte ich mich wie im falschen Film. Statt zum Frühstück Spiegelei auf dem Gaskocher zu braten und auf dem Weg zum Supermarkt einen verlassene Bucht zu entdecken, lag ich am mit Liegen zugepflasterten Strand, vier Zentimeter neben meinen schwitzenden Nachbarn.

Im Hotel-Pool dümpelten bis zur Sperrstunde ältere Herren auf Unterwasser-Barhockern. Ich hatte noch nie eine Poolbar gesehen und fand das Konzept abartig. Eine Hand auf der speckigen Hüfte, die andere am Cocktailglas hingen die rotbraunen Körper im Wasser, während der Urlaub an ihnen vorbeizog. Das verkörperte für mich den Inbegriff des All-Inclusive-Klischees: egal wo, Hauptsache es knallt. Erbärmlich, oder?

Dann kam der Tag, an dem mein Vater mein Geschmolle nicht mehr aushielt. „Komm“, sagte er, „ich zeig dir was“. Wir gingen zur Pool-Bar. Eine Stunde später trieb ich beseelt vor einem mosaikverzierten Unterwassertresen, in meiner Hand ein neonfarbener Cocktail, ausnahmsweise mit ein bisschen Alkohol, mit Schirmchen und einem Obstsalat am Rand. Arschbombe ins Glück. Selten, nein, noch nie hat mir ein Drink so gut geschmeckt, wie hier.

Das liegt daran, dass Drinks und Pools so perfekt zum Sommer passen. In dieser Jahreszeit will man sich leicht und sorglos fühlen. Der Winter ist endlich vorbei, die dicken Socken wieder hinten im Schrank. Nur lässt sich der Sommer schwer feiern, wenn er einen mit Hitze erdrückt. Doch die Symbiose aus kaltem Cocktail und Wasser um die Haut macht auch die griechischste Hitze erträglich. Und dann, wenn der ideale Kühlungsgrad erreicht ist, sich der Rausch mit verringerter Schwerkraft mischt, setzt die Schwebephase ein. Nichts ist mehr wichtig, alles ist leicht – der Alkohol treibt im Kopf und der Körper im Wasser. Alles hebt im Einklang ab. Seitdem weiß ich: Wer im Sommer trinken will, gehört an eine Pool-Bar. Denn Sorglosigkeit ist das perfekte Sommergefühl.

Ich wusste: Mein Vater hat mir soeben ein gut gehütetes Geheimnis anvertraut

Als ich damals mit meinem Vater an der Bar saß, trat in sein Gesicht ein ähnlich schwereloser Ausdruck. Wir lächelten uns an, sagten ein paar Sekunden lang kein Wort. Ich verstand trotzdem: Soeben hatte er mir ein gutgehütetes Geheimnis anvertraut. Für Außenstehende gehört die Pool-Bar nämlich in dieselbe Kategorie wie Taubenfüttern im Park und von Kopf bis Fuß in Tarnfarben kleiden. Die Pool-Bar hat nur deshalb einen schlechten Ruf, weil meistens die falschen dort sitzen. Es braucht Zeit – oder einen guten Informanten – bis man ihre Vorzüge erkennt. 

An alle orientierungslosen Suffwilligen, die sich an verschissenen Flussufern Kronkorken in ihre Hintern bohren und sich dabei den Blick auf den deprimierenden Stadtkanal schönreden; an alle, die auf überfüllten Plätzen und Biergärten Arm an Arm für ihren Alkohol schwitzen: Ich möchte euch hiermit an die Hand nehmen und in bauchnabeltiefes Wasser führen. An die Pool-Bar. Zum Glück.

Seit dem Sommer in Griechenland suche ich dieses Glück überall. Das Problem: Ich habe keinen Pool. Ich wohne im dritten Stock eines Miethauses. Sobald der Sommer kommt, suche ich deshalb den Weg zu einem Wasserloch, wie ein Gnu nach der Trockenzeit. Ich fahre bei 42 Grad mit den Öffentlichen, nur um in meinem Schwimmring auf einem See zu treiben. Ich schleppe die Kühlbox zum Strand und pumpe mit von der Hitze kreisendem Kopf meine Luftmatratze auf. Schöner treibt man natürlich in klarem Wasser ganz ohne Untiefen und Stechmücken. Einmal fuhr ich anderthalb Stunden zu einem Pool im Elternhaus eines Freundes. Als wir alle nebeneinander in dem engen Becken trieben, fragte ich beiläufig: „Wollt ihr vielleicht Cocktails?“ Die Zutaten hatte ich vorher schon auf dem Weg gekauft. Ich machte Gimlets, den perfekten Sommer-Pool-Drink, und als ich mit der zweiten Fuhre in den Garten trat, sah ich am Beckenrand ein glück-entrücktes Grüppchen treiben.

Die Kombi aus Drink und Pool fühlt sich an, wie im Freiluftkino mit Popcorn im Gras zu liegen und die Sterne aufgehen zu sehen, im Park zu Grillen oder im Gummiboot über den Fluss zu treiben. Trinken im Pool ist ein Luxus, den wir uns nur im Sommer leisten können. Deswegen macht es so glücklich.

Noch ein Vorteil des Pooltrinkens: Menschen wie ich, die noch nicht mal ein Seepferdchen haben, können sich im Wasser endlich mal cool fühlen. Ich muss einfach nur sitzen. Am Beckenrand treiben geht natürlich auch, aber der Barhocker ist besser, weil: macht keinen Muskelkater und fühlt sich noch luxuriöser an. Ich sitze lässig, die Sonne fängt sich in meiner Sonnenbrille, reflektiert an den Eiswürfeln im Glas, ich kippe einen Schluck. Da ist es wieder, das perfekte Sommergefühl: Kurz bin ich unsterblich.

 

Wichtigste Regel: Im Pool sollte man sich nicht besaufen, sondern genussvoll trinken. Die Sonne beschleunigt den Rausch. Wer schon mal einen Frührentner vom Pool-Barhocker rutschen sah, wie einen Seelöwen von seiner Scholle, weiß, dass besonders die Kombi von Alkohol und Wasser schnell Grenzen aufzeigt.

 

In der Pool-Bar in Griechenland war ich übrigens nie wieder. Es war der letzte All-Inclusive-Urlaub mit meinen Eltern. Aber wenn ich im Ruhestand bin, würde ich dort gerne wieder treiben, meine besten Freunde neben mir, einen kühlen Drink in der Hand und mich kurz wieder unsterblich fühlen. Der Wiederentdeckung der Pool-Bar steht aber auch schon in diesem Sommer nichts mehr im Weg. Man muss sie nur noch finden. 

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