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Der Stolz der Münchner auf ihr Bier ist übertrieben

Illustration: Federico Delfrati

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Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.

Vorweg: Ich bin gebürtige und fast immer auch sehr glückliche Münchnerin. Die Stadt wird nicht umsonst das ganze Jahr über von Touristen überrannt und landet regelmäßig auf den ersten Plätzen in den Listen der lebenswertesten Städte der Welt.

Es gibt da nur eine Sache, die mir seit Jahren zunehmend auf den Geist geht: Der völlig übertriebene und ziemlich absurde Stolz der Münchner auf ihr Bier.

Von gefühlt jeder zweiten Plakatwand grinsen einem irgendwelche gutaussehenden High-Performer in angetrachtelten Outfits an, während sie einander mit Münchner Bier zuprosten. Auf strammen Männer-Waden sieht man des öfteren die Zahl 1328 eintätowiert – Gründungsjahr der Augustiner Brauerei. Der Biergarten gilt als Alleinstellungsmerkmal der Stadt und wird in jedem Reise-Blog begeistert beschrieben: so demokratisch! So zünftig! So irre, dass man sein eigenes Essen mitbringen kann! Und dazu eine Maß Maximaldurchschnitts-Plörre. Ja, selbst die Tourismus-Kampagnen für die Stadt kommen nicht ohne die Erwähnung der Biertradition aus.

Die großen Bier-Marken in Münchnen heißen Augustiner, Hofbräu, Spaten-Franziskaner, Löwenbräu und Hacker Pschorr. Aber die haben mit der Stadt München nur noch recht wenig zu tun: Spaten-Franziskaner und Löwenbräu gehören seit 2003 der größten Brauerei der Welt, Anheuser-Busch InBev (Beck's). Paulaner und Hacker-Pschorr gehören zu 70 Prozent der Schörghuber Unternehmensgruppe, die hauptsächlich in Immobilien macht, und zu 30 Prozent Heineken (Heineken!). Hofbräu ist ein Staatsbetrieb und untersteht dem Bayerischen Finanzministerium.  Einzig die Augustiner-Brauerei ist noch im Privatbesitz. Soweit, so „authentisch“.

Die „Paulaner“-Brauerei liegt inmitten von mehreren Autobahnzubringer - idyllischer geht's kaum

Aber das scheint nichts daran zu ändern, dass man als Münchner stolz auf die große Biertradition dieser Stadt ist. Ich finde, dieser Stolz ist wirklich ungerechtfertigt. Am Münchner Bier ist nämlich höchstens insofern einigermaßen bemerkenswert, dass die Brauereien trotz der mittlerweile bizarren Grundstückspreise immer noch in der Stadt brauen. Und das wiederum liegt mitnichten an der Liebe zur Tradition,  sondern hat einen sehr profanen Grund: Geld. Denn nur Brauereien, die innerhalb der Stadtgrenzen produzieren, dürfen auf dem Oktoberfest ausschenken. Das ist ein so dermaßen gutes Geschäft, dass man dafür halt in Kauf nimmt, sein Grundstück nicht auch noch zusätzlich versilbern zu können.

Wobei die Unternehmen auch da Wege für sich finden: Paulaner hat vor einigen Jahren das Stamm-Grundstück in Giesing in ein riesiges Immobilien-Entwicklungsgebiet verwandelt (wir erinnern uns: Schörghuber), wo jetzt Wohnungen für zigtausend wohlhabende Single-Münchner entstehen, während die Brauerei auf einer Verkehrsinsel zwischen mehreren Autobahnen und ihren Zubringern an der Stadtgrenze angesiedelt ist, wo es ungefähr so Münchnerisch zugeht wie am Flughafen München West im schönen Memmingen (nichts gegen Memmingen).

Aber okay, das nennt sich wohl Kapitalismus und wer da nicht mitmacht ist doof. Oder so ähnlich.

Nicht alles ist verloren - dank einer neuen Generation Münchner Brauer

Aber da hört es ja nicht auf, denn auch der Geschmack der Münchner Biere ist alles andere als außergewöhnlich: Das traditionelle Münchner Bier ist das Helle. Wer damit aufgewachsen ist, kann es schon trinken. Es ist ziemlich süß, eher dünn und geht runter wie Wasser, wenn es ordentlich gekühlt ist. Das Problem ist nur: Es ist so sehr auf den Durchchnittsgeschmack austariert, dass es halt auch so schmeckt. Nach Durchschnitt.

Immerhin: Es ist nicht alles verloren in der Bier-Stadt München. Seit ein paar Jahren etablieren sich auch hier einige kleine Brauereien und produzieren glücklicherweise Biere, die sich angenehm von der Einheits-Plörre abheben: Die größte ist Giesinger Bräu, Tilmans Biere haben die schönsten Etiketten, Crew Republic haben eine große Auswahl, Hopfmeister, Munich Brew Mafia und Hopfen Hacker sind erst seit kurzem auf dem Markt.

Die Namen der Brauereien sind natürlich zum größten Teil komplett beknackte Wortspiele, die ihren Witz schon nach dem ersten Schluck verloren haben. Aber wenigstens probieren sie etwas aus. Und wer weiß – vielleicht werden dereinst diese Brauereien den Ruf der Weltstadt des Bieres retten.

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