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Spielt Nachhaltigkeit bei der Berufswahl eine Rolle?
Spielt Umweltschutz bei der Berufswahl eine Rolle? Eine Umfrage der Vergleichsplattform gehalt.de ergab vergangenes Jahr ein klares „Ja“. 15,5 Prozent der Befragten würden bei klimaschädlichem Verhalten ihres Arbeitgebers sogar ihren Job kündigen. Für rund 58 Prozent hängt es davon ab, wie groß das Ausmaß des Schadens wäre. Zugegeben: Ein Großteil der Befragten ist zwar zwischen 40 und 60 Jahren alt, aber das Thema ist natürlich auch für jüngere Menschen relevant. Was bin ich bereit aufzugeben für einen sinnvollen Job? Welche Folgen hat es tatsächlich, wenn der Beruf nicht mit eigenen Werten wie Umweltschutz vereinbar ist? Wie fühlt sich der Umstieg an? Das haben wir vier junge Menschen gefragt:
„Für mich sorgte der Job für eine innere Zerrissenheit und Unzufriedenheit“
Sebastian, 34 Jahre alt, Geschäftsführer eines Onlineshops für Waldorf-Produkte:
„Bevor ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber gewechselt bin, habe ich ich bei Amazon das Business-Development-Team im Bereich Baumarkt und Garten geleitet. Unser Job war, neue Marken zu Amazon zu holen, um den Umsatz zu steigern – eben das, worum es bei so einem großen Konzern geht.
Für mich sorgte der Job für eine innere Zerrissenheit und Unzufriedenheit. Meine Freunde und meine Familie haben mir das widergespiegelt. Ich war ständig angespannt und habe die Leute um mich herum einfach weniger wahrgenommen. Damals konnte ich das noch nicht so genau benennen. Nach und nach kam dann aber der Wille, das, was ich bei Amazon gelernt habe, in den Dienst des Guten zu stellen. Ich bin Waldorf-Papa und wir achten zu Hause sehr auf ökologische Lebensmittel, wenig Verpackung, wenig Autofahren. In meinem Beruf hat sich das nie widergespiegelt.
Deshalb hab ich mich dafür entschieden, nicht nur zu einem Unternehmen zu wechseln, das meine Werte lebt, sondern dort auch in einer Position zu sein, um Veränderungen voranzutreiben. Ich wollte nicht nur Zuschauer sein, sondern selbst etwas bewegen können. Den Waldorfshop kannte ich zwar schon länger, habe ihn dann aber aus beruflicher Sicht für mich wiederentdeckt. Wir verkaufen dort online umweltgerechte und auf der Waldorfpädagogik basierende Produkte an Kindergärten, Schulen und Privatpersonen. Als letztes Jahr ein Nachfolger im Rahmen des Verantwortungseigentums gesucht wurde, bin ich über die Stellenanzeige gestolpert und habe gedacht: Das ist ja eigentlich genau das, was ich immer machen wollte. Verantwortungseigentum bedeutet, dass sich ein Unternehmen sozusagen selbst gehört, also die Vermögensvermehrung nicht in Privatbesitz übergeht. Die Verantwortung für das Unternehmen übernimmt man nicht aufgrund monetärer Anreize, sondern weil man sich dem Zweck des Unternehmens verbunden fühlt.
So bin ich aus einem komfortablen, gut bezahlten Job ins Unternehmertum eingestiegen. Ich arbeite mindestens anderthalbmal so viel wie vorher und verdiene ein bisschen weniger als die Hälfte. Dennoch fühlt es sich wahnsinnig gut an. Meine innere Zerrissenheit ist weg. Wenn man wie ich Werte in Richtung Klimaverbesserung und Nachhaltigkeit hat und in einem Unternehmen arbeitet, das das Null lebt, tut einem das als Menschen einfach nicht gut.“
„Es ging nur um Profite und die Rendite für die Aktionäre“
Julius, 31 Jahre alt, arbeitet bei einer Jobplattform im Key Account Management, vorher war er bei Siemens:
„Bei Goodjobs betreue und berate ich Arbeitgeber und helfe dabei, die Plattform noch größer und bekannter zu machen. Goodjobs vermittelt Menschen nur an nachhaltige und soziale Unternehmen. Davor habe ich ein Trainee-Programm bei Siemens absolviert. Meine Schwerpunkte waren Projektmanagement und Sales Support in der Medizintechnik-Sparte. Dort hatte ich allerdings nie das Gefühl, einen Unterschied bewirken zu können, ich war ein kleines Rädchen. Zudem wurden keine ideellen Ziele gesetzt. Es ging nur um Profite und die Rendite für die Aktionäre. Das hat mir jegliche Motivation geraubt und es fiel mir von Tag zu Tag schwerer, für die Arbeit aus dem Bett zu kommen. Teilweise war ich ziemlich antriebslos. Durch meinen Wechsel hat sich das auf jeden Fall stark verbessert und ich freue mich jeden Morgen auf die Arbeit. Gerade ist die Freude durch das andauernde Home-Office allerdings etwas gebremst.
Den neuen Job habe ich über Goodjobs selbst gefunden. Darauf bin ich gestoßen, indem ich einfach ,nachhaltige Jobs‘ oder ,Jobs mit Sinn‘ gegoogelt habe, glaube ich. Wenn man wirklich nachhaltiger leben möchte, betrifft das nicht nur das private sondern auch das berufliche Umfeld. In meinem neuen Job setze mich beinahe täglich damit auseinander. Seit zwei bis drei Jahren ist es für mich selbstverständlich, meine Flüge zu kompensieren. Jedoch denke ich darüber nach, das Fliegen ganz sein zu lassen oder zumindest stark zu reduzieren.
Auch das Thema ,Essen‘ kommt bei meinem neuen Arbeitgeber immer wieder auf. Was kann man noch guten Gewissens essen? Woher kommt es? Unser Kühlschrank hier ist gefüllt mit Bio-Limonaden, die noch dazu soziale oder ökologische Projekte fördern. Viele ernähren sich vegan, auch ich habe meine Ernährung umgestellt. Kleinere Dinge wie beispielsweise weniger auszudrucken, darauf haben auch viele Mitarbeiter*innen bei Siemens geachtet. Allerdings musste ich dort recht oft geschäftlich fliegen. Mein CO2-Fußabdruck hat sich also sehr verbessert, seit ich den Job gewechselt habe.
Mein soziales Umfeld hat auf meine Entscheidung sehr positiv reagiert. Ein paar wenige wie meine Oma haben aber nicht verstanden, warum ich einen sicheren und gut bezahlten Job aufgebe. Alle anderen haben mich viel eher in so einer Position gesehen, wie ich sie jetzt habe, als in einem Großkonzern.
Arbeitgebern, die bei uns eine Stellenanzeige schalten, ist es wichtig, dass die Bewerber*innen sich mit den Unternehmenswerten identifizieren können. Da existiert eine ganz andere intrinsische Motivation, wenn man nicht nur den nächsten Job sucht, sondern wertebasiert handelt und versucht, etwas zu bewegen.“
„Ab und zu kriege ich schon Seitenhiebe von Außenstehenden, weil ich bei einem Energiekonzern arbeite“
Lukas, 20 Jahre alt, ist dualer Student mit Schwerpunkt Marketing bei einem Energiekonzern:
„Ich studiere an der dualen Hochschule in Mannheim BWL mit Schwerpunkt Marketing Management. Zugegeben, das Thema Klimaschutz war bei meiner Jobsuche zunächst eher untergeordneter Natur. Gerade zum Berufsstart ist es super, wenn man die Chance hat, viel zu lernen. Für mich stehen deshalb die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten erstmal im Vordergrund.
Auf Eon bin ich gestoßen, weil es dort ein duales Studium mit Marketingschwerpunkt gibt. Das Bewerbungsgespräch per Videocall war super, der Kontakt war sehr persönlich und die Stimmung wirkte locker. Dann habe ich die Zusage bekommen und alle anderen Bewerbungen, die noch offen waren, abgesagt.
Ab und zu kriege ich schon Seitenhiebe von Außenstehenden, weil ich bei einem Energiekonzern arbeite. Gegenüber großen Unternehmen gibt es viele Vorbehalte in puncto klimabewusstem Verhalten. Aber jetzt, wo ich vier Monate hinter mir habe, sehe ich, dass da viel Bewegung ist. Das Unternehmen hat sich neu ausgerichtet, die Kohle-, Erdgas- sowie Erdölkraftwerke abgespalten und den Fokus auf nachhaltige Energielösungen gelegt.
Auch ich persönlich beschäftige mich jetzt mehr mit den Themen Energiewende und Klimawandel. Ich möchte aber nicht direkt auf alles verzichten müssen. Da muss es eine andere Lösung geben denke ich − zum Beispiel, nach und nach zu reduzieren oder auf ganz bestimmte Dinge zu verzichten. Ich esse zum Beispiel noch Fleisch. Jedoch habe ich entschieden, dieses Jahr nicht zu fliegen. Ich komme ursprünglich aus Bremen. Ab und zu fahre ich über das Wochenende nach Hause und nehme den Zug, obwohl sich die Strecke Bremen-München für einen Flug anbieten würde. Außerdem kaufe ich keine Kleidung mehr aus erster Hand, sondern nur noch über Ebay Kleinanzeigen oder ähnliches. Das sind die beiden Punkte, die ich mir über ,das Übliche‘ hinaus überlegt habe und die ich konsequent umsetze. ,Das Übliche‘ ist für mich neben der Mülltrennung zum Beispiel, Kurzstrecken mit dem Fahrrad zu fahren oder effizient Energie zu sparen. Das ist das, was ich für jeden Einzelnen als zumutbar empfinde.“
„Mir war schon immer wichtig einen Job zu haben, der für mich sinnhaft ist“
Maria, 29 Jahre alt, ist Product Ownerin bei einem nachhaltigen Fintech-Start-up:
„Ich bin bei Tomorrow dafür zuständig, neue Features und Weiterentwicklungen für unsere App einzuplanen und gemeinsam mit dem Entwicklungs-Team umzusetzen. Vorher habe ich bei Zeit Campus Online im Produktmanagement für die Studienorientierungsangebote gearbeitet. Mir war schon immer wichtig einen Job zu haben, der für mich sinnhaft ist und mit dem ich Leuten helfe. Das hatte ich bei meinen vorherigen Jobs bereits auf individueller Ebene. Der Hebel von Geld ist riesig und wenn wir möglichst viele Menschen dazu befähigen, ihren Finanzalltag nachhaltig zu gestalten, können wir gemeinsam viel bewegen.
Konventionelle Banken investieren das Geld der Kund*innen in alles, was Profit macht, oftmals sind das destruktive Branchen wie Kohle, Rüstung oder Massentierhaltung. Über unseren Partner, die Solarisbank, investieren wir die Kundeneinlagen ausschließlich in Projekte und Branchen, die einen positiven Wandel fördern. Außerdem spenden wir bei jeder Zahlung einen Betrag in Klimaschutzprojekte.
Einen Job, der im Widerspruch zu meinen Werten stand, habe ich noch nie gemacht. Ich habe nur mal in Form eines Praktikums einen kleinen Abstecher in die Werbeagenturbranche gemacht. Die Arbeit an sich hat mir Spaß gebracht, aber die Produkte haben mich nicht begeistert. Es ging etwa um den Markenauftritt einer Biermarke oder einer Golf-Webseite. Ich mochte das digitale Denken und die Zusammenarbeit mit den Entwickler*innen und Designer*innen, aber ich habe gemerkt, dass mich die klassische Werbewelt nicht erfüllt.
Bei Tomorrow war ich zunächst Kundin und habe dann im Newsletter zufällig von der Stelle erfahren. Auf Jobsuche war ich eigentlich nicht. Doch ich war so begeistert von dem Produkt, dass ich Lust hatte, dort mitzuwirken und zur Verbesserung von Gesellschaft und Klima beizutragen. Ich erinnere mich an den Gedanken: ,Wenn ich mich da jetzt nicht bewerbe, dann ärgere ich mich.‘
In meiner ,grünen Citybubble‘, in der alle studiert haben und Bio-Lebensmittel einkaufen, spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. Ich versuche auch, nicht so viele Klamotten zu kaufen und wenn, dann eher Secondhand und gute Qualität statt Fast Fashion. Ich bin Vegetarierin, nutze Ökostrom, aber es gibt immer Sachen, die man verbessern kann. Ich würde mich diesbezüglich überhaupt nicht als jemand bezeichnen, der alles weiß und alles richtig macht.“