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"Better Call Saul" zeigt die riesige Macht von Argumenten

Foto: Ursula Coyote/AP

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Die Serie 

Jimmy McGill hat ein Problem. Eigentlich hat er sehr viele Probleme, aber eines ist gerade besonders akut: Er kniet nämlich gefesselt in der Wüste. Neben ihm: zwei geknebelte Teenager, die sich zuvor mit ihm, vorsichtig ausgedrückt, kapital in die Scheiße geritten haben. Vor ihm: vier Drogenbarone. Deren Plan: "Diese Luschen" einfach loswerden. Ihn retten: Argumente. Oder irgendwas in der Art jedenfalls: "Denken Sie mal an die Mutter der Jungs", sagt er. "Sie braucht einen Stock zum Gehen. Und trotzdem arbeitet sie jeden Tag. Und für wen? Für diese beiden. Für ihre Jungs!" In einem vollkommen irrwitzigen Wortmanöver schafft er es, an den Großmut des Drogenbosses zu appellieren. Was im Ergebnis bedeutet, dass der jedem der Jungs nur je ein Bein bricht – statt sie umzubringen. "Damit zeigen Sie allen, dass Sie der Boss sind. Und zeigen aber auch, dass Sie fair und gerecht sind." Ach so: Er selbst kommt ungeschoren davon. Das wäre die Serie, zusammengefasst in einer Szene.

In ausführlicher ist "Better Call Saul" der Ableger der bereits vollendeten Kultserie "Breaking Bad". Ihr Held: James "Jimmy" McGill (Bob Odenkirk), den man bislang nur als Saul Goodman kannte. "Better Call Saul" erzählt, wie aus Jimmy schließlich Saul wird. Wir sind im Jahr 2002 und Jimmy arbeitet noch als erfolgloser Rechtsanwalt in Albuquerque, New Mexico. Dort, wo auch "Breaking Bad" spielt. Sein Büro ist gleichzeitig sein Appartement: der winzige Hinterraum eines Nagelstudios, das einer Asiatin gehört, der er immer Gurkenwasser klaut. Sein Auto: schrottreif.

Sein Bruder Charles „Chuck“ McGill (Michael McKean) ist das genaue Gegenteil: Teilhaber einer erfolgreichen Anwaltskanzlei, die regelmäßig große Fälle übernimmt. Doch Chuck hatte vor einiger Zeit einen psychischen Zusammenbruch und leidet jetzt unter (eingebildeter?) "Elektrosensibilität" – heißt, er bleibt die meiste Zeit im Kerzenlicht und unter einer mit Isolationsfolie ausgekleideten Decke zu Hause und verbannt Handys, elektrische Uhren sonstige Elektrizität aus seinem Umfeld.

In Chucks Kanzlei arbeiten auch Jimmys geleckter Erzfeind Howard Hamlin (Patrick Fabian). Und die Anwältin Kimberly "Kim" Wexler (Rhea Seehorn) – für Jimmy irgendwas zwischen Affäre, Kumpel und Rettungsanker. Privat wie beruflich. Kim hat wenig Verständnis für seine eher laxe Auslegung von Recht und Ordnung, trotzdem hilft sie ihm oft. Oft auch ohne Wissen ihres Chefs.

Und dann ist da noch Michael "Mike" Ehrmantraut (Jonathan Banks), der in "Breaking Bad" als Sicherheitschef , Auftragsmörder und Cleaner auftaucht. In "Better Call Saul" arbeitet er gerade als Parkwächter am Gericht, was zu gefühlt hundert Szenen führt, in denen er mit Jimmy aneinandergerät, weil der einfach nie (!) genug Parkgebühren gezahlt hat. So, zum Beispiel:

Mike: "Das macht drei Dollar"

Jimmy (lässig): "Ich muss nichts zahlen. Sehen Sie die Aufkleber?"

Mike: "Da fehlt einer. Das macht drei Dollar."

Jimmy (ungeduldig): "Hören Sie, ich habe Parkerlaubnis für den ganzen Tag. Ob fünf oder sechs Aufkleber, ich kenne mich mit den Aufklebern nicht aus. Ich war nämlich vor Gericht – da drin. Um Menschenleben zu retten."

Mike (unbeeindruckt): "Das ist ja ganz famos. Entweder zahlen Sie jetzt die drei Dollar, oder Sie fahren wieder zurück, um einen weiteren Aufkleber zu holen."

Jimmy (wütend): "Verdammte Scheiße. Na gut, Sie haben gewonnen, ich fahre wieder zurück." Schreit die anderen Autofahrer an: "Lassen Sie mich zurück, ich habe nicht genug Aufkleber, ich brauche noch einen Aufkleber!!" 

Mikes Geschichte wird im Verlauf der Serie immer wichtiger und entwickelt sich unabhängig von Jimmies Storyline.

Wo findest du die Serie? 

Auf Netflix, im iTunes Store und auf Amazon Video. Die erste Staffel gibt es außerdem auf DVD. 

Der Zeitaufwand: 

Gerade läuft die zweite Staffel von „Better Call Saul“ auf Netflix, am Dienstag kommt die siebte Folge. Willst du am Wochenende schnell alles aufholen, klappt das locker: Bisher gibt es 16 Folgen zwischen je 42 und 49 Minuten, das macht etwa zwölf Stunden. Da kannst du Samstagabend auch noch feiern gehen – und am Sonntag verkatert den Rest anschauen.

Wo du Zeit sparen kannst: 

Schwierig. Am Anfang jeder Episode kommt nicht gleich der Vorspann sondern erst noch eine längere Szene, die später wichtig ist und die du nicht verpassen solltest. Der Vorspann (stammt von der Geheimtipp-Band Little Barrie)  an sich dauert dann läppische 15 Sekunden. Da lohnt sich das Vorspulen kaum und ergibt alle veröffentlichen Folgen zusammengezählt auch nur vier Minuten. Der Abspann dauert dafür dann immerhin knapp eine Minute – da kannst du eine Viertelstunde einsparen.

Womit kannst du das vor deinem Gewissen rechtfertigen? 

Wenn du vorher schon "Breaking Bad" gesehen hast, musst du die Entwicklung der Charaktere ja eigentlich sowieso verfolgen. Und wenn nicht? Dann solltest du sie verfolgen, um direkt im Anschluss mit "Breaking Bad" weiterzumachen. Das bessere Argument ist aber, dass die Macher Vince Gilligan und Peter Gould eines der wohl bestimmendsten Motive unserer Zeit (eigentlich aller Zeiten) behandeln: Ein Mensch, der eigentlich gerne gut wäre, in letzter Konsequenz aber doch immer wieder scheitert. Wegen seiner Schwächen. Menschlicher Schwächen. Schwächen, die wir so oder so ähnlich alle kennen. Und uns deshalb ständig fragen können: Hätte ich das Geld genommen oder es zurückgegeben? Kann man das machen, so einen Auftrag wirklich annehmen? Und warum, verdammt, klappt es nie so richtig zwischen Jimmy und Kim?!

Wenn dir das noch nicht reicht: Die Werbung  für die Serie hängt ÜBERALL. Es ist unmöglich, Bus zu fahren, ohne Jimmy McGill auf einem großen Plakat zu begegnen. Da wird man einfach neugierig. Und wenn man ihn dann kennt, freut man sich jedes Mal ein bisschen über das Wiedersehen. 

So fühlst du dich am Tag danach: 

Deprimiert, weil du unbedingt weiterschauen willst und der nächste Dienstag noch unendlich weit weg ist. Und euphorisch, weil Jimmy auch ansteckt – als Vorbild. Er steht immer wieder auf. Und er muss oft wieder aufstehen.

Und jetzt? 

Wahrscheinlich hast du „Breaking Bad“ sowieso schon gesehen. Wenn nicht, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt dafür. Ansonsten bietet sich „Suits“ an: Hier geht es um einen der Top-Anwälte Manhattans, der für seine angesehene Kanzlei einen klugen, aber unmotivierten College-Abgänger einstellt. Beide müssen allerdings verheimlichen, dass der neue Kollege eigentlich gar nicht als Anwalt arbeiten darf. Thematisch passt auch die Gerichtsserie „Boston Legal“. Da steht eine Kanzlei im Mittelpunkt, die Fälle gewinnt, die sonst niemand annimmt. 

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