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Die Serie

New Orleans, drei Monate nach Katrina: Die Stadt und ihre Bevölkerung sind schwer gezeichnet von dem Sturm und der darauffolgenden Überflutung der Stadt. Auf Unterstützung oder Hilfe vom Staat zu hoffen, hat sich als sinnlos herausgestellt. Und so versuchen die Heimkehrer, ihr Leben und die Stadt in den Trümmern so gut wie möglich wieder aufzubauen:  

Da ist Antoine Batiste (gespielt von Wendell Pierce, bekannt aus "The Wire"), ein unsteter Posaunist, der sich von einem Gig zum nächsten hangelt, seine Frau betrügt und sich zu wenig um seine beiden Söhne aus erster Ehe mit LaDonna kümmert. Die wiederum versucht hartnäckig, ihre Bar wieder zu eröffnen und sucht zugleich nach ihrem Bruder, der zur Zeit des Sturms im Gefängnis saß und seitdem als verschwunden gilt.

Dafür engagiert sie die Anwältin und Bürgerrechtsaktivistin Toni Bernette (gespielt von Melissa Leo), deren Ehemann, Professor Creighton Bernette (John Goodman), mit seinen verbalen Vernichtungszügen gegen George W. Bush und die staatliche Behörde für Katastrophenschutz FEMA zum Youtube-Phänomen wird. DJ Davis (Steve Zahn) ist ein chaotischer Radio-Moderator und Musiker, der mit der Köchin Jeanette (Kim Dickens) eine Affäre hat, die ihrerseits verzweifelt versucht, ihr Restaurant wieder zum Laufen zu bringen. Albert Lambraux (Clarke Peters, auch aus "The Wire" bekannt) ist Chief eines Indian Tribe (sehr, sehr ungenau könnte man das mit einem Karnevalsverein umschreiben und täte damit dieser Tradition sehr unrecht), dessen Mitglieder übers ganze Land verstreut sind. Selbst sein Sohn, der Jazz-Trompeter Delmond, ist dauerhaft nach New York übersiedelt.

Sie alle versuchen, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bringen und gleichzeitig diese Stadt zu retten, die scheinbar so gar nicht in die USA passt. Denn New Orleans hat, was der Rest der USA gerne hätte: Kultur, Tradition, eine für das puritanische Amerika erstaunlich hohe Wertschätzung für die schönen Dinge des Lebens  – oder um es mit einer Unterhaltung zwischen DJ Davis und dem bekannten Trompeter Kermit Ruffins zu sagen: "All you wanna do is get high, play some trumpet and barbecue in New Orleans your whole life?" Woraufhin Kermit Ruffins die einzig richtig Antwort gibt: "Sure."

Wo findest du die Serie?

Auf Amazon und als Kauf-DVD

Der Zeitaufwand:

Ist überschaubar. "Treme" hat es nur auf dreieinhalb Staffeln gebracht, die mit zehn bis elf Folgen relativ kurz sind. Insgesamt brauchst du 25 Stunden, zwei Wochenenden sollten locker reichen.

Wo du Zeit sparen kannst:

"Treme" kann es mit "Mad Men" aufnehmen, was die mäandernde Erzählweise und -geschwindigkeit angeht. Man muss sich auf die Serie und ihren extrem entspannten Rhythmus einlassen. Allerdings gibt es eine Storyline, auf die man tatsächlich verzichten könnte: Die des Hustlers Nelson Hidalgo, der in die Stadt kommt, weil er glaubt, in dem Chaos schnell reich zu werden. Die Storyline funktioniert nicht und der hyperaktive Hidalgo nervt von mal zu mal mehr. Auch das (wunderbare) Intro kann man sich sparen – womit man 46 Minuten gewinnt.

Womit kannst du das vor deinem Gewissen rechtfertigen?

Also bitte. Wenn dein Gewissen sich jetzt noch meldet, dann hau ihm eine rein – mit schönen Grüßen von der Autorin. "Treme" ist genau das, was die Feuilletons meinen, wenn sie von Fernsehserien als neuer Form der Hoch-Kultur sprechen: Komplizierte Sachverhalte werden extrem genau und gleichzeitig sehr unterhaltsam vermittelt – und am Ende ist man auch noch schlauer.

Wenn du tatsächlich mehr Rechtfertigung für den Konsum brauchst, dann zähle einfach die ganzen Gastmusiker und Songs zusammen, die dir im Laufe der Serie präsentiert werden. Danach ist dein musikalischer Horizont garantiert verdoppelt: Allen Touissant, Dr. John, Elvis Costello, Steve Earle und Trombone Shorty gehören zu den bekannteren musikalischen Gästen der Serie. In jeder Folge werden etliche obskure Tracks aus dem musikalischen Fundus der Stadt gespielt – und spätestens seit Beyoncés aktuellem Track "Formation" weißt du, welche Bedeutung diese Stadt für die Kultur dieses angeblich so kulturvergessenen Landes hat.

So fühlst du dich am Tag danach:

Du checkst schnell, wie teuer ein Flugticket nach New Orleans wäre – oder ob Posaunen-Unterricht vielleicht doch günstiger wäre.  

Und jetzt?

Pflichtprogramm wäre jetzt natürlich "The Wire", die Serie, die David Simon berühmt gemacht hat. Aber die hast du ja bestimmt schon längst gesehen. Auch sehr sehenswert sind  seine Mini-Serien "Generation Kill" über die Invasion im Irak und "Show Me A Hero", über einen Bürgermeister in Yonkers, NY, der in den 1980er-Jahren versuchte, die immer noch existierende rassistische Trennung der Wohnviertel aufzuheben.

Wenn dich dagegen bei "Treme" vor allem die Musik umgehauen hat, dann könntest du dich auf die Suche nach dem heiligen Gral des New Orleans-Sound machen: einem Dokumentarfilm, der bislang nur in einschlägigen Foren und in unfassbar schlechter Qualität auf DVDs zweifelhafter Herkunft zu haben war, aber seit kurzem auch auf Youtube zu finden ist. Der Film heißt "Piano Players Rarely Ever Play Together" und zeigt die Altmeister Tuts Washington, Professor Longhair und den kürzlich verstorbenen Allen Toussaint bei Proben für einen geplanten Auftritt. Der dann anders ausfällt, als gedacht und dadurch noch sehr viel berührender wird

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