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Finfluencer reden viel und vermitteln wenig

Illustration: Federico Delfrati

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Ist man offiziell erwachsen, wenn die ersten Kontogebühren fällig sind? Was haben Heels mit der Wirtschaftslage zu tun?  Warum gehört der so genannten Gen Z nichts mehr? In ihrer Kolumne „Cash, Card oder Krise“ geht Lilian Schmitt den großen Finanzfragen ihrer Generation nach. In Folge 2: Mehr Finanzbasics, weniger Blabla. 

Ich scrolle durch Reels auf Instagram: blaues Studiolicht und Monstera im Hintergrund, ein typisches Podcast-Setting eben. Am Mikrofon erzählen Multiunternehmer und selbsternannte Business Pioniere“, wie sie mit Marketingdeals Millionen verdient haben. Ein Reel weiter erklärt mir der Host in wenigen Sekunden, wie ich mir angeblich schon für 400 Euro im Monat und ohne Zinsen ein Eigenheim leisten kann. Andere Accounts setzen auf pastellfarbene Kacheln und Illustrationen. Und wenn es in den Female Finance-Bereich geht, kommen die Tipps oft im knalligen Pink. Alles durchdachte Farbkonzepte, klar, sie wollen ja Aufmerksamkeit und Reichweite haben. Der Internetauftritt ist perfekt inszeniert und wirkt optisch beruhigend. 

Genau so präsentiert sich der Großteil der Finanzbildung auf Social Media: hübsch verpackte Versprechen, die mehr glänzen als erklären. Finfluencer locken mit Empowerment-Sprüchen und Buzzwords wie „passives Einkommen“ oder „mit 40 in Rente“. Dabei erzählen sie auch, wie sie angeblich nebenbei reich geworden sind, ganz ohne Mühe: „Ich lasse das Geld für mich arbeiten, ohne selbst etwas zu tun.“ Das klingt verlockend – zu verlockend. Manche dieser Angebote sind schlicht Scams. Aber selbst, wenn nicht: Die finanzielle Realität und Probleme von jungen Menschen sehen anders aus. Risiko, Rendite, Verschuldung: Diese Themen kommen selten vor. Es bleibt bei der Illusion von Wissen, denn nur wenige vermitteln echtes Handwerkszeug.

Was es viel mehr bräuchte, ist so etwas wie „Finance 101“. Also Kurse, die Grundlagen zum Thema Finanzen erklären. Es gibt nämlich Dinge, die wirklich jeder wissen muss. Erste Lektion, der Zinseszins: Wenn ich 100 Euro mit drei Prozent anlege, habe ich nach einem Jahr 103 Euro. Ab dem zweiten Jahr bekomme ich nicht nur Zinsen auf die 100 Euro, sondern auch auf die drei Euro extra. Nach zehn Jahren habe ich dank des Zinseszins etwa 134 Euro. So wächst das Geld jedes Jahr ein bisschen mehr. Das klingt solide, aber wenn Preise genauso schnell oder schneller steigen, Stichwort Inflation, bleibt real nichts übrig. Was auf dem Kontostand nach einem Plus aussieht, ist nicht unbedingt eines. 

Zweite Lektion, die Risikostreuung: Sie ist entscheidend, weil niemand weiß, wie sich Märkte entwickeln. Wer nicht alles auf eine Aktie setzt, sondern in einen ETF mit vielen Unternehmen investiert, verringert die Gefahr, dass ein einzelner Kursabsturz das ganze Ersparte frisst.

Dritte Lektion, die Rendite: Sie zeigt, wie erfolgreich die Geldanlage insgesamt war, gemessen in Prozent. Lege ich also wieder 100 Euro an und bekomme nach einem Jahr fünf Euro zurück, habe ich eine Rendite von fünf Prozent. Tagesgeld, also ein verzinstes Konto, auf das ich jederzeit zugreifen kann, bringt eine niedrige, aber sichere Rendite. Aktien oder ETFs schwanken mehr, haben aber auf lange Sicht oft eine höhere Rendite. Und beim Kredit ist es umgekehrt: Die Bank macht Rendite mit mir.

Wenn Seminare zu Ködern werden

Eigentlich einfach - oder? Allerdings tauchen solche simplen Erklärungen in vielen Angeboten gar nicht auf. Stattdessen werden junge Leute oft mit Hochglanzversprechen geködert, insbesondere an Hochschulen. Die Uni wäre eigentlich ein guter Ort, um solide Finanzbildung zu vermitteln. Doch seit Jahren haben Finanzbetriebe wie MLP den Campus im Visier. Auf Instagram und Co. locken sie mit hübsch illustrierten Posts und Reels und werben über ihre „Hochschulinitiative Deutschland“ mit kostenlosen Steuerkursen für Studierende oder Bewerbungstrainings. Ein Beispiel, das vermutlich viele kennen: „Mach eine Steuererklärung und hole dir deine Uni-Kosten zurück.“ Das klingt sexy, ist aber meistens eine Mogelpackung.

Dahinter steckt der sogenannte Verlustvortrag: Studienkosten, also Semesterbeiträge, das ÖPNV-Ticket oder Fachliteratur, lassen sich als Werbungskosten später mit dem Einkommen verrechnen. Das geschieht aber nicht sofort und schon gar nicht im Erststudium. Die Ausgaben im Bachelor erkennt das Finanzamt nur als Sonderausgaben an, die sich nicht in spätere Jahre übertragen lassen. Wer wie die meisten Studis keine oder kaum Steuern zahlt, bekommt also nichts zurück. Erst im Master oder Zweitstudium greift das wirklich. Dann lassen sich diese Werbungskosten als Steuergutschein mit in die erste richtige Einkommensteuer nehmen. 

Verbraucherschützer:innen kritisieren seit Jahren, dass solche Angebote nicht primär bilden, sondern einfach nur Marketing seien. Denn die Beratung möchte zunächst Vertrauen aufbauen, bevor sie ihre Finanzprodukte an die Studierenden verkauft. Im Klartext: Es geht nicht darum, Wissen zu vermitteln, sondern darum, junge Leute als Kund:innen für Versicherungen und Anlageprodukte zu gewinnen. Stiftung Warentest hat die Angebote schon im Jahr 2008 als „teuer oder unsinnig“ bewertet. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.

Wie gefährlich fehlende Finanzbildung sein kann, zeigen die Zahlen. Laut Schuldneratlas 2024 sind fast sieben Prozent der Unter-30-Jährigen überschuldet. Das heißt, ihre Ausgaben sind höher als ihr Einkommen und sie können offene Rechnungen oder Kredite dauerhaft nicht mehr zahlen. Ein Grund: Es ist so leicht wie nie zuvor, Geld auszugeben, das man nicht hat. Das Modell „Buy now, pay later“ klingt harmlos, sorgt aber dafür, dass viele den Überblick verlieren. Drei kleine Raten summieren sich schnell zu großen Beträgen. Ähnlich im Tiktok-Shop, wo User Produkte mit einem Klick bestellen können. Auch Abo-Fallen in Online-Spielen sind ein Risiko.

Und es ist kein Geheimnis, dass an Schulen in Sachen Finanzbildung immer noch zu wenig passiert. Oft gibt es höchstens Projekttage, und weil den meisten Schulen Personal und Material fehlen, springen manchmal externe Anbieter wie Banken und Versicherungen ein. Das Fundament fehlt bei vielen also komplett. Deswegen ist es wichtig zu lernen, seriöse Finanzberater:innen und Finfluencer von Blendern zu unterscheiden.

Wie das geht, führt uns zu Lektion vier: Das schnelle, sichere Geld gibt es nicht! Auch dann nicht, wenn es hübsch verpackt ist. Viele Follower:innen und Likes sagen nichts darüber aus, ob eine Person vertrauenswürdig ist. Seriöse Stimmen arbeiten transparent: Sie kennzeichnen Werbung, legen ihre Quellen offen und sprechen nicht nur über Chancen, sondern auch Risiken. Wichtig ist außerdem zu verstehen, wie Berater:innen oder Finfluencer an ihren Tipps verdienen, im Leben ist schließlich nichts kostenlos. Am besten nutzt man mehrere Quellen und checkt sie bei unabhängigen Stellen wie der Verbraucherzentrale gegen. Besonders Zeitdruck ist die größte Red-Flag in der Szene: Spielt ein:e Berater:in mit FOMO, geht es ihnen nur darum, zum schnellen Abschluss zu drängen. 

Genau das geht inmitten der ganzen hübschen Posts und süßen Reels oft unter. Dabei wollen wir doch eigentlich nur die Basics, die uns wirklich weiterbringen und eine ehrliche Beratung. Finanzbildung darf kein Wellness-Angebot sein. Sie muss das liefern, was wirklich zählt: nachhaltiges Wissen ohne Filter. 

Doch wie kann ich eigenständig Finanzwissen aufbauen? In der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit Pflichtlektüren in diesem Bereich, die wirklich weiterhelfen.

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