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Ein Twitter-Account sammelt Fotos von verlorenen Einkaufswagen

Foto: Martin Pelz

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Der Wiener Martin Pelz sammelt auf seinem Twitter-Account @Wagerlkunst Fotos von Einkaufswagen, die irgendwo in der Stadt verloren gegangen sind – und über 14.000 Menschen folgen ihm. Viele tun es Martin gleich und posten Bilder von Einkaufswagen an absurden Orten. Man sieht die Wagen in Kirchen, Flüssen oder zwischen verschneiten Parkbänken. Wir haben bei Martin nachgefragt, was es mit dem Account auf sich hat. 

jetzt: Martin, bringst du deinen Einkaufswagen immer zurück, wenn du einkaufen gehst?

Martin Pelz: Ja, ausnahmslos.

Und was hältst du davon, wenn es die anderen Leute nicht machen? Mich stört das gar nicht so sehr, wie man vermuten könnte, weil ich es so akribisch dokumentiere. Ich finde es eher lustig und schräg, welche Ideen die Leute haben, wofür man das Einkaufswagerl verwenden kann.

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Foto: Martin Pelz
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Foto: Martin Pelz
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Foto: Martin Pelz
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Foto: Martin Pelz
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Foto: Martin Pelz
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Foto: Martin Pelz

Warum sammelst du die verlorenen Einkaufswagen der Stadt auf deinen Fotos?

Ich finde, das gehört für die Nachwelt dokumentiert. Das gab es früher nicht und womöglich ist es in hundert Jahren auch völlig absurd und undenkbar. Man weiß ja nicht, wie sich Supermärkte entwickeln und ob es sie dann in der Form noch gibt. Das sollte man archivieren.

Suchst du gezielt danach, oder findest du die Wägen zufällig?

Ich finde sie zufällig. Man bekommt schnell einen Blick dafür und sieht dann fast an jeder Straßenecke einen Einkaufswagen stehen.

Wann wird für dich ein Alltagsgegenstand zur Kunst?

Ich weiß nicht, ob sie überhaupt zur Kunst werden. Der Hashtag #Einkaufswagenkunst ist ein Spielen damit, dass sie von Menschen zu Kunst erklärt werden. Ich sehe das Ganze mit einem Augenzwinkern. Ich kann meistens keine große Kunst daran erkennen, dass manche Menschen zu faul sind, um ihren Einkaufswagen zurückzubringen oder etwas anderes damit vorhaben. Das stimmt für mich in den seltensten Fällen mit dem Kunstbegriff überein.

Was ist dein Kunstbegriff?

Kunst ist ein Gegensatz zur Natur, vom Menschen geschaffen zum Zweck der Erbauung. Kunst kommt aber auch von Können, also ist für mich ein Einkaufswagen im Wald eher keine Kunst.

Auch wenn es keine Kunst für dich ist, scheinen die Einkaufswagen eine gewisse Faszination für dich zu haben. Warum?

Schwierig zu sagen. Vielleicht, weil es gegen mein Naturell ist, ich wäre selbst nie darauf gekommen, einen Einkaufswagen abseits eines Supermarkts zu verwenden. Oder vielleicht, weil es so viele gibt und ich nicht lange suchen muss. Dann habe ich jeden Tag ein Mini-Erfolgserlebnis, wenn ich auf meinen Wegen einen neuen Wagen entdecke.

Wie bist du auf die Idee für den Account gekommen?

Ich habe schon lange Einkaufswagen fotografiert. Seit es Kameras auf Smartphones gibt. Ich wünschte, ich hätte schon früher immer eine Kamera mitgehabt, damit ich auch Fotos von noch weiter zurück liegenden Einkaufswagen hätte. Aber ich habe irgendwann über 2.000 Fotos gehabt und habe mir gedacht, daraus muss ich mehr machen, als sie nur im Freundeskreis herumzuschicken.

Du hast über 2.000 Fotos von Einkaufswagen?

Ja, das war im Mai 2014. Dann habe ich den Account gestartet. Jetzt poste ich täglich ein Foto. Mittlerweile habe ich schon mehr als 3.000 Bilder. Manche Fotos habe ich auch von Freunden und Bekannten.

Was haben deine Freunde zu den Bildern gesagt, die du ihnen geschickt hast? Die habe ich mit meiner Leidenschaft angesteckt. Sie steuern zu meiner Sammlung längst die tollsten Bilder bei, vor allem Urlaubsschnappschüsse, von Südafrika über Hawaii bis nach Tschernobyl.

Was war der eigenartigste Ort, an dem du einen Einkaufswagen gefunden hast?

Toll fand ich den Einkaufswagen in einer Kirche. Dann habe ich welche im Meer und im Wien-Fluss gefunden. Die besten Fotos habe ich noch gar nicht gepostet.

Du bekommst mittlerweile Fotos aus aller Welt zugeschickt. Warum interessieren sich so viele Leute für die zurückgelassenen Einkaufswägen?

Es ist wirklich faszinierend. Mittlerweile schießen auch Konkurrenz-Accounts wie Schwammerl aus dem Boden. Ich bin sozusagen der Marktführer. Anscheinend gibt es einen wachsenden Markt für Einkaufswagen-Fotos. Die Gründe, warum Menschen das fasziniert, sind sehr unterschiedlich, wie auch meine Follower. Das sind teilweise Leute, die es für Kunst halten, teilweise Leute, die es wahnsinnig stört, dass in ihrer Umgebung Sperrmüll und Einkaufswägen herum stehen. Manche finden es einfach lustig.

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