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Warum niemand mehr Werbung auf Instagram erkennt

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„Ich bin keine Influencerin“, sagt Sophie Passmann als Begrüßung auf der Bühne des Zündfunk Netzkongresses. 36.000 Follower hat sie auf Instagram, knapp 60.000 auf Twitter – das liest sich nach einflussreicher Person. Aber Influencer, so argumentiert Sophie Passmann, das sind Menschen, die mit ihrer Reichweite Geld verdienen. Passmann, Autorin, Radiomoderatorin und Neo-Magazin-Royale-Mitarbeiterin, verdient aber nach eigener Aussage keinen Cent mit ihren Posts, zumindest nicht direkt. Denn klar, irgendwie gut für sie und ihren Job sei die Reichweite schon. Aber anders als sie gäben Influencer sich, „als wäre das ganze Leben eine Dauerwerbesendung“, machen sich selbst „zu einer lebenden Litfaßsäule“.

Sophie Passmann auf dem Zündfunk-Netzkongress

Sophie Passmann auf dem Zündfunk-Netzkongress

Matthias Kestel

Tatsächlich ist das Berufsbild „Influencer“ schwer zu erfassen – sind das Prominente? Privatpersonen, die einfach gut erzählen können? Oder Werbeträger? Die Verwirrung kann man schon daran gut erkennen, dass der Hashtag „Werbung wegen Markenerkennung“ 48.000 Ergebnisse liefert. Neuerdings schreiben das jetzt auch Normalo-Instagrammer mit 20 Followern unter ihre Posts, weil sie Angst haben, wegen der Verlinkung eines Klamottenherstellers als Schleichwerber abgemahnt zu werden. Vom Verband sozialer Wettbewerb (VSW), der sich das zur Aufgabe gemacht hat.

Genau das ist Vreni Frost, 55.000 Instagram-Follower, passiert. Sie entspricht auf den ersten Blick Passmanns Bild der Klischee-Influencerin. Die Berliner Bloggerin postet über Mode und Beauty, hier und da ein Foto vom Frühstück oder dem Hotel, in dem sie übernachtet. Auch bezahlte Posts sind dabei. Trotzdem sieht sie das Influencer-Business auch kritisch. Vreni, die sich „Sinnfluencer“ und „Maître d’Internet“ nennt, thematisiert auf ihrem Blog neverever.me auch mal Einheitslook, skurrile Schönheitsideale, leere Phrasen – und Schleichwerbung auf Instagram. „Wer Schleichwerbung macht, gehört für mich abgemahnt“, schreibt sie im Juli 2017.

Als sie ein paar Monate später selbst einen Brief vom VSW in den Händen hält, ist sie geschockt. „Ich dachte, ich kann das in einem schnellen Telefonat lösen und denen mitteilen: Sorry, ich bin die Falsche.“ Relativ schnell merkt sie, dass sie die Abmahnung ernstnehmen muss. Um Bilder, auf denen sie Marken taggt, geht es. Zum Beispiel ein Selfie mit Verlinkung des Herstellers ihres Kleides. Das Kleid war selbst bezahlt, die Marke hat ihr keinen Auftrag für das Foto erteilt. Für den VSW kann so eine Verlinkung von einer Person mit 55.000 Followern trotzdem nur kommerzielle Zwecke verfolgen. Damit ist sie – ohne Kennzeichnung – ein Verstoß gegen das Telemediengesetz. Die Forderung: 178,50 Euro Abmahngebühr und eine unterschriebene Unterlassungserklärung.

Fragt man den VSW, wie man es als Influencer richtig macht, bekommt man als Antwort 48 Seiten Gerichtsurteile

Das sieht Vreni nicht ein, bezahlte Posts hat sie schließlich immer kenntlich gemacht. Sie unterzeichnet nicht und will den Fall vor dem Landgericht Berlin verhandeln. Was dann kommt, nennt sie eine „Ohrfeige für jeden Online-Medienmacher“: eine einstweilige Verfügung, die ihr untersagt, Marken ohne Werbehinweis auf Instagram zu verlinken.

Vreni will in Berufung gehen. „Genauso wie ein Magazin redaktionelle Empfehlungen abgibt, machen das Blogger auch“, meint sie. Wenn sie auf ihren Posts Marken taggt, ist das für sie wie der Herstellerhinweis unter der Luxustasche in einer Zeitschrift. Fragt man den VSW, wie man es als Influencer richtig macht, bekommt man als Antwort 48 Seiten Gerichtsurteile. Vreni kennzeichnet Werbung jetzt aus Protest „in your face“, wie sie sagt. Alle ihre Posts sind jetzt Werbung; Egal ob der Post bezahlt wurde, ihr ein Produkt geschenkt wurde, ob eine Marke unbezahlt verlinkt ist, oder ob es einfach nur ein Selfie mit ihrer Katze ist.

Vreni weiß selbst, dass das aus User-Sicht nicht gerade hilfreich ist. Anstatt Licht in die Grauzonen der Werbung auf Instagram zu bringen, flacht der Werbebegriff noch weiter ab, wenn plötzlich einfach alles Werbung ist. „Der User ist ja jetzt schon total abgestumpft“, meint Vreni. Die meisten würden die Werbe-Hashtags sowieso überlesen.

Eine richtig sinnvolle Lösung hat also noch niemand gefunden, aber die Grenzen zwischen Kreativität und Geldmache, Werbung und Nicht-Werbung sind auf Instagram eben fließend. Und wer auf den amerikanischen Influencer-Markt schaut, ahnt bereits heute: Die Anzahl der Influencer wird eher weiter zunehmen, das Business-Modell wird professioneller, also müssen auch professionelle Lösungen her. Sophie Passmann sieht das Problem mit den Influencern deshalb viel grundsätzlicher. „Die Influencer, die sich gerade darüber beschweren, dass sie immer Werbung dazuschreiben müssen, sollten sich vielleicht mal überlegen, warum ihr ganzes Leben im Internet offensichtlich immer mit Marken und Konsum zu tun hat.“

* Aurelie von Blazekovic ist Schülerin der Deutschen Journalistenschule. Dieser Text ist entstanden im Rahmen des Zündfunk-Netzkongresses, dem Digital Kongress vom Bayerischen Rundfunk und der Süddeutschen Zeitung.

 

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