Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Das Dixi-Klo ist ein mieser Verräter

Bild: Catherina Hess

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Mal angenommen, du stolperst gerade aus dem Club, wo du die letzten paar Stunden damit verbracht hast, zu trinken, zu tanzen und äh, also, hrmpf, vielleicht auch die ein oder andere nicht ganz so legale Substanz zu dir zu nehmen.

Und genau dort, auf dem Gehweg stellst du fest: Du musst wahnsinnig dringend pieseln. Zurück in den Club gehen geht nicht. An die nächste Ecke pinkeln ebensowenig, weil du ja eine gute Kinderstube hast. Also musst du dir jetzt eine andere Möglichkeit zur Erleichterung suchen. Und was sehen deine geröteten Augen? Direkt vor deiner Nase am Straßenrand steht ein wunderschönes, sauberes, kostenloses, verschließbares, transportables Klo. Ein Traum. Oder? Solltest du etwa misstrauisch sein?  

Womöglich. Denn solche Toiletten könnten bald dazu dienen, deinen Drogengebrauch und den anderer Großstädter genauer zu untersuchen. Und zwar genau dort, wo er auch geschieht. Forscher stellen nämlich wirklich solche Klo-Boxen vor Clubs. Darin wird der Urin der Feierfreudigen Menschen in 400-Liter-Tanks aufgefangen, der dann im Anschluss genau untersucht wird. Das geht aus einer Veröffentlichung des „European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction“ (EMCDDA) vor, die erörtert, welche Chancen solch ein Verfahren für die Untersuchung des Drogenkonsums haben könnte.

 

Aufgabe des EMCDDA ist es, die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit Daten und Fakten über den Drogengebrauch in Europa zu versorgen.

 

Bislang sind die Möglichkeiten zur Erforschung des Drogenkonsums der Bevölkerung noch relativ ungenau. Forschern, die herausfinden wollen, wo welche Drogen genommen werden und welche Auswirkungen der Konsum auf bestimmte Bevölkerungsschichten haben, hatten bislang zwei Möglichkeiten, das zu untersuchen: Umfragen oder Proben aus dem städtischen Abwasser.

 

Das Problem bei Umfragen: Kaum jemand antwortet ehrlich, wenn er nach seinem Drogen-Konsum befragt wird – je illegaler die Substanz, desto eher wird der Gebrauch runtergespielt oder ganz verleugnet. Als 2005 Forscher in Italien Wasser aus dem Po (dem Fluss!!) auf eine Substanz untersuchten, die in Kokain vorhanden ist, kam heraus, dass täglich fast vier Kilo Kokain durch den Fluss strömen. Hochgerechnet auf die italienische Bevölkerung ergab das knapp 2,7 Prozent Kokain-Konsumenten – doppelt so viele, wie vier Jahre vorher durch eine Umfrage erhoben worden war.

 

Bei der Abwasser-Untersuchung stellt sich wiederum ein anderes Problem: Die Konzentration von Drogen im Abwasser ist naturgemäß sehr gering. Es lassen sich darin etwa 20 verschiedene Substanzen nachweisen – hauptsächlich bekannte und häufiger genutzte Drogen, wie Kokain, MDMA und Cannabis. 2015 veröffentlichte das EMCDDA eine große Studie, für die das Abwasser in 42 Städten in 21 verschiedenen Ländern getestet worden war. Das Ergebnis ist zwar sehr interessant (In Antwerpen wird besonders gerne Kokain konsumiert, in Prag sind es eher Amphetamine und im serbischen Novi Sad mag man Cannabis) – aber immer noch zu ungenau, um daraus irgendwelche Schlüsse ziehen zu können. Und seitdem immer mehr sogenannte „Legal Highs“ kursieren, stößt die Abwasser-Drogenuntersuchung auf ein weiteres Problem: die Zusammensetzung der Substanzen in Legal Highs verändern sich so oft, dass sich die Suche nach ihnen kaum lohnt. Zudem werden sie von einer so geringen Zahl von Menschen konsumiert, dass sie kaum im Abwasser nachweisbar sind.

 

Deshalb sind die Drogenforscher nun auf die Idee gekommen, dorthin zu gehen, wo die Drogen konsumiert werden – und sie haben Dixie-Klos im Gepäck. Dadurch können die Forscher besser nachvollziehen, in welchen Gegenden welche Drogen konsumiert werden. Und sie können auch Stoffe nachweisen, die von wenigen Menschen konsumiert wurden.

 

Klingt absolut nachvollziehbar – und gleichzeitig ziemlich beunruhigend, wenn man sich vorstellt, auf welche „Synergie“-Ideen die Menschen kommen könnten, sollte sich dieses Verfahren als praktikabel herausstellen.  

 

 

chwa

  • teilen
  • schließen