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Supermarkt will Fleisch so verpacken, dass man es nicht berühren muss

Foto: AFP

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Verpackungen für Lebensmittel haben in der Regel ihre Berechtigung: Sie halten sie länger frisch, schützen sie vor Schmutz oder Schadstoffen oder helfen zumindest, sie leichter zu transportieren. Der Zweck hinter einer „innovativen“ Verpackungsart, die die britische Supermarktkette Sainsbury's ab Mai verwenden will, scheint allerdings vollkommen absurd: „Doypack“ nennt die Industrie einen neuartigen Beutel aus Papier, der Kunden ermöglichen soll, Fleisch zuzubereiten, ohne es berühren zu müssen.

Die Einführung des „touch free packaging“ erklärt der Supermarkt damit, dass laut einer Umfrage viele Kunden, besonders aber junge Leute unter 35 Angst hätten, rohes Fleisch anzufassen. Auf diese Erkenntnis verwies auch Katherine Hall, Produktentwicklungsmanagerin für Fisch und Fleisch bei Sainsbury's, im Gespräch mit der Sunday Times: „Die Tüten erlauben es diesen Menschen, das Fleisch direkt aus der Tüte in die Pfanne zu schütteln, ohne es berühren zu müssen.“ So sei beispielweise Hühnchen schon in kleine, mundgerechte Stücke geschnitten.

Dass Millennials – also Menschen, die nach 1980 geboren wurden – tatsächlich mehr Angst als Ältere davor haben, rohes Fleisch zu berühren, legt das Ergebnis einer Studie nahe, die das Marktforschungsunternehmen Mintel vor Kurzem durchgeführt hatte: 37 Prozent der befragten britischen Millennials gaben an, sich davor zu ekeln oder zu fürchten, rohes Fleisch anzufassen. Im Vergleich: Unter allen Befragten gab insgesamt nur jeder Vierte an, damit ein Problem zu haben.

Irgendwo ist Ekel beziehungsweise Angst vor der Berührung mit rohem Fleisch vielleicht sogar verständlich. Wer es in den Händen hält, spürt unweigerlich, dass es einmal Teil eines lebendigen Körpers gewesen ist: Beim Zerteilen spürt man Muskeln, schneidet durch Sehnen, stößt auf einzelne Gelenke, manchmal auch Knochen.

Aber gerade weil die Zubereitung von Fleisch unangenehm sein kann, ist es wichtig, dass zumindest ihre letzten Schritte Konsumenten überlassen bleiben. Schließlich machen Muskeln, Sehnen, Gelenke und Knochen dem Menschen bewusst, was er da zu sich nimmt: Teile eines für ihn getöteten Lebewesens.

Wenn jemand diesen Gedanken nicht erträgt oder rohes Fleisch aus anderen Gründen so abstoßend findet, dass er es nicht mal berühren will, wäre es vielleicht konsequenter, das Fleischessen insgesamt zu überdenken, als stattdessen den eigenen Ekel durch Verpackungsmethoden wie die von Sainsbury's zu umgehen. Etwas essen, das man nicht mal anfassen will – eigentlich müsste da doch jeder merken, dass da was nicht stimmt.

Vermutlich ist es aber viel bequemer, diesen Gedanken nicht zu Ende zu denken. Besonders wenn der Supermarkt um die Ecke es einem noch zusätzlich erleichtert, die Herkunft des eigenen Essens zu verleugnen. Sainsbury's schafft das letzte bisschen ängstlichen Respekt beiseite, das viele Fleischesser beim Zubereiten noch vor dem Tier hatten. Und das, so muss man vermutlich befürchten, könnte einigen Hühnchen das Genick brechen, die sonst vielleicht davon verschont geblieben wären.

lath

Dieser Millennial hat allerdings keine Angst vor rohem Fleisch:

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