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2926 Euro brutto für den Metzgermeister

Illustration: Katharina Bitzl, Foto: Privat

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Tobias Schmidt, 22, ist der jüngste Sohn eines Fleischers in Herne. Er hatte mit 16 keinen Bock mehr auf Schule und wusste schon als Kind, dass er mal Fleischer werden wird. Seine neuste Spezialität: Mango-Mortadella. 

Der Weg

Meine Familie hat seit vier Generationen eine Metzgerei. Ich fand den Beruf schon immer cool, außerdem wollte ich irgendwas mit Tieren machen. Mit 16 hatte ich dann keine Lust mehr, nur zur Schule zu gehen. Für mich war klar, ich mache jetzt die Ausbildung. Ich bin während meiner Ausbildung drei Jahre lang abwechselnd in den Betrieb und in die Schule gegangen. Nach der Gesellenprüfung habe ich meinen Meister gemacht. Den habe ich dann in einem Jahr durchgezogen und bin 2014 der Jahresbeste im Fleischerhandwerk im Handwerkskammerbezirk Düsseldorf geworden. Jetzt arbeite ich im Betrieb und übernehme ganz langsam die Aufgaben von meinem Vater.

Mein Arbeitsalltag

Mein Tag beginnt morgens um 7.00 Uhr mit der Auslieferung von Ware an unsere anderen Filialen. Dafür habe ich so etwa eine Stunde Zeit, danach geht es in die Produktionsküche. Bis zum Mittag bin ich damit beschäftigt, unsere Würste wie Salami, Mortadella, Mettwurst und all so etwas zu machen. Der Produktionsweg beginnt mit dem groben Zerteilen der gelieferten Tiere. Wir schlachten nicht selbst im Betrieb und nehmen auch nicht aus. Das Bild vom blutverschmierten Fleischer mit der Axt in der Hand ist ein nicht mehr zutreffendes Klischee.

Ich habe noch nie in meinem Leben ein Tier getötet, auch Ausweiden musste ich noch nie und das Fell habe ich bisher nur bei Wild für den eigenen Bedarf abgezogen. Wir bekommen die ausgeweideten und nackten Tiere schon in zwei Hälften zerteilt geliefert. Ich persönlich finde nicht, dass es ein Widerspruch ist, dass ich noch nie ein Tier getötet habe, obwohl ich Fleischer bin. Ich bin jetzt auch nicht heiß drauf. Es gibt Fleischer, die schlachten und mögen es. Jedem das seine.

Nach einiger Zeit nehme ich die Tiere, die ich zerteile, nur noch als Fleisch war. Was nicht bedeutet, dass ich kaltherzig bin. Es ist mein Beruf, da werde ich nicht emotional. Frisches Fleisch riecht erstmal nach nichts und wenn es nicht mehr frisch ist, beschreibt der Geruch von Milchsäure es ganz gut.

Nach meiner Mittagspause erledige ich dann so unliebsame Aufgaben wie das Reinigen des Kühlhauses. Mittags muss ich ins Büro. Die Büroarbeit habe ich von meinem Vater übernommen. Ich schreibe und bezahle Rechnungen, kümmere mich um organisatorische Dinge und plane den Einkauf. Die Gewürze, die Tiere, das Verpackungsmaterial, einfach alles wird uns direkt in den Betrieb geliefert. Beim Planen des Einkaufs hilft mir noch mein Vater. Er kann auf viel mehr Erfahrung zurückgreifen.

In meiner Vorstellung war der Beruf mit viel mehr körperlicher Arbeit verbunden. Heute nehmen die Maschinen einem die anstrengenden Aufgaben fast vollständig ab. Am anstrengendsten ist da das Zerlegen von Schweinen. Das ist einfach so monoton. Und keine Maschine kann dir das abnehmen, denn für den Verkauf brauchen wir verschiedene Stücke vom Tier in unterschiedlichen Größen.

Mit das Beste an meinem Job ist, dass ich mich beim Kreieren von neuen Würsten total austoben kann. Sachen, die niemand gekauft hätte, sind heute schon Kassenschlager. Im Sommer gab es eine Leberwurst, in der Schokolade drin war, aktuell verkaufen wir Mango-Mortadella und Salamipralinen. Da ist geschmacklich alles drin. Wenn ich eine Idee habe und die konkretisieren kann, dann probieren wir es einfach aus. Wir würzen drauflos und probieren zwischendurch immer. So lange, bis es schmeckt.

Ich könnte gar keine abgepackte Wurst aus dem Discounter essen. Die schmeckt einfach nur nach Fett und Salz.  In eine richtig gute Wurst gehören gute und teure Gewürze. Unser Geschäft macht bestimmt auch deswegen einen guten Umsatz. Wir profitieren von der Welle, dass sich die Leute bewusster ernähren wollen. Die, die meinen, dass die Wurst auch billig sein kann, wissen gutes Handwerk und gutes Essen nicht zu schätzen.

Privatleben

Ich hab pro Jahr maximal 14 Tage Urlaub am Stück. Aber nicht, weil mir nur so wenig zusteht. Das wäre ja wirklich sehr fragwürdig. Ich kann einfach nicht länger Urlaub machen, weil ich mich irgendwann ganz fürchterlich langweile. Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, ich sei das totale Arbeitstier. Es gibt auch Tage, da entscheide ich, dass ich heute einfach mal Nichts tue. An anderen Tagen kann ich nicht pünktlich um 17 Uhr nach Hause gehen. Wenn ich gerade in der Produktion von neuer Ware bin, muss die erst fertiggemacht werden. Du kannst die Lebensmittel ja nicht einfach wegstellen und dann am nächsten Tag weitermachen.

Übrigens esse ich durch meinen Beruf sehr wenig Fleisch. Die ganze Zeit von gutem Fleisch umgeben zu sein, kann appetitanregend sein, aber ich habe schnell die Nase vollgehabt. Der Job schafft einfach ein Bewusstsein für Konsum, und zu viel Fleisch ist ungesund. Ein Konditor isst ja auch nicht den ganzen Tag Kuchen. Nur weil ich uneingeschränkten Zugang zu Fleisch habe, heißt es ja nicht, dass ich es nicht zu schätzen weiß. Seit ich selbst im Betrieb arbeite, entscheide ich mich viel bewusster dazu, ein Steak zu essen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich mich durch die Arbeit mit toten Tieren verändert habe. Ich bin nicht abgestumpfter geworden. Es ist mein Job, Tiere auseinanderzunehmen und zu Lebensmitteln zu verarbeiten.

Das Geld

Als Meister bekomme ich monatlich 2926 Euro brutto. Für mich ist das vollkommen ausreichend. Ich weiß nicht, ob das für Frau und Kind reichen würde. So weit bin ich ja noch gar nicht. Aber ich bin mir auch darüber bewusst, dass ich den Betrieb mal übernehmen werde. Sobald das passiert ist, muss ich mir finanziell mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit keine Sorgen mehr machen.

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

„Schlachtet ihr noch selbst Tiere?“ Dann erkläre ich erstmal, dass dem nicht so ist und ich auch keine Tiere ausweide. Für viele hole ich den Beruf des Fleischers so aus der Ecke der Grusel-Jobs.

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