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"Der aggressive Fahrstil der Küstenwache schockiert mich"

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An der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland: Ein Flüchtlingsboot versucht, auf der griechischen Insel Agathonisi zu landen. Das kleine Boot ist mit 40 Insassen überfüllt,  darunter sind auch 15 Kinder. Der britische Journalist Alex Thomson ist dabei, er filmt, wie die türkische Polizei aggressiv versucht, die Flüchtlinge zu stoppen. Immer wieder schlagen die Beamten mit Stöcken nach dem Boot. Dann fährt das große Schnellboot des Grenzschutzes so nah an dem kleinen Boot der Flüchtlinge vorbei, dass dieses fast kentert. Fahrlässig? Verboten? Erlaubt? Wir haben mit Nele Matz-Lück gesprochen, Professorin für Seerecht an der Uni Kiel. 

تركيا : حادثة أخرى تبين خفر السواحل التركي وهي تضايق سفينة تحمل اللاجئين والمهاجرين من السواحل التركية تجاه اليونان وتسبب في رد فعل شديد من الأمم المتحدة ومنظمة أطباء بلا حدود (MSF).ذكرت الأمم المتحدة في تويتر أن "خفر السواحل التركي يهاجم السفينة التي كانت تقل لاجئين، وفقا لشهادات من منظمة أطباء بلا حدود." "بينما الاتحاد الأوروبي ايجري محادثات مع تركيا

Posted by ‎عفرينا دلال - Afrina Dalal‎ on Samstag, 19. März 2016

 jetzt: Die Küstenwache fährt sehr nah an das Flüchtlingsboot heran. Man bekommt sofort Angst, dass es kentert. Ist das erlaubt? 

Nele Matz-Lück: Der aggressive Fahrstil der Küstenwache schockiert mich. Man darf Schiffe abdrängen, die der Aufforderung zum Stoppen nicht nachkommen, aber man darf das Boot und das Leben der Besatzung nicht in Gefahr bringen. 

Und das ist hier der Fall?

Ich denke schon. Wobei die Situation schwierig ist. Wir verlangen von der Türkei, dass sie ihre Grenze sichert. Die EU fordert, dass die Türkei die Boote aufhält, die nach Griechenland wollen. Aber der Einsatz der Mittel zur Durchsetzung muss immer verhältnismäßig sein. Und in dem Moment, in dem man das Leben von Flüchtlingen in Gefahr bringt, ist eine Grenze überschritten. Gleichzeitig müssen Flüchtlinge, die in einem Boot sitzen und von der Polizei aufgehalten werden, dieser Forderung eigentlich auch nachkommen. Das wollen die Flüchtlinge natürlich nicht, sie wollen ja nicht auf das türkische Festland zurück. Daraus ergibt sich ein grundlegender Konflikt, bei dem zwei Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden müssen. 

Welche sind das? 

Gegen das illegale Übertreten von Grenzen darf die Polizei vorgehen, zur Not natürlich auch mit drastischen Mitteln. Auf der anderen Seite stehen Menschenleben. Und die müssen immer den höheren Stellenwert haben. Nach allgemeinem Völkerrecht und Menschenrechtsverträgen ist es auf keinen Fall verhältnismäßig, das Leben der Menschen zu gefährden, um sie am Grenzübertritt zu hindern. 

Liegt also eine Menschenrechtsverletzung vor? 

Das lässt sich aus dem, was wir in diesem Video sehen, nicht sagen. Dafür erkennt man zu wenig. Meiner Meinung nach verhält sich die Grenzpolizei aber auf jeden Fall unprofessionell.

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Illustration: Julia Schubert

Wie sieht es mit dem Einsatz von Schlagstöcken aus? 

Auch den halte ich für ungewöhnlich. Und es ist schwer einzuschätzen, ob die Personen, die mit den Stöcken nach dem Boot schlagen, wirklich nur den Motor treffen wollten, wie in der Regel argumentiert wird. Oder ob sie auch in Kauf genommen haben, dass Personen verletzt werden. Das müsste man in die Bewertung auf jeden Fall mit einbeziehen.

 

Im Video wird gesagt, dass sich die Verfolgung bis in griechische Gewässer fortzieht. 

Eigentlich darf sich die türkische Grenzpolizei nur in türkischen Gewässern aufhalten, denn jeder Staat darf nur in seinem Gebiet Hoheitsgewalt ausüben. Es ist erlaubt, jemanden auf hoher See weiter zu verfolgen,  der sich in den eigenen Gewässern strafbar gemacht hat. Das ist hier aber nicht der Fall. Wenn die türkische Küstenwache also tatsächlich in griechische Gewässer vorgedrungen ist, um Boote zu stoppen, dann dürfte Griechenland dagegen protestieren. Wenn das nicht passiert, wird es stillschweigend zugelassen. Erlaubt wäre das Agieren auf griechischer Seite auch dann, wenn es eine Vereinbarung zwischen den beiden Staaten gäbe, was ich aber bezweifle.

 

 

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