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Wir wollen immer perfektionistischer sein

Foto: photocase.de/suschaa

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Die beiden Psychologen Thomas Curran und Andrew Hill aus England haben Antworten auf einen Fragebogen unter mehr als 41 600 Studierenden aus den USA, Kanada und Großbritannien ausgewertet: von 1980 bis heute. Die Fragen zielten auf drei Varianten von Perfektionismus: den Anspruch an sich selbst, perfekt sein zu müssen. Auf das Gefühl, andere würden Perfektion erwarten – und umgekehrt die Erwartung, andere müssten (ebenso) perfekt sein. Das Ergebnis war eindeutig: Studenten von heute sind perfektionistischer. Sie denken immer drastischer – in allen drei Kategorien.

Die Erwartungen gegenüber sich selbst liegen bei unserer Generation um zehn Prozent höher als bei den Studenten der vergangenen Jahrzehnte. Der gefühlte soziale Druck stieg um 33 Prozent, Ansprüche gegenüber anderen sind um 16 Prozent gestiegen. Laut den beiden Psychologen ist einer der Gründe dafür der kulturelle Wandel. Amerika, Kanada und England seien individualistischer und materialistischer geworden, junge Menschen würden nun mit starker Konkurrenz, unrealistischeren Erwartungen und ängstlicheren und kontrollierenderen Eltern aufwachsen.

In unserer neoliberalen Gesellschaft werde von jedem Selbstoptimierung erwartet, sagen die Forscher. Unrealistisch hohe Messlatten und Standards seien das Ergebnis – und diese hätten schon unsere Eltern bei der Erziehung stark beeinflusst. Das Scheitern ihrer Kinder würde zugleich ihr eigenes Versagen bedeuten; die Eltern würden die Schuld dafür tragen. Sie würden daher zunehmend ängstlicher, aber auch kontrollierender werden, leistungsorientierter, streng und viel stärker eingreifend, als ihre eigenen Eltern es noch waren.

Steigender Perfektionismus beschäftigt jedoch nicht nur die beiden englischen Forscher. Auch deutschen Psychologen und Forschern fällt zunehmend die Generationskrankheit Perfektionismus auf. Der Soziologe Heinz Bude beispielsweise spricht von einer „Generation Null Fehler“. Junge Menschen fühlten sich erst dann erfolgreich und seien mit sich zufrieden, wenn sie in allen Lebensbereichen perfekt seien, sagte er gegenüber dem Stern. Und auch der Hamburger Psychiater Helmut Peter stellte fest, dass ungesunder Perfektionismus in den vergangenen Jahren zugenommen habe. Im selben Artikel ergänzt er, dass die meisten seiner Burn-Out-Patienten perfektionistisch seien – und dass Perfektionismus auch Angststörungen und Depressionen begünstige.

Eine Beobachtung, die auch Curran und Hill in ihrer Studie hervorheben: Der steigende Perfektionismus stünde in Verbindung zu anderen beunruhigenden Trends: Studien der vergangenen Jahre zeigen, dass auch die Zahl von Ängsten, Neurosen und sozialer Abkopplung bei unserer Generation steigen. „Junge Menschen könnten zunehmend sensibler gegenüber vermeintlichem Druck von außen werden“, sorgen sich die Forscher, „und Schwierigkeiten damit haben, mit ihnen klarzukommen.“

nake

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