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Zwei Geschwister erzählen von ihrer Stammzellenspende
Luisa sitzt ziemlich entspannt in einem Sessel. Zumindest entspannt dafür, dass aus ihrer linken Armbeuge Blut durch einen Schlauch fließt. Er führt zu einer brummenden Maschine, von der ein anderer Schlauch das Blut wieder zurück zu ihrer rechten Hand führt. So sieht eine Stammzellspende aus. Luisa ist 23 und hat sich vor ein paar Jahren bei einer Registrierungsaktion in ihrer Schule als potentielle Spenderin eintragen lassen. Genauso wie ihr zwei Jahre älterer Bruder Max. Nur einer von 100 Menschen, die sich registrieren lassen, wird tatsächlich zur Spende aufgerufen. Das Besondere: Nicht nur Luisa gehört zu diesem einen Prozent, auch Max saß vor zwei Wochen in einem ähnlichen Sessel, ähnlich entspannt, und ließ sein Blut durch die brummende Maschine laufen. Man könnte meinen, das sei gar nicht so unwahrscheinlich, eben weil sie Geschwister sind. Doch sie spenden für unterschiedliche Patienten und somit unabhängig voneinander. Dass beide zum Spenden aufgerufen wurden, hat sie überrascht, aber auch gefreut – und vor allem beruhigt. Vier Tage vor der Spende erzählt Luisa: „Mir macht die Spende noch mal weniger Angst, weil ich sehen konnte, wie es bei Max ablief.“ Man könne sich ja schlecht vorstellen, wie das alles genau funktioniert.
Alle 15 Minuten wird bei einem Menschen in Deutschland Blutkrebs diagonstiziert
In Deutschland wird laut DKMS alle 15 Minuten bei einem Menschen Blutkrebs diagnostiziert. Nicht jede*r braucht dann eine Stammzelltransplantation, meist haben die Patient*innen dann schon eine Chemotherapie hinter sich. Die Stammzellen werden bei der Transplantation injiziert und bilden neue Blutkörperchen. So kann das Immunsystem neu gebildet werden. Bei einem Drittel der Menschen, die eine Transplantation brauchen, findet man laut DKMS Spender*innen in der eigenen Familie. Wichtig ist nämlich, dass die Gewebemerkmale möglichst ähnlich sind. Bei den restlichen zwei Dritteln wird in einer zentralen Datenbank nach passenden Spender*innen gesucht. Ist so jemand gefunden, gibt es zwei Formen der Spende: 81 Prozent spenden so wie Luisa und Max – die Stammzellen werden aus dem Blut entnommen.
Luisa während ihrer Stammzellenspende im Entnahmezentrum Cellex in Köln.
Bei 19 Prozent der Spender*innen entscheidet die Ärztin oder der Arzt, die Stammzellen aus dem Knochenmark unter Vollnarkose zu entnehmen. Das sei zwar etwas aufwendiger, aber trotzdem weniger gefährlich, als viele Menschen denken, erklärt Luisa: „Viele denken, man entnimmt die Stammzellen dem Rückenmark und haben dann gleich die Horrorvorstellung einer Querschnittslähmung.“ Tatsächlich werden die Stammzellen aber dem Knochenmark an der Hüfte entnommen. Auf welche Art gespendet wird, hängt meist von den Blutkrebspatient*innen ab und davon, wie sie die Stammzellen am besten annehmen. Aber auch als Spender*in kann man Wünsche äußern.
Bei der Variante über die Blutentnahme beginnt vier Tage vor der tatsächlichen Spende eine Vorbehandlung. Max erzählt: „Man setzt sich Spritzen in den Bauchspeck, die die Stammzellen vom Blut lösen. Die Spritzen können Nebenwirkungen haben, die einer Grippe entsprechen.“ Er selbst habe kaum etwas gespürt. Lediglich am letzten Tag vor der Spende bekam er etwas Schmerzen im Rücken. Luisa erzählt während ihrer Spende, dass sie ziemlich Angst vor den Spritzen hatte: „Vorher habe ich so was noch nie gemacht. Aber Max´ Freundin studiert Zahnmedizin und hat mir die erste Spritze gesetzt.“ Das Spritzen selbst war also in Ordnung, doch anders als ihr Bruder hatte sie starke Rückenschmerzen und Krämpfe und nahm daher Schmerztabletten. Nach der Spende ging es den beiden dann ziemlich schnell wieder gut, nur in den ersten Stunden danach seien sie etwas schlapp gewesen. Max erzählt, er habe direkt am Tag nach der Spende wieder Sport getrieben.
Jede*r zehnte Patient*in findet keine*n Spender*in
Im Entnahmezentrum Cellex in Köln, in dem Luisa und Max gespendet haben, werden jeden Tag die Stammzellen von ungefähr 20 Personen entnommen. Damit ist das Zentrum nach eigenen Angaben Spitzenreiter, doch auch in anderen Städten in Deutschland kann man spenden. Dennoch findet sich für jede*n zehnte*n Patient*in kein*e Spender*in. Luisa erzählt, dass sie sich wahnsinnig gefreut habe, als sie den Anruf bekam, dass sie in Frage käme. Nachdem in der sogenannten Feintypisierung ihr Blut analysiert worden war, bekam sie allerdings doch eine Absage und war erst mal ziemlich enttäuscht: „Das ist einfach so eine coole Chance, mit wenig Aufwand wirklich viel Gutes zu tun.“ Max bekam kurz danach den Anruf, bei ihm klappe alles, ein Termin wurde festgelegt. Und kurz danach dann wieder der Anruf bei Luisa: Es klappt doch. „Ich war total aufgeregt und überglücklich. Dass wir das zusammen machen können, macht es echt noch besser“, erzählt sie.
Die beiden erfahren nur grobe Daten zu den Patient*innen, für die sie gespendet haben. Geschlecht, Land, grobes Alter. Sie dürfen im Normalfall trotzdem anonym mit ihnen schreiben. Erst nach zwei Jahren können sie dann die Namen voneinander erfahren – wenn beide das wollen. „Ich werde meinem Empfänger schon mal schreiben“, erzählt Max. Es wäre ja interessant zu hören, ob alles geklappt hat. Und auch Luisa hat das vor. Sie werden dann eine E-Mail formulieren, die über die jeweilige Spenderorganisation an die Patient*innen weitergeleitet wird. Wenn der Kontakt über zwei Jahre besteht, könne sie sich auch vorstellen, sich mal zu treffen: „Vielleicht konnten wir mit der Spende das Leben dieser Personen retten. Da würde ich schon gerne wissen, wer das ist.“