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Böhmermann greift rechtes Troll-Netzwerk an

Foto: Screenshot

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He’s back. Und zwar sowas von. Böhmermann hat zum nächsten großen Schlag ausgeholt. Und selten hatte ein Ziel es so verdient wie dieses Mal. Dieser Schlag gilt den rechten Trollen da draußen. Genauer gesagt, den rechten Trollen von „Reconquista Germanica“. 

Übersetzt bedeutet das „Rückeroberung Deutschlands“. So nennt sich ein Netzwerk von Aktivisten im Internet, das seit dem Bundestagswahlkampf 2017 auf der Onlinematte steht. Die Gruppe um den „Anführer“ mit dem Pseudonym Nikolai Alexander organisiert sich über Discord, einer Chat-Anwendung, die hauptsächlich von Gamern genutzt wird und dazu gedacht ist, während des Computerspielens miteinander zu kommunizieren.

Was das Netzwerk „Reconquista Germanica“ macht?

Sie selbst schreiben in ihrem Regelwerk, sie seien „ein satirisches Internetprojekt ohne Bezug zur Wirklichkeit“. Was es aber grob zusammengefasst eher beschreibt: Sie sammeln rechtsradikale Trolle im Netz zusammen, um möglichst viel Hass zu verbreiten gegen Politiker, Institutionen, Medien und Leute wie Böhmermann.

Die diebische Freude ist Böhmermann  schon ins Gesicht geschrieben, als man als Zuschauer noch gar nicht weiß, was er am Ende des Videos, das am Donnerstagabend online ging, raushauen wird.

Erstmal nämlich fasst Böhmermann die Erkenntnisse einer für Funk, das junge Angebot von ARD und ZDF, produzierten Dokumentation zusammen. In  „Lösch Dich: So organisiert ist der Hass im Netz“ hat sich ein Rechercheteam um den Journalisten und Youtuber Rayk Anders in das Troll-Netzwerk „Reconquista Germanica“ eingeschleust.

In der aufwendigen Dokumentation legt das Rechercheteam die Mechanismen und Strategien offen, mit denen das Netzwerk soziale Plattformen mit Hass-Kommentaren und -Memes flutet, rassistische Hetze verbreitet und „Kommandoaktionen“ ausführt, um den „Infokrieg“ um die Meinungshoheit im Internet zu gewinnen. Böhmermann greift zum Beispiel den Ausschnitt aus der Doku auf, in dem das Handbuch von „Reconquista Germanica“ vorgestellt wird. Darin ist festgehalten, wie die Rückeroberung Deutschlands im Netz funktionieren soll. Nicht ohne sich gebührend darüber zu freuen, dass er neben hilfreichen Tipps wie „trolle den Fick aus ihnen heraus“ selbst sogar namentlich im Handbuch genannt wird. Als Regierungslakai. Gleich nach Til Schweiger.

Der Moderator zeigt, wie das Undercover-Bewerbungsgespräch des Doku-Teams bei den Trollen aussah (Einstiegsfragen: „Was bedeutet es für dich, Patriot zu sein“, „Wie stellst du dir Deutschlands Zukunft vor in deinem persönlichen Wunschszenario?“) und wie der Einstieg in das Netzwerk geglückt ist.

AfD-Mitglieder sind offenbar auch involviert

Und dann kommt Böhmermann zur Rolle der AfD bei „Reconquista Germanica“. In der Doku wird vermutet, dass auch Parteimitglieder im Netzwerk dabei sein könnten. Die würden sich aber sicher hinter guten Pseudonymen tarnen! Könnte man meinen –  stimmt aber nicht. Lars Steinke, Vorsitzender der jungen Alternative Niedersachen zum Beispiel,  findet sich ziemlich wahrscheinlich als Mitglied „Lars (Jungpolitiker)“ in dem Netzwerk wieder und gibt in einem Interview mit dem  Journalisten-Team auch zu, sich an Shitstorms auf Twitter beteiligt zu haben. Und es geht noch weiter. Eine Datenanalyse, die Böhmermann vorstellt, zeigt: Von 150 Twitter-Accounts, die laut Böhmermann eindeutig Trollen des „Reconquista“-Netzwerks zuzuordnen sind, sind zwei Drittel mit Twitter-Accounts von AfD-Mitgliedern vernetzt.  

Krasse Rechercheergebnisse, aber bisher ja nur die Zusammenfassung der Arbeit des Funk-Teams. Aber Böhmermann wäre nicht Böhmermann, wenn er da nicht auch noch seine Schippe drauflegen würden: „Weil die deutschen Strafverfolgungsbehörden leider immer noch so langsames Internet haben, sollten zuallererst wir Profi-Satiriker den Amateur-Satirikern von ‚Reconquista Germanica‘ eine Kraft entgegensetzen, mit der sie in Zukunft rechnen müssen“, verkündet er im Video.

Und diese Kraft heißt: „Reconquista Internet“. Böhmermann und sein Team haben ebenfalls einen Discord-Channel angelegt, um wiederum seine eigene Armee zu mobilisieren und das Internet von den rechten Trollen zu befreien. „Wir sind die Wichser, die den Wichsern, die uns den Spaß am Internet verderben, den Spaß am Internet verderben.“

Seine Antrittsrede will Böhmermann auf Discord am 1. Mai um 23:55 Uhr halten. Bis dahin sollen sich alle dort dem „Sturm der Vernunft“ anschließen. Die Einladung zum Discord-Channel gibt’s als Tweet:

Bisher findet man neben einigen Startinstruktionen auf der Seite vor allem den „Reconquista Internet“-Kodex. Punkt 1: Sei kein Höhlenmensch.  

Auf Discord, so kündigt Böhmermann an, könnte er zum Beispiel auch eine Liste der Pseudonyme, Facebook- und Twitter-Accounts der echten „Reconquista Germanica“-Mitglieder veröffentlichen, „mit der ihr dann machen könnt, was ihr wollt: blocken, melden, mit Liebe überschütten“. Vielleicht aber auch eine Liste der gefaketen IP-Adressen der Trolle – möglicherweise wurde diese Liste von seinen „Kameraden“ aber auch schon der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Bundesamt für Verfassungsschutz übergeben, deutet der Moderator an.

Was auch immer hier noch passieren mag: Das will keiner verpassen. Das könnte groß werden. „Reconquista Germanica“-Trolle, ihr solltet zittern, denn Comandante Böhmermann ruft das Gute im Netz zum Gegenschlag auf.

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