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Drei Filmstudentinnen drehen eine Webserie per Videocall

Screenshot: kalekone Film; Bearbeitung: jetzt

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Sophie (Vanessa Eckart) liegt in den Wehen, während ihr Mann Wanja (Dimitrij Schaad)

und Hebamme Ina (Annette Frier) per Videocall zugeschaltet sind. Aber ausgerechnet im wichtigsten Moment gibt es plötzlich technische Probleme. „Geburtshilfe“ heißt diese Episode der neuen Webserie „Curfew Calls“. Die insgesamt 14 Folgen à 3-6 Minuten wurden pandemie-bedingt komplett von zu Hause aus gedreht. Inszeniert wurde dabei nicht nur eine Zoom-Geburt, sondern auch: Vorstellungsgespräch, Yoga-Session, Selbstoptimierungs-Wahnsinn, Kinderbetreuungs-Orga und Sex. Und das alles nicht nur in Form eines Videocalls, sondern auch verschränkt mit verschiedenen Film-Genres: mal lustig, gruslig, dramatisch oder traurig – mal sogar als Musical.

curfew calls stills

Screenshot: kalekone Film; Bearbeitung: jetzt

Das Konzept der Serie stammt von drei Studentinnen der Hochschule für Fernsehen und Film in München, an der schon Doris Dörrie, Wim Wenders und Roland Emmerich das Filmemachen studiert haben. Ähnlich prominent ist auch der Cast von „Curfew Calls“: mit dabei sind unter anderen Juliane Köhler, Lisa Vicari, Louis Hofmann, Vincent Redetzki,  Jeremy Mockridge, Annette Frier und Dimitrij Schaad.

Wir haben mit Spielfilmregie-Studentin Anna Roller (27) gesprochen, die das Projekt gemeinsam mit ihren Kommilitoninnen Lea Neu und Katharina Kolleczek (beide 27) ins Leben gerufen hat:

jetzt: Wie kann man sich einen Filmdreh per Zoom vorstellen? 

Anna Roller: Der größte Unterschied zum normalen Dreh ist, dass man komplett ohne Crew arbeitet. Es waren immer nur Schauspieler und Regie dabei – kein Ton, keine Requisite, keine Kameraassistenz und so weiter. Szenen wieder auf Anfang bringen, Finger ins Bild halten und sagen, welcher Take es ist – das mussten wir alles selbst machen. Wir haben ja dann auch wirklich über Zoom gedreht, also auf Distanz. Ich als Regisseurin war dann erst beim Call mit dabei und habe mich für die Szene vom Bild weggeschaltet, konnte aber noch mitreden und Anweisungen geben. Das war am Anfang schon ein bisschen befremdlich, aber hat doch erstaunlich gut geklappt. Außerdem haben wir – im Gegensatz zu den offiziellen Filmen, die man während des Studiums produziert – kein Budget gehabt. Wir haben lediglich etwas Geld genommen, um mit zwei professionellen Zoom-Accounts zu arbeiten. Das war’s.

„Das war richtig Inception-mäßig“

Wie ist es denn zu „Curfew Calls“ gekommen? 

Eigentlich wären Kathi, Lea und ich jetzt in Italien, um Locations für meinen Abschlussfilm zu scouten, den die beiden produzieren. Das ist natürlich flachgefallen. Trotzdem haben wir weiter daran gearbeitet und jeden Tag um zehn Uhr morgens per Zoom-Videocall konferiert. Da haben die beiden dann irgendwann gesagt: „Alles steht still, wir müssen unbedingt irgendwas Anderes machen – hast du eine Idee, Anna?“. Da war ich erstmal völlig überfordert. Am selben Abend hatte ich dann mit meiner Regie-Klasse ein Zoom-Treffen. Wir haben Wein getrunken und angefangen, mit unseren Handys jemanden anzurufen und dann noch jemand anderen und so weiter. Sodass irgendwann die Handys miteinander telefoniert haben. Das war richtig Inception-mäßig.

Wie meinst du das, eure Handys haben miteinander telefoniert?

Naja, also wir haben zu mehreren telefoniert und dann hat einer von seinem Handy aus weitere Kommilitonen angerufen und der wieder von seinem weiter, bis ich am einen Ende über zwei „Ebenen" mit jemandem am anderen Ende gesprochen hab. Deswegen Inception. Da dachte ich: Daraus müssen wir etwas machen! Also habe ich nachts noch ein Konzept aufgeschrieben: Wie wäre es, wenn man lauter kleine Filmchen machen würde, die alle über Zoom spielen, aber jedes normale Zoom-Gespräch driftet in ein Film-Genre ab?

Welche Genres waren das? 

Horror und Komödie zum Beispiel – und in der letzten Folge sogar ein Musical. Wir wollten eine Kombination aus etwas, das die Leute kurz zum Schmunzeln bringt, aber was auch nicht nur Spaß ist. Uns war es wichtig, breit zu fächern: Also auch gruselige oder traurige Seiten der aktuellen Situation zu zeigen. Uns war schon klar, dass die meisten Filme etwas mit der Corona-Situation zu tun haben werden. Ein Zoom-Gespräch mit der Lehrerin in der ersten Folge oder in der zweiten die Geburt per Zoom – das würde unter normalen Bedingungen nicht passieren.

„Wir wussten, dass gerade viele Schauspieler corona-bedingt mehr Zeit haben“

Ihr habt aber auch einen ganz schön prominenten Cast – mit dabei sind zum Beispiel Annette Frier und Dimitrij Schaad.

Weil es einerseits schnell gehen musste, haben viele von uns Schauspieler gefragt, die sie schon kannten. Wir wussten aber, dass gerade viele Schauspieler corona-bedingt mehr Zeit haben. Also: Jetzt stehen die Chancen höher, mit jemandem zu drehen, der sonst das gesamte Jahr über ausgebucht ist – wie Annette Frier zum Beispiel. Bei den Anfragen hat natürlich auch geholfen, dass wir mit der Aktion hilfdeinemkino.de zusammenarbeiten. Wir wollten also immer zwischen den Folgen mit Posts darauf aufmerksam machen, um uns solidarisch mit den Leuten zu zeigen, die sonst vom Kino leben. Und ich glaube, das hat bei den Schauspielern auch gezogen.

Wie schwierig ist es denn, das mit den begrenzten Möglichkeiten ästhetisch umzusetzen? 

Klar: die Zoom-Ästhetik ist an sich recht grauselig. Allerdings hat zum Glück ein Kamera-Kommilitone, Felix Pflieger, jede Folge betreut. Er hat oft auch wichtige Ideen eingebracht: dass man in meiner Folge „Run Girl Run“ zum Beispiel die Kamera umdreht. Einerseits sind es krasse ästhetische Beschränkungen, anderseits kann man das aber auch nutzen: Bei gruseligeren Filmen kann man mit dem spielen, was man nicht sieht. Und in einer Komödie kann man damit spielen, was neben dem Bildrahmen passiert. Oder dadurch Spannung aufbauen, dass das Bild hängt.

Gibt es denn trotz der schwierigen Bedingungen fürs Filmemachen etwas, das ihr für eure Arbeit aus dieser Erfahrung mitnehmt – oder bleibt das eine ‚geglückte Notlösung’?

Während dieses Filmstudiums dreht man vier Filme, die eine riesengroße Bedeutung für einen haben. Man will unbedingt was Gutes machen. Das ist dadurch aber auch mit viel Druck verbunden. Die Webserie war ein Projekt, wo alle sich mal etwas trauen konnten. Wo sie etwas ausprobieren konnten, das sie sonst nicht gemacht hätten. Dadurch ist eine ganz eigene Energie und Motivation freigesetzt worden. Das können wir, glaube ich, alle mitnehmen.

 

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