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Wo kann ich in Ruhe runterkommen?

Illustration: Lucia Götz

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Immer wenn ich als Kind aus der Schule kam, schmiss ich meinen Schulranzen in die Ecke und schaufelte mir so schnell wie möglich das Mittagessen rein, nur um so schnell wie möglich raus in den Wald laufen zu können. Dort hatte ich mit einer benachbarten Freundin ein Baumhaus gebaut. Besser gesagt – ein paar morsche Holzbretter windschief in eine Baumkrone genagelt.

Was wir da eigentlich genau die ganzen Stunden, Tage, Jahre gemacht haben, kann ich im Nachhinein nicht mal genau sagen. Ich weiß nur, dass wir uns wie die Könige gefühlt haben, während wir auf die höchsten Bäume geklettert sind, feindliche Baumhäuser angriffen oder weiter an unserem Lager herumgebastelt haben. Das Waldstück, an dem wir wohnten, war unser Rückzugsort, wo wir alleine bestimmen und uns vor Erwachsenen, Hausaufgaben und dem Ausräumen der Geschirrspülmaschine verstecken konnten.

Jeder hat so einen Ort an den er fliehen möchte, wenn Verpflichtungen und Alltag einen mal wieder fest im Griff haben. Oft sind diese Plätze nicht mal bewusst gewählt, vielmehr sind sie irgendwann einfach da und wir sind froh darüber, denn sie bieten uns kleine Zufluchten und erlauben einem, die Dinge mit ein bisschen mehr Abstand zu betrachten. Schließlich kann man sich ab einem gewissen Alter nicht mehr den ganzen Tag in seinem Baumhaus vor dem Leben verstecken.

Wenn aber selbst der geheimste und besonderste Rückzugsort einen nicht mehr runter bringt, muss man einfach mal weg. Und wenn es nur für ein Wochenende ist, schreibt Sabine Wagner auf ihrer Website Zenplaces. Dort hat sie Unterkünfte in Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien zusammengesammelt, in denen sie Rückzugsorte und nahezu perfekte Kurzurlaubsziele gefunden hat. Sie will inspirieren und gleichzeitig anderen dabei helfen, zu sich selbst zu finden. Ein Telefonat.

jetzt: Sabine, auf deiner Website schreibst Du, dass ein Ausflug an einen deiner Zenplaces eine lebensverändernde Erfahrung sein kann. Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Sabine Wagner: Ja, da gab es tatsächlich eins: Vor drei Jahren war ich so ziemlich am Tiefpunkt. Mein Architekturbüro und irgendwie einfach alles zu der Zeit liefen nicht gut. Ich wollte nur noch, dass mich alle in Ruhe lassen und am liebsten allein in eine Hütte im Wald. Also hab ich länger recherchiert, schließlich die Gutsalm auf dem Harlachberg gefunden und mich dort vier Tage lang zurückgezogen. Da hab ich endlich innere Ruhe gefunden und hatte Zeit über meine Probleme zu reflektieren. Das war zwar unangenehm, aber hat mich wirklich weitergebracht. Im restlichen Jahr ging es wieder bergauf. Ich glaube, dass es sehr viele Menschen da draußen gibt, die das auch mal bräuchten, ihnen aber so ein Ort fehlt, an dem sie sich darauf einlassen können.

zenplaces
MadamePrive.com/Sabine Wagner

Wie findest Du diese Orte?

Ich habe drei Hauptquellen: Ich recherchiere viel im Internet, was aber eben schwierig ist, weil man da halt oft „nur” normale Pensionen findet, deswegen dauert es oft recht lang, bis man etwas findet. Ansonsten bekomme ich viele Tipps von Lesern und mittlerweile bewerben sich auch Unterkünfte direkt bei mir. Da muss ich aber vielen absagen, weil sie nicht meinen Vorstellungen entsprechen. Ich will schließlich kein Portal sein, mein Anspruch ist es ja besondere Plätze zu finden.

Welche Kriterien muss ein Ort erfüllen, damit er es auf deine Seite schafft?

Generell muss ich länger in einem Objekt bleiben, um alles auf mich wirken zu lassen. Meistens bleibe ich einen kompletten Tag drinnen und erkunde höchstens die nähere Umgebung. Ich suche nach Orten an denen man sich auch ohne Begleitung wohl fühlt. Mich begleitet oft nur mein Hund Anouk. Ich will andere ermutigen, mal alleine weg zu fahren und auf meiner Seite Orte zeigen, die sich dafür besonders gut eignen.

Was sind noch Kriterien?

Weil ich eigentlich Innenarchitektin bin, achte ich auch genau auf Ästhetik: die meisten Objekte sind schlicht und modern eingerichtet, ich finde, dass es leichter ist sich zu entspannen, wenn die Umgebung einer klaren Linie folgt. Aber wenn man merkt, dass die Betreiber Zeit und Mühe investiert haben, es liebe-, stilvoll und authentisch eingerichtet ist, ist mir das meistens noch wichtiger. Man muss sich einfach wohlfühlen. Die meisten Zenplaces liegen eher abgeschieden. Das liegt daran, dass ich viel wert Wert auf die unmittelbare Nähe zur Natur lege und die Unterkünfte deswegen nicht Teil eines Komplexes, sondern alleinstehend sein sollen. Hütten im Wald eben.

 

Was genau bedeutet die Natur für Dich persönlich?

Für mich ist sie der schnellste Weg um zur Ruhe zu kommen, sie entschleunigt und heilt. Dank meinem Hund bin ich auch wirklich jeden Tag draußen unterwegs.

 

Auf deiner Website steht auch, dass Du eigentlich schon immer auf der Suche nach dem perfekten Ort warst. Hast Du den mittlerweile gefunden?

Vielleicht gibt es den gar nicht, das ist eher eine abstrakte Vorstellung. Jeder Ort auf meiner Seite kommt schon sehr nah an einen perfekten Ort ran, das ist natürlich sehr subjektiv und hängt oft auch von den Leuten ab, die man dort trifft. Aber die Suche nach diesem einen Ort treibt mich an und motiviert mich, noch mehr Orte zu finden, die dem sehr nahe kommen. Ich finde die Vielfalt einfach großartig und die Suche hält mich neugierig. Außerdem, wenn ich den perfekten Ort schon gefunden hätte, müsste ich ja gar nicht mehr weitermachen.

 

 

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