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Horror-Mitfahrgelegenheit: Der Fremdgeher und die Paartherapeutin

Illustration: jetzt

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Die Strecke: von München nach Köln

Die Mitfahrer*innen: Fahrer Karl und Mitfahrerin Laura

Die Horror-Stufe: 5 von 10

Kaum bin ich zu meiner Mitfahrgelegenheit ins Auto gestiegen, da dreht sich der Fahrer Karl auch schon zu mir auf der Rückbank um und fordert mich auf zu raten, welchem Beruf seine Beifahrerin Laura wohl nachgeht. Zwar kennt Karl die ebenfalls allein reisende Laura nur ein paar Minuten länger als ich, er hat sich in der Zeit aber anscheinend schon einen Wissensvorsprung erarbeitet. Und so kann das „lustige Ratespiel“ beginnen. In den kommenden Minuten entsteht eine unangenehme Stille im Auto, einzig unterbrochen von meinen halbherzigen Berufsvorschlägen. Da ich aber weder mit „Ärztin“, „Lehrerin“ oder „Polizistin“ richtig liege, erbarmt sich Karl schließlich und verrät mir die Antwort.

Laura läuft auf der Stelle, wird schneller, reißt die Arme hoch und schreit: „Uuuaaah, uuuaaah!“

„Sie ist Paartherapeutin“, freut er sich und möchte dann auch gleich ein paar Ratschläge von ihr bekommen, denn mit seiner langjährigen Freundin und Mitbewohnerin laufe es gerade nicht so richtig. Man mache nicht mehr viel zusammen, streite sich häufig und überhaupt seien von seiner Seite aus die Gefühle nicht mehr so da. Und schon sind Karl und Laura in ein „Therapiegespräch“ vertieft.

Ich will eigentlich nicht, bekomme aber doch alles mit. Und so erfahre ich, dass es angeblich fünf verschiedene Sprachen der Liebe gibt, zu denen unter anderem Lob, Anerkennung und Zärtlichkeiten gehören. Karls Freundin sind viele Komplimente wichtig, er achtet in der Beziehung eher auf profanere Dinge. „Sie macht viel im Haushalt und teilt mit mir ihr Geld, wenn es bei mir finanziell mal nicht so gut läuft“, beschreibt Karl sein Ideal einer Partnerin und offenbart damit auch gleich sein Rollenbild.

Da kann auch Laura nicht wirklich weiterhelfen, zumal Karl mit der Beziehung eigentlich schon abgeschlossen hat, wie er behauptet. In einer Dating-App habe er Larissa aus Bremen kennengelernt. Und weil die ihn und seine „sensible Seite“ besser verstehe, wolle er sie am kommenden Wochenende auch mal besuchen. Seiner Freundin will er davon natürlich nichts erzählen, die werde dann schon merken, dass es mit der Beziehung vorbei sei. Schon bei seinen letzten beiden Freundinnen sei die Beziehung letztlich damit beendet worden, dass er fremdging, gibt Karl noch zu. 

Da wir mittlerweile irgendwo hinter Augsburg und alle hungrig sind, steuern wir schließlich einen Rastplatz an. Es könnte nach ein paar Minuten Pause weitergehen, aber Laura hat vorher noch eine Entspannungsübung für uns. Sie läuft auf der Stelle, wird immer schneller, reißt schließlich die Arme hoch und schreit laut: „Uuuaaah, uuuaaah!“ Dann fordert sie uns auf, mitzumachen.

„Ich hatte richtige Bilder im Kopf und es wurde schon eng hinter dem Steuer“, erzählt er

Wir schauen uns gegenseitig an und sind nicht wirklich begeistert, wollen Laura aber auch nicht alleine dastehen lassen. Und so tönt es kurz darauf in dreifacher Ausführung „uuuaaah, uuuaaah“ über den fast leeren Parkplatz. Ein einzelnes Auto hält kurz auf uns zu und fährt dann doch lieber schnell vorbei. Ich überlege hinterherzurennen und zu fragen, ob sie nicht auch zufällig nach Köln fahren. Oder Hamburg. Oder Berlin. Einfach nur weit weg.

Stattdessen sitze ich dann aber wieder mit meinen Reisebegleitern im Auto und höre Laura zu, wie sie davon erzählt, dass sie auch Ganzkörpermassagen anbietet. Für Karl erneut ein spannendes Thema, denn er kann sich darunter nur Massagen mit „Happy End“ vorstellen. „Wenn deine Kunden dann nackt sind und ganz entspannt, machst du die dann glücklich? Also hilfst du dann weiter nach mit der Entspannung?“, hakt Karl auf so verklemmte Art und Weise und mit so komplizierten Umschreibungen immer weiter nach, dass ich froh bin, als endlich das Thema gewechselt wird. „Das ist wahrscheinlich besser so“, gibt Karl zu, denn ihm „wurde hier gerade schon ganz heiß“. 

Das Thema beschäftigt Karl aber weiterhin, auch als wir Laura schließlich in Frankfurt abgesetzt haben. „Ich hatte richtige Bilder im Kopf und es wurde schon eng hinter dem Steuer“, erzählt er und setzt damit bei mir ein unangenehmes Kopfkino in Gang. Auf der restlichen Strecke überlegt er dann schließlich laut, ob er bei Laura nicht auch mal eine Massage buchen soll.

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