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America first, Germany second

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Jan Böhmermann verteidigt seinen Titel - zum zweiten Mal in Folge hat er den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Unterhaltung Late Night" gewonnen. "Wir widmen den Preis der Rechtschutzversicherung des ZDF", sagte er bei seiner Dankesrede in Anspielung auf die Staatsaffäre, die er mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ausgelöst hatte. Gleichzeitig wurde die erste Folge seiner Satire-Show Neo Magazin Royale im Jahr 2017 ausgestrahlt. Das Niveau, mit dem Böhmermann den Preis gewonnen hat, kann sie allerdings nicht halten.

„Ich kann nur lustig“, zitiert Böhmermann da erstmal kopfschüttelnd aus offenbar fiesen Tweets über sich. Schlechte Stimmung herrsche da bei Twitter, also müsse er der Welt das geben, was sie jetzt braucht: Ein lustiges Internet-Video. Ist aber dann gar nicht mal sooo lustig das Video, Böhmermann singt halt mit seinem neuen Rundfunk-Tanzorchester ein Lied mit dem Refrain „Boys don’t cry“.

Unter der Woche hatte er sich erst selbst als „Doktor“ Jan Böhmermann und dann die aktuelle Weltlage als „höchst politisch unsicher“ bezeichnet – weil nach dem Rücktritt von Vizekanzler Sigmar Gabriel in Deutschland aktuell „ein Machtvakuum von der Größe des Appetits von Peter Altmaier“ herrsche. Das erzählte Böhmermann in seiner so betitelten Staffelansprache.

In seiner sendungslosen Zeit hatte er sich zuletzt häufiger politisch geäußert, hatte die Einreise-Verbote, die US-Präsident Donald Trump beschlossen hat, in einem Facebook-Post als „rassistische Willkür“, als „unmenschlich“ und „Unrecht“ bezeichnet. Während seine Sendung Pause hatte, postete und twitterte Böhmermann sehr oft über und gegen Trump. Das bescherte ihm die er-kann-nur-lustig-Tweets. Trotzdem clever von Böhmermann, schafft ja natürlich Aufmerksamkeit und Interesse für seine Show. Wirft aber auch die Frage auf: Was fällt Böhmermann in der Show ein, um mit besagtem Machtvakuum und dem Trump-Unrecht umzugehen? Und die zweite wichtige Frage, jetzt wo es wieder losging: Wer ersetzt seinen musikalischen Sidekick Dendemann?

Letztere wurde schnell geklärt, Böhmermann lässt sich von nun an offenbar dauerhaft vom „ersten neugegründeten Rundfunk-Orchester im deutschen Fernsehen seit 52 Jahren“ (sagt er selbst) musikalisch begleiten.

Auf das angebliche deutsche Machtvakuum geht er nur kurz ein, Böhmermann widmet seine insgesamt 66. Sendung fast durchgängig dem neuen Präsidenten der USA. „Ist Donald Trump ein Thema?“, fragt er zunächst – und fängt dann an zu klatschen. „Riesengratulation! Der schafft richtig was weg!“, ruft Böhmermann. Natürlich ironisch.

Ernster wird er, als er über ein virales Video aus den Niederlanden spricht. Da hatte eine Late Night Show einen Clip gedreht, in dem die Vorzüge des Landes gepriesen werden. Als Willkommens-Gruß in die USA, wo Trump ja gleich erklärte: „America first!“ Die niederländischen Fernsehmacher hatten daraufhin gebeten, die Niederlande dann doch bitte an zweiter Stelle folgen zu lassen.

 „Germany has FKK! Pussies everywhere!“

Böhmermann lässt das nicht auf sich sitzen. Er will „Deutschland second!“ verwirklichen und zeigt seinen eigenen, dem niederländischen Video nachempfundenen Clip. „America has KKK“, heißt es darin zum Beispiel. „Germany has FKK! Pussies everywhere!“

Der kontinentalen Gerechtigkeit halber soll aber doch jedes europäische Land die Chance bekommen, sich als Nummer zwei hinter Amerika zu bewerben. Böhmermann ruft einen Wettbewerb der „besten Late-Night-Shows außerhalb der USA“ aus, jede werde von nun an ihr eigenes Video veröffentlichen. Elf Shows und Länder seien schon dabei, weitere angefragt. Die Ergebnisse gibt es auf everysecondcounts.eu zu sehen.

Und dann, kurz bevor Studiogast Kollegah reinkommt, gibt es diesen einen Moment, der auf den nächsten großen Aufreger hoffen lässt, auf die nächste Staatsaffäre nach dem Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Böhmermann kündigt „another insult“ an – doch es folgt kein Wutausbruch wie in seinem Post auf Facebook. Nicht mal ein Altmaierhafter Vergleich. Er sagt einfach: „Donald Trump, you have very small hands!“ Vielleicht ist das ein gewollter Antiklimax. Aber fernsehpreis-würdig ist es nicht. Beleidigen konnte Böhmermann schon mal lustiger.

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