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630 Euro brutto für den Lederhosenmacher in Ausbildung

Foto: privat; Illustration: jetzt

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Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

Im ersten Moment fragen alle immer ungläubig: „Was lernst du?!“ Den Begriff „Säckler“ kennt einfach keiner mehr. Ich sage deshalb meistens einfach „Lederhosenmacher“, damit können alle etwas anfangen und finden das dann ziemlich cool.

Die Motivation

Bei meinem alten Job als Werkzeugmechaniker war mir eigentlich von Anfang an klar, dass ich das nicht auf Dauer machen möchte. Nicht, weil es mir keinen Spaß gemacht hätte, ganz im Gegenteil, aber es war sehr oft dieselbe Arbeit und man stand immer unter Zeitdruck. Ich wollte irgendetwas machen, das mehr in eine künstlerische Richtung geht. An einer Sache arbeiten, bei der ich am Ende ein Ergebnis in den Händen halte. Es sollte aber kein Beruf sein, den es schon zigmal gibt, sondern etwas Außergewöhnliches. Mein erster Gedanke war eine Ausbildung zum Schuhmacher für Haferlschuhe – oder eben eine Ausbildung zum Säckler.

Der Weg

Ich habe zuerst eine Lehre zum Industriemechaniker gemacht und dann zwei Jahre als Werkzeugmechaniker gearbeitet. Nach der Lehre habe ich mir eine Lederhose machen lassen. Ich bin in dem Trachtengeschäft mit dem Verkäufer ins Gespräch gekommen und er meinte zu mir, dass es hier bei uns im Allgäu keinen einzigen gelernten Säckler mehr gibt. Dieses Gespräch ist mir im Hinterkopf geblieben. Über fünf verschiedene Ecken und nach einem Dreivierteljahr Suche habe ich dann einen Praktikumsplatz in einem Trachtenhaus mit eigener Werkstatt ergattert. Die Arbeit dort hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Leider war die einzige Lehrstelle in dem Betrieb besetzt. Auch bei anderen Trachtenhäusern hatte ich keinen Erfolg. Nach einem Dreivierteljahr erhielt ich dann die Nachricht, dass der Lehrling bei meinem Praktikumsanbieter fertig war und ich seine Nachfolge antreten könnte. Meinen Job als Werkzeugmechaniker habe ich dafür dann aufgegeben.

Die Wirklichkeit

Das Erste, was man als Säckler-Azubi lernt, sind die Handnähte, also das Nähen von Hand, beispielsweise wenn man das Futter in die Hose einnäht oder Leder auf Leder näht. Mich hat besonders gefreut, dass ich so von Beginn an ein bisschen an den Lederhosen mitarbeiten durfte. Natürlich hat mir dabei aber immer jemand über die Schulter geschaut. Mittlerweile darf ich schon ziemlich eigenständig arbeiten. Als Säckler-Azubi lernt man immer einen Arbeitsschritt nach dem nächsten, bis man die Lederhose am Ende komplett eigenständig anfertigen kann. Das Zubehör für die Hose, wie Taschen oder den Bund, nähe ich schon selbstständig. Jetzt im zweiten Lehrjahr lerne ich zum Beispiel, wie ich das rechte und linke Hosenbein richtig zusammennähe. Auch das Sticken übe ich immer wieder, wenn ich zwischendurch etwas Luft habe. Ich frage zwischendurch aber trotzdem lieber zweimal nach, damit nichts schief geht. Schließlich wartet der Kunde auf seine Hose.

Wir stellen im Jahr etwa 70 bis 75 Lederhosen her. Die Wartezeit in unserer Werkstatt beträgt aktuell etwa ein Jahr, es gibt also immer sehr viel zu tun. Wenn sich ein Kunde bei uns meldet, vereinbart der Chef einen Termin für ein Jahr im Voraus. Der Kunde sucht sich alles aus, wie er seine Lederhose gerne hätte und kommt dann drei bis vier Monate vor Lieferzeitpunkt zum Anmessen zu uns. Menschen verändern sich ständig, ob in die Länge oder in die Breite. Durch diesen Termin können wir einfach sicherstellen, dass die Lederhose dem Kunden dann auch wirklich perfekt passt! Insgesamt ist man circa 35 bis 40 Stunden an einer Hose beschäftigt. Das schafft aber auch nur ein Geselle, der das Handwerk wirklich beherrscht. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Hose komplett alleine anfertigen. Preislich kommt es ganz darauf an, wie aufwendig die Stickerei auf der Lederhose ist oder ob der Kunde irgendwelche Sonderwünsche hat. Die meisten handgemachten Hosen fangen bei uns bei 1200 Euro an und gehen bis zu 1700 Euro. Bei ausgefallenen Wünschen kann es aber auch mal bis 2000 Euro gehen. Ich persönlich komme noch jeden Tag in Jeans zur Arbeit, mein Chef hat mir aber schon zugesichert, dass ich mir zur Übung selbst eine Hose anfertigen darf, sobald ich alle Arbeitsschritte gut beherrsche. Die würde ich dann auf jeden Fall jeden Tag zur Arbeit tragen.

 

Die Herausforderungen

Man braucht als Säckler handwerkliches Geschick, sehr viel Geduld und ein gewisses Vorstellungsvermögen. Wir sind meistens in der Werkstatt und sitzen sehr viel, insbesondere an der Nähmaschine, mit der man sehr gut umgehen können sollte. Jeder Stich muss sitzen. Neben der schweren Arbeit ist die größte Herausforderung aber eigentlich die, dass es den Säckler so als klassischen Ausbildungsberuf einfach kaum mehr gibt. Ich habe ja auch schon sehr lange suchen müssen, obwohl ich wusste, dass er eigentlich noch existiert. Das ist irgendwie untergegangen. Warum das so ist, kann ich mir auch nicht richtig erklären. Es könnte sein, dass die Werkstätten für ihr Handwerk keine richtige Werbung mehr machen.

Die Zukunft

Deutschlandweit gibt es, soweit ich weiß, noch rund zwanzig Betriebe, die das Säcklerhandwerk betreiben. Es gibt sehr wenige Lehrlinge für den Beruf, weil es eben auch so wenige Ausbildungsbetriebe gibt. Dabei gibt es grundsätzlich schon eine Nachfrage nach maßgeschneiderten Lederhosen. Ich denke, dass der Kunde in der heutigen Zeit wieder mehr Wert auf ein handwerklich hochwertiges Einzelstück legt. Aussterben wird das Handwerk deshalb meiner Meinung nach nie. Es wird immer Leute geben, die Wert darauf legen, etwas Handgemachtes zu tragen oder sich einfach der Tradition verbunden fühlen. Gerade in den ganzen Trachtenvereinen und den Musikkapellen. Wenn also das Vereinsleben in Bayern nicht ausstirbt, stirbt auch das Säckler-Handwerk aus. Eine Lederhose gehört einfach zu Bayern dazu.

Das Geld

Ich bin gerade im zweiten Ausbildungsjahr und verdiene 630 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Das sind zumindest schon mal 85 Euro mehr als im Jahr zuvor. Im dritten Ausbildungsjahr gibt es dann eine Erhöhung auf 730 Euro brutto. Im Handwerk allgemein sind es, glaube ich, vor allem die Arbeitszeiten und der Verdienst, der vielen nicht sonderlich rosig erscheint. Wenn ich nicht zuvor bereits zwei Jahre gearbeitet und das Geld gespart hätte, könnte ich mir diese Ausbildung vielleicht gar nicht leisten. Bei einem besseren Lohn würden sich möglicherweise mehr junge Leute für eine solche Ausbildung entscheiden. Auch wenn es eine körperlich anstrengende Arbeit ist.

Das Ziel

Ich möchte nach meiner Lehre auf jeden Fall wieder zurück in meine Heimat, ein 50-Seelen-Dorf im Oberallgäu, und dort dann versuchen, mir selbst etwas aufzubauen. Möglicherweise mache ich noch einen Meister, aber dann möchte ich ein eigenes Trachtengeschäft oder zumindest eine eigene Werkstatt aufmachen.

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