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Gehalt: Was verdient eine Schwangerschaftsberaterin
Kelsey berät Klient:innen zu Familienplanung und Schwangerschaftskonflikten. Überrascht hat sie anfangs, wie vielseitig ihr Team ist und dass es weniger Krisen gibt als gedacht. Sie kam über ein Praktikum während ihres Studiums zur Schwangerschaftsberatung und blieb. Seit der Geburt ihres Kindes ist sie in Elternzeit und arbeitet nur noch 19,5 statt knapp 30 Stunden in der Woche.
Was ich als Schwangerschaftsberaterin mache
„Ich arbeite als Beraterin zum Thema Schwangerschaft – unter anderem Schwangerschaftskonflikte und Schwangerschaftsabbruch. Zu mir kommen Menschen, die ungeplant schwanger sind. Manche sind unsicher, was sie tun möchten, andere haben sich schon für den Abbruch entschieden. Außerdem berate ich zu finanziellen und rechtlichen Aspekten rund um Elternschaft. Das sind Themen wie Mutterschutz, Elterngeld und Sozialhilfen wie Bürgergeld. Ich zeige auch Möglichkeiten auf, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen oder eine Wohnung zu finden. Insgesamt versuche ich in der Beratung zusammenzuführen, welche Ansprüche und Rechte meine Klient:innen haben. Ich informiere, bearbeite aber selbst keine Anträge.
Darüber hinaus betreue ich vertrauliche Geburten. Das ist eine gesetzlich geregelte Möglichkeit, wenn eine Person die ungeplante Schwangerschaft geheim austragen und das Baby zur Adoption freigeben möchte. Der Name der Mutter taucht in den Adoptionsakten nicht auf und ihr Umfeld muss nichts von der Schwangerschaft erfahren. Sie muss ihren Namen nur mir verraten. Ich lasse ihn beim Bundesministerium für Familie eintragen und koordiniere alles mit den Behörden. So kann das Kind nach 16 Jahren die Identität seiner leiblichen Mutter erfahren. Wenn die Frau möchte, begleite ich sie zu Krankenhausterminen.“
Was der Job mit meinem Privatleben macht
„Ich arbeite zum Thema reproduktive Gerechtigkeit. Privat tausche ich mich auch viel über feministische Themen aus. Mein Umfeld ist da sehr interessiert und teilt meine Einstellung.
Wenn ich neuen Bekanntschaften von meinem Beruf erzähle, überrascht sie häufig die Gesetzeslage. Auch politische Menschen wissen oft nicht, dass der Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 218 StGB eine Straftat ist, die nur unter bestimmten Umständen straffrei bleibt. Unter anderem, wenn die schwangere Person sich im Vorfeld bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle, zum Beispiel bei uns, beraten lässt. Da steige ich im Gespräch mit Fremden manchmal richtig tief ein. Es wird schnell politisch, nur weil ich erzähle, was ich arbeite.“
Wie mein Arbeitsalltag aussieht
„Ich mache vor allem zuvor vereinbarte Beratungstermine und beginne damit um 9 Uhr. Mittwochs haben wir außerdem Teamsitzung. Wir treffen uns und besprechen, wie die letzte Woche gelaufen ist und was nächste Woche passiert. Etwa einmal im Monat haben wir eine Supervision, in der wir konkret über aktuell anspruchsvolle Beratungsfälle sprechen.“
Wer zu mir in die Beratung kommt
„Wenn eine schwangere Person einen Abbruch möchte, muss sie selbst in die Beratung kommen. Zur Unterstützung kann die Betroffene mitnehmen, wen sie möchte: Freund:innen, Familie oder Partner:in. Auch Männer, deren Partnerinnen ungeplant schwanger sind, melden sich, um die eigenen Gefühle und Gedanken zu sortieren. Wir beraten auch zu Sexualität, Verhütung oder Kinderwunsch. Da kommen auch Paare in die Beratung – und zwar in allen möglichen Konstellationen. Das müssen nicht ein Mann und eine Frau sein.“
Worauf ich in der Beratung achte
„Schweigepflicht und Freiwilligkeit sind in der Beratung am wichtigsten. Durch die Gesetzeslage kommen nicht alle Menschen freiwillig zu mir. Aber wenn sie schon hier landen, müssen sie zumindest nicht mehr erzählen als sie wollen. Es gibt keine Mitwirkungspflicht für die Klient:in.
Außerdem achte ich darauf, dass alle Fragen beantwortet werden, dass Raum für Gedanken und Gefühle da ist und dass alle Seiten beleuchtet werden können. Was passiert bei einem Abbruch? Und was wäre, wenn man schwanger bleibt? Wir bemühen uns auch um eine niederschwellige Beratung. Zwei unserer drei Hamburger Beratungsstellen sind barrierearm. Ich versuche außerdem für jede Sprache Beratungen anzubieten und organisiere für Termine eine:n Sprachmittler:in.“
Welche Fragen mir auf Partys gestellt werden
„Manchmal werde ich gefragt, ob man bei uns Verhütungsmittel bekommt. Und ja, bei Menschen mit wenig Einkommen können wir die Kosten übernehmen. Viele Leute finden cool, was ich arbeite, und haben Respekt davor. Am häufigsten fragen Leute, ob mein Job nicht belastend ist. Das ist er nicht. Es gibt anstrengende Fälle und ich bin froh, dass ich die mit dem Team und in der Supervision bespreche. Ein Abbruch bedeutet aber nicht für alle Betroffenen immer eine Krise. Und andere freuen sich über eine ungeplante Schwangerschaft und wollen nur über Finanzielles reden. Das kann auch Spaß machen.
Mich belastet vor allem die Gesetzeslage und dass sich eine Frau 2024 für ihre Entscheidung rechtfertigen muss. Auch vertrauliche Geburten berühren mich sehr. Meiner Erfahrung nach ist bei diesen Fällen oft männliche Gewalt im Spiel.“
Welche Eigenschaften für meinen Job wichtig sind
„Empathie, Respekt, die Fähigkeit, objektiv zu sein. Insgesamt ist ein Menschenbild wichtig, das Leuten zugesteht, dass sie valide Gründe für ihr Handeln haben. Man sollte teamfähig sein und bereit, Neues zu lernen. Der Job erfordert auch Flexibilität, wenn jemand spontan auftaucht. Und wenn eine vertrauliche Geburt ansteht, muss ich alle anderen Termine absagen. Das geht vor.“
Vorstellung vs. Realität
„Ich dachte, ich würde mehr Krisen erleben. Natürlich gibt es heftige Schicksale. Aber vor dem Praktikum dachte ich, dass Schwangerschaftsabbruch immer ein ‚deepes‘ Thema ist. Das ist Quatsch. Jede Person und jede Geschichte sind anders.
Außerdem war ich überrascht, wie vielseitig das Team ist. Hier arbeiten Sexualpädagog:innen, Ärzt:innen, Psycholog:innen und beraten zu unterschiedlichsten Themen. Die Mediziner:innen helfen zum Beispiel bei Fragen zu Kinderwunsch und Pränataldiagnostik. Wir sind auch Anlaufstelle für Krisen nach Tot- oder Fehlgeburt.“
Wie ich in den Job gekommen bin
„Ich habe einen Bachelor in Sozialer Arbeit gemacht. Während des Studiums habe ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber ein sechsmonatiges Praktikum in der Beratung absolviert. Davor habe ich in der Gastro gejobbt. Durch das Praktikum bin ich zum ersten Mal beruflich in die soziale Arbeit eingetaucht. Anschließend habe ich dort immer mal wieder Honorartätigkeiten übernommen – im Erstkontakt und in der Verwaltung. Richtig in die Beratung eingestiegen bin ich als Elternzeitvertretung. Vor etwa drei Jahren habe ich meinen festen Vertrag als Schwangerschaftsberaterin unterschrieben.“
Wie viel ich verdiene
„Da fast alle Stellen bei uns die Sozialbehörde bezahlt, entspricht unser Gehalt den Tarifverträgen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Wir erfüllen einen gesetzlichen Auftrag. Große Gehaltssprünge und Beförderungen gibt es deshalb nicht. Die Bezahlung wird nach Erfahrungsstufen angepasst. Ich befinde mich in Stufe Zwei und bin momentan in Elternzeit. Meine Arbeitszeit ist auf 19,5 Stunden reduziert und ich bekomme ein Bruttogehalt von 1970 Euro. Davor habe ich knapp 30 Stunden die Woche gearbeitet und 2734 Euro verdient.“