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Gehalt: Wie viel verdient eine Ghostwriterin für Uni-Arbeiten?
Wie ich Ghostwriterin wurde
Ich habe während meines Masterstudiums mit dem Ghostwriting angefangen. Jemand aus meiner Familie hat halb im Ernst gefragt, ob ich nicht seine Bachelorarbeit für ihn schreiben könnte. Ich konnte mir vorstellen, das mal auszuprobieren. Und nachdem das gut geklappt hatte, war ich offen für weitere Aufträge. Die meisten kamen über Ebay Kleinanzeigen oder ein vergleichbares österreichisches Portal. Da stellen Leute Inserate ein, geben ihre Fachbereiche an und beschreiben kurz ihr Thema. Wenn mich das Thema interessiert hat, bin ich mit den Leuten in Kontakt getreten. Und natürlich konnte ich das Geld als Studentin auch gut gebrauchen. Ich wusste, dass Schreiben etwas ist, das mir leicht fällt. Durch mein Studium hatte ich die Möglichkeit, das wissenschaftliche Handwerk zu erlernen – recherchieren, korrekt zitieren, Texte verfassen. Und es hat mir auch Spaß gemacht.
Ich hatte dabei nie ein schlechtes Gewissen. Natürlich ist Ghostwriting eine Grauzone. Aber ich persönlich mache ja nichts Falsches, solange ich korrekt wissenschaftlich arbeite. Nur derjenige, der die Eidesstattliche Erklärung unterzeichnet und meine Arbeit als sein Werk ausgibt, macht sich strafbar (Anm. d. Red.: Gibt man die Arbeit eines Ghostwriters als seine eigene aus, ist das ein Verstoß gegen das Urheberrecht und gegen die Universitäts- bzw. Hochschulverordnung und somit strafbar. Das gilt allerdings nicht für den Ghostwriter selbst). Ich habe mich immer sehr sicher gefühlt. Und meines Wissens nach hat das auch nie jemand bemerkt.
Wie der Arbeitsalltag einer Ghostwriterin aussieht
Die Kommunikation fand entweder über E-Mail, persönlich oder telefonisch statt. Die Leute haben mir komplett freie Hand gelassen. Das fand ich sehr angenehm, denn nur so konnte ich schnell und effizient arbeiten. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich gute Arbeit abliefere, deshalb habe ich kein ständiges Feedback erwartet. Ich habe mit den Kunden immer nur Zwischenziele vereinbart. Ich spreche in der Vergangenheit, weil ich vergangenes Jahr vorerst mit dem Ghostwriting aufgehört habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon einen normalen Nine-to-five-Job, das wurde irgendwann ein bisschen zu stressig. Ich schließe allerdings nicht aus, dass sich in Zukunft nochmal etwas ergeben könnte.
Ich fand es jedenfalls immer ganz interessant, wie viel Vertrauen bei den Kunden herrscht. Es wollte nie jemand einen Beweis für meine Qualifikation sehen, obwohl ich mir vorstellen kann, dass auch ein paar Betrüger unterwegs sind. Alle waren nach einem Telefonat oder nach einem E-Mail-Austausch bereit zu sagen: „Ich gebe dir so und so viel Geld, du schreibst dafür meine Bachelorarbeit.“
Mir haben ein paar Leute gesagt, dass sie sehr zufrieden mit der Arbeit waren, aber das Notenergebnis habe ich nie erhalten. Für mich ist der Auftrag abgeschlossen, wenn ich die Arbeit abgeschickt habe. Die Bewertung ist für mich irrelevant. Ich schreibe die Arbeiten so, dass der Kunde besteht und garantiere nicht, dass er damit eine Eins bekommt.
Ich habe über den Zeitraum von fünf Jahren fünf Bachelorarbeiten und zwei Hausarbeiten für andere Studierende geschrieben. Nur eine Hausarbeit war in dem Fach, das ich selbst studiert habe: Philosophie. Die anderen Arbeiten waren in BWL, Germanistik, Pädagogik und Geschichte, was für mich tatsächlich entspannter war. In der Philosophie bearbeitet man oft sehr komplexe Themenstellungen und Argumente. Mein Studium war also eine gute Schule, gut und schnell verschiedene Sachverhalte zu verstehen. Durchschnittlich hatte ich zwei Monate Zeit für eine Bachelorarbeit. Das war aber sehr unterschiedlich und abhängig von der Deadline. Wenn ich nur zwei Wochen Zeit hatte, habe ich eben nur zwei Wochen gebraucht.
Woher die Nachfrage kommt
Die Kunden haben alle möglichen Gründe dafür, sich Hilfe zu suchen. Und auch Gründe, die ich gut nachvollziehen kann. Eine Person hat zum Beispiel Vollzeit gearbeitet und hatte einfach keine Zeit mehr. Ein anderer Kunde hatte schon fast die ganze Bachelorarbeit geschrieben, sich aber so in der Fragestellung verloren, dass er nicht mehr wusste, wo vorne und hinten ist. Es kann überfordernd sein, so eine Arbeit schreiben zu müssen. Je näher die Deadline rückt, desto größer wird der Druck von außen oder von sich selbst, eine gute Arbeit abliefern zu müssen. Deshalb holen sich viele erst kurz vor der Abgabe Hilfe. Es war glaube ich nie jemand dabei, der einfach keinen Bock hatte.
Es ist schwierig zu sagen, wie viele Leute sich Arbeiten von einem Ghostwriter schreiben lassen. Ich sehe ja immer nur Einzelfälle und kenne keinen prozentualen Anteil derer, die das in Erwägung ziehen. Aber ich denke schon, dass das verbreiteter ist, als man denkt. Es gibt sogar Ghostwriting-Agenturen, es scheint also ziemlich große Nachfrage zu bestehen.
Was ich auf Partys immer gefragt werde
Das ist nichts, was ich auf Partys frei rumerzählen würde. Viele meiner Freunde wissen auch heute noch nicht, dass ich mal als Ghostwriterin gearbeitet habe, meine Familie und einige Freunde wissen aber Bescheid. Ich würde das nicht jedem erzählen, weil es doch einen zwiespältigen Ruf hat. Der Studierende belügt ja die Wissenschaft, indem er eine Arbeit abgibt, die jemand anders geschrieben hat. Das ist nichts, worauf ich besonders stolz bin, aber ich schäme mich auch nicht dafür.
Die meisten, denen ich es erzählt habe, waren aber eigentlich positiv überrascht und wollten wissen, wie ich das in fremden Fachbereichen und in so kurzer Zeit schaffe. Mich hat noch nie jemand dafür verurteilt oder war komplett enttäuscht von mir.
Welche Eigenschaften man als Ghostwriterin braucht
Man muss auf jeden Fall schnell arbeiten können und ein bisschen flexibel sein. Im Studium war das noch einfacher, weil ich da keine klassische 40-Stunden-Woche hatte, sondern mir die Zeit selbst einteilen konnte. Ich kann, wenn ich will, sehr effizient arbeiten – egal ob abends, in der Früh oder am Wochenende. Ich kann sehr gut unter Druck arbeiten.
Ich würde auch sagen, dass man eine gewisse Frustrationstoleranz braucht. Es kann immer sein, dass sich etwas ändert, nachdem man schon geschrieben hat, weil dem Kunden etwas nicht passt. Das ist dann immer etwas nervig. Außerdem ist Diskretion ganz wichtig. Ich achte immer darauf, dass der Kunde so wenige Daten wie möglich von mir kennt.
Wie viel man als Ghostwriterin verdient
Ich verdiene 30 Euro pro Seite. Die meisten Bachelorarbeiten haben zwischen 30 und 40 Seiten. Im Durchschnitt bekomme ich also für eine Bachelorarbeit 900 Euro, für eine Hausarbeit 200 bis 250 Euro. Das sind noch sehr faire Preise, Ghostwriting-Agenturen verlangen oft das doppelte oder dreifache. Natürlich gibt es auch Leute, die nur zehn Euro pro Seite zahlen wollten, das deckt sich aber nicht mit dem Aufwand. Nur eine hat mal einen Mengenrabatt bekommen, weil ich für sie mehrere Arbeiten geschrieben habe.
*Patricia heißt in Wahrheit anders. Um sie zu schützen, haben wir sie anonymisiert. Ihr echter Name ist der Redaktion bekannt.