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1200 Euro netto für die Auftragsfotografin

Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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Der Weg

Mit 17 bekam ich meine erste Spiegelreflexkamera zu Weihnachten geschenkt. Damals waren diese Fotoblogs in, wo alle ihre Hobbybilder raufgestellt und kommentiert haben. Ich habe da nie mitgemacht und mich eher mit Freunden getroffen, wenn das Wetter gut war. Wir sind dann raus und haben in verschiedenen Lichtsituationen rumgespielt. Mit der Zeit verloren die meisten die Lust am Experimentieren wieder, ich blieb dabei. 

Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Ich studierte Literatur, Philosophie und Kommunikationswissenschaft. Wenn ich Texte schrieb, liefen Fotos eher nebenher. Trotzdem bekam ich zu meinen Fotos oft besseres Feedback als zu meinen Texten. Das Fotostudio in der Uni hat meine Leidenschaft geweckt, da konnte ich mich künstlerisch austoben. Und ein Professor, für den ich als Assistentin gearbeitet habe, der hat mich in meiner Fotografie bestärkt. 2014 fing ich dann an, Geld für Fotos zu nehmen.

Das Geld

Durchschnittlich verdiene ich 500 bis 1200 Euro netto im Monat mit Fotos. Das ist aber schwer zu sagen, weil es in diesem Beruf extreme Höhen und Tiefen gibt. Um ein geregeltes Einkommen zu haben, auf das ich mich verlassen kann, habe ich noch einen kleinen Nebenjob im Designbereich. 

Die Aufträge

Mein erster Job war die Hochzeit einer Freundin. Auf die Frage „Wie viel willst du?“ war ich nicht vorbereitet. Damals dachte ich, 400 Euro sind ein guter Tagessatz. Dass manche Fotografen für Hochzeiten locker das Dreifache nehmen, wusste ich damals nicht. Für mich war das erst mal viel Geld. Heute weiß ich: Das Hochzeitspaar ist oft in einer Ausgebelaune und verliert jeglichen Sinn für Preise in unserer Branche. Ich finde aber, dass man da trotzdem fair bleiben sollte, statt das auszunutzen. Oft wird man als Fotografin als reine Dienstleisterin gesehen, vor allem auf Hochzeiten.  

Mein Fokus liegt auf Image-Fotografie und Porträt. Viele meiner Kunden sind Bands wie das Berlin Boom Orchestra oder Mode- und Produktlabel. Kleinere Bands können oft nicht so viel zahlen, dafür haben die aber auch mehr Geduld und da kann ich mich dann im Gegenzug auch selbst ausprobieren. Der einzige Nachteil an diesen Aufträgen ist die Arbeitszeit: Viele Kunden wollen die Shootings am Wochenende machen, oder wenn normale Menschen halt frei haben. Ich habe deshalb keine feste Wochenstruktur und es kommt öfter vor, dass ich donnerstags denke, es ist Samstag.

Der Mythos

Viele Kreative denken, Talent reicht aus zum Fotografieren und der Rest fliegt einem in diesem Beruf zu. Ich begreife Fotografie als Job, für den man sich genauso anstrengen muss, wie überall sonst auch. Es ist nicht so, dass einem die Motive vor die Kamera springen, man muss sie bewusst suchen und in Szene setzen. Der Mythos, dass ein Foto leicht gemacht ist, wenn das Model oder das Motiv toll aussieht, stimmt nicht. Gerade bei Aufträgen verbringe ich wesentlich mehr Zeit vor meinem Rechner und bearbeite Bilder, statt hinter meiner Kamera. 

Die Selbstvermarktung

Ich bin echt keine Social-Media-Königin. Obwohl Instagram mittlerweile für viele Fotografen wichtiger ist als eine Visitenkarte, ist es mir eher unangenehm, mich selbst zu vermarkten. Die meisten Aufträge habe ich in Berlin, wo ich auch lebe und meine Kunden mich weiterempfehlen. 

Der Job erfordert schon genug Eigenantrieb: Man muss sich ständig selbst in den Hintern treten, um auf dem Laufenden zu bleiben und eigenständig nach Fortbildungen suchen, sonst wird man abgehängt. Man muss auch gut mit seinen Einkünften wirtschaften. Die Technik entwickelt sich ständig weiter, weshalb viel von meinem Ersparten wieder direkt in Neuanschaffungen fließt. Trotzdem könnte ich mir nicht vorstellen, für jemand anders zu arbeiten. Da hätte ich Angst, mich nicht weiter zu entwickeln. Am liebsten hätte ich irgendwann ein eigenes Studio. 

 

Die Frage, die auf Partys gestellt wird

Immer mal wieder passiert es, dass Freunde mich fragen, ob ich Fotos für sie machen kann. Umsonst. Ich muss dann erklären, dass das jetzt mein Job ist und für mich unbezahlte Arbeit bedeutet. Die meisten können das aber nachvollziehen.  Oft überrascht es meine Freunde auch, dass ich mich selbst als Fotomodel sehr unwohl fühle. Ich selber hasse es, fotografiert zu werden. Es ist sehr einschüchternd, so eine Kamera direkt vor dem Gesicht zu haben. Man fühlt sich verletzlich. Um fremden Menschen trotzdem sehr nahe zu kommen, muss ich beim Fotoshooting eine Vertrauensbasis aufbauen. Allein die Technik zu beherrschen reicht für den Job nicht aus. Manchmal mache ich irgendwelche dummen Witze, um das Eis zu brechen. Wenn ich die Wahl hab, bin ich viel lieber in der Rolle der Beobachterin.

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