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Mädchen, warum tragt ihr eigentlich noch BHs?

Foto: kallejipp / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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jm frage bh

Foto: kallejipp / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

Liebe Mädchen,

glaubt man dem Internet, dann würdet ihr am liebsten nie wieder BHs tragen. Nippel, die sich durch die dünnen Stoffe eurer Oberteile drücken, sind überall auf Instagram und die Hashtags #nobra und #freethenipplemovement trenden hunderttausendfach. Wir stellen uns vor, dass das für euch etwas Gutes ist, weil BHs doch ziemlich stressig sind, oder? Und weil ohne BH grade eh Trend ist, fragen wir uns generell, warum ihr die Dinger überhaupt noch tragt?

Es ist doch ziemlich unbequem, mit einem Gefängnis um die Brüste durch die Weltgeschichte zu laufen, oder? Wir verstehen natürlich, dass zum Beispiel große Brüste und Sport eine schwierige Kombination sind. Generell hilft einer größeren Oberweite sicher ein wenig Stabilität. Trotzdem, auch wenn ihr große Brüste habt: Bei den meisten von euch fliegt der BH erstmal in die Ecke, wenn ihr nach Hause kommt. Wäre es nicht viel entspannter für euch, gleich ganz ohne BH aus dem Haus zu gehen? Wie beeinflusst euer Arbeitsort, oder allgemein der Ort, an dem ihr euch aufhaltet, die BH-Frage? In Versicherungen, Banken oder auch in Redaktionen sind sichtbare Nippel eigentlich eher eine Seltenheit. Warum eigentlich?

Dass wir uns bei sichtbaren Nippeln verhalten wie junge Paviane in der Balzzeit, fällt euch sicher auf

Liegt es daran, dass Menschen – und mit Menschen meine ich vor allem Männer – anders mit euch umgehen, wenn ihr keinen BH tragt? Wir sind davon nämlich oft verunsichert und es fällt uns ehrlich gesagt schwer, nicht die ganze Zeit auf eure Brüste starren. Dass wir uns bei sichtbaren Nippeln so verhalten wie junge Paviane in der Balzzeit, fällt euch auf, da sind wir uns sicher. Wir tun das, weil uns gefällt, was wir sehen. Aber oft auch, weil wir es nicht gewohnt sind, im Alltag damit konfrontiert zu werden. Wie sehr stört euch das? Bringt es euch dazu, eher was drunter zu tragen?

Der BH, beziehungsweise der Verzicht auf diesen, ist eines der frühsten Symbole des Feminismus. Feministinnen verbrannten in den Siebzigern ihre BHs als Zeichen gegen männliche Dominanz, weil der BH auch ein Produkt von gesellschaftlichen Stereotypen ist. Brüste mit Schalen-BH entsprechen eher dem Schönheitsideal. Trotzdem ist auch uns Typen klar, dass die pralle Brustform, die ein Victoria Secret Push-Up Bra macht, nicht ganz der Wirklichkeit entspricht.

Wenn er ein falsches Bild eures Körpers transportiert und dazu noch antifeministisch gesehen wird, warum tragt ihr dann überhaupt einen BH? Fühlt ihr euch ohne den Halt, den er euren Brüsten gibt, unwohl? Schützt er euch auf eine gewisse Art und Weise? Seid ihr es einfach gewohnt, weil ihr irgendwann in der Pubertät damit angefangen habt? Oder hängt die BH-Frage auch immer ein bisschen davon ab, was ihr sonst so tragt – dünnes, enges T-Shirt oder Wollpulli? Gibt es doch irgendwelche Vorteile, von denen wir Männer nichts wissen? Bitte klärt uns auf!

Eure Jungs

Die Mädchenantwort: 

Liebe Jungs, 

die Wahrheit tut manchmal so weh wie ein zu kleiner BH: Sehr viele von uns finden, dass BHs eigentlich gar nicht so unbequem sind, wie immer behauptet wird. Auch, weil es ohne sie einfach manchmal wehtut, wenn alles so hängt, schwingt oder am T-Shirt reibt. Deswegen tragen wir immer noch BHs, obwohl ihr natürlich recht habt und man immer häufiger auch Frauen sieht, die unter ihrem T-Shirt nichts drunter tragen – gut beobachtet! (Zwinkersmiley)

So, das war jetzt aber noch nicht alles. Kommen wir zum weniger angenehmen Teil unserer Antwort, der nackten Wahrheit sozusagen: Eure Behauptung BH gleich „Gefängnis um die Brüste“ und kein BH gleich Freiheit, Feminismus und Fun, funktioniert nämlich leider nicht so einfach – das liegt sowohl an euch als auch an uns. Denn wenn wir ohne BH frei sein wollen, müssen wir erst einmal im Kopf frei sein. 

Wenn wir keinen BH tragen, dann ziehen wir uns aus – auch im übertragenen Sinne

Der BH ist für uns nämlich auch eine Art Schutzschild vor der Welt. Mit ihm können wir unsere Brüste zurechtdrücken, formen, pushen oder plätten, damit sie so aussehen, wie wir sie am schönsten finden. Darunter kann dann alles sein – oder auch nichts, aber das weiß ja glücklicherweise niemand. Einige von euch würden uns deswegen vielleicht arglistige Täuschung vorwerfen, aber wir empfinden das eher als künstlerische Freiheit. Wenn wir allerdings keinen BH tragen, dann sieht halt jeder unsere Brüste so, wie sie nun einmal aussehen, versteht ihr? 

Wenn wir keinen BH tragen, dann ziehen wir uns aus – auch im übertragenen Sinne: „Hier liebe Welt, das sind unsere Brüste. Jap, links ist ein bisschen kleiner als rechts, die Schwerkraft funktioniert und auch bei den Brustwarzen hatten wir keine Auswahlmöglichkeit, da müssen wir jetzt alle durch.“ Das bedeutet nichts Geringeres als uns und unsere Brüste so zu akzeptieren wie sie sind und auch, dass sie in den meisten Fällen eben nicht so aussehen wie die ganzen Brüste, mit denen wir in der Werbung oder in Pornos konfrontiert werden. Vermutlich könnt ihr das nur sehr schwer nachvollziehen, weil ihr Brüste einfach generell eine super Sache findet, aber für uns ist das echt ein Ding.

Nun zu euch und euren Lastern: Natürlich bemerken wir eure Stielaugen und manchmal sogar eure Verunsicherung, sobald wir mal keinen BH tragen. Das können wir natürlich verstehen, aber ihr müsst auch verstehen, dass es einfach sehr stressig ist, zu wissen: Okay, dieser Mensch denkt gerade über meine Brüste und nur über meine Brüste nach. In den meisten Fällen ist das nämlich gar nicht mal so cool. In unserem Alltag wollen wir nicht, dass es um unsere Brüste geht, sondern um das, was wir können, sagen oder auch machen. Deswegen ist die „BH-oder-kein-BH-Frage“, wie ihr schon vermutet habt, auch sehr von dem Ort abhängig, an den wir mit unseren Brüsten gehen: Im Büro tragen wir eher einen BH, weil wir liefern wollen; wenn wir zu Hause sind oder kurz runter zum Kiosk schlappen, dann ist uns das ziemlich egal. 

Ob wir einen BH tragen, sollte nicht an Feminismus gekoppelt werden

Ihr seht, es ist ein schmaler Grat zwischen Freiheit und Unfreiheit und das Ganze hat eine gewisse Tragik: Wir sind vielleicht in dem Moment frei, in dem wir unseren BH ausziehen, aber im gleichen Moment sind wir auch sehr unfrei, weil wir uns damit euren Blicken, Gedanken und vielleicht sogar Kommentaren aussetzen. Zumindest, wenn wir Klamotten tragen, durch die man sehr deutlich sehen kann, ob wir was drunter tragen. 

Und wie kommen wir da jetzt alle wieder raus? Ganz einfach: Richtig gut wird es nämlich nicht, wenn wir uns den BH ausziehen, sondern erst dann, wenn es egal wird, ob wir einen anhaben oder nicht. Ob wir einen BH tragen, sollte nicht an Feminismus beziehungsweise Antifeminismus gekoppelt werden oder daran, dass das Eine sehr viel erstrebenswerter ist als das Andere. Was wir brauchen, sind vielfältigere Schönheitsideale und dass Brüste weniger sexualisiert sind, sodass nicht alle immer komplett ausrasten, wenn mal eine Brust ohne BH oder gar nackt ist. Das heißt wiederum: mehr unterschiedliche Brüste! Überall! Das findet ihr doch bestimmt auch gut, oder?

Eure Mädchen

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