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Mädchen, schubst ihr uns style-mäßig manchmal in die „richtige“ Richtung?

Illustration: Daniela Rudolf

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Liebe Mädchen,

am Weihnachtsabend sind in meiner Familie zwei Sachen sicher: Es gibt Bockwürste mit Kartoffelsalat. Und die Frauen schenken den Männern Kleidung. Da sind dann Dinge dabei, die sie sich selbst niemals kaufen würden. Schöne Hemden, stilvolle Pullover, coole Lederumhängetaschen. In den meisten Fällen erzeugt das in den Gesichtern der Männer deutlich ablesbare, aufrichtige Freude. Sie sind froh, dass sie das jetzt haben. Aber sie hätten es sich selbst nie gekauft. 

Das ist das Endstadium eines Vorgangs, dessen Existenz wir zwar vermuten, aber nicht sicher belegen können:  Schubst ihr uns style-mäßig manchmal in eine gewisse Richtung?

Wir meinen damit jetzt nicht die Frauen, die ihren Männern regelmäßig kurzärmlige, karierte Hemden bei C&A kaufen. Oder Unterhosen bei Tchibo. Wir reden auch nicht davon, in eine seltsame und ein wenig gruselige Mutter-Kind-Rolle zurückzufallen, in der Frauen den Männern ständig ihre Klamotten besorgen und morgens zum Anziehen rauslegen. 

Es geht uns eher um kleinere Dinge: 

Um den fast schon beiläufigen Hinweis, die Hosenbeine ein wenig hochzukrempeln. Oder den Kommentar über die Schuhe, die schon ein wenig zu ausgelatscht sind. Oder beim Wuscheln durch die Haare zu sagen: Ganz schöne Mähne hast du da mittlerweile!

Diese Form der Bestätigung tat ihm offensichtlich gut

Wobei das Beispiel mit den Hemden auch gar nicht so schlecht ist. Ein Freund von mir bekam neulich von seiner Freundin drei Holzfällerhemden geschenkt. Hätte er sich so nie gekauft. Nicht, weil er sie nicht schön findet oder sie nicht mag. Es war ihm einfach egal. Als er dann eines Abends eins der neuen Hemden trug, und jemand aus der Runde sowas sagte wie: „Oha! Schickes Hemd!” – da schwoll seine Brust schon ein wenig an. Diese Form der Bestätigung tat ihm offensichtlich gut. In diesem Fall war die Einflussnahme sehr direkt. Aber die beiden waren da auch schon länger zusammen. 

Also: Nehmt ihr stylemäßig hin und wieder Einfluss auf uns? Habt ihr das Gefühl, beiden, also euch und eurem Freund, einen Gefallen zu tun? Also so entwicklungshilfemäßig? Oder bilden wir uns das nur ein? Weil es euch im Grunde egal ist, ob wir modisch aussehen oder nicht, so lange wir nur ehrlich, nett und liebevoll sind? 

Das ist jetzt alles gefährlich nahe an Mario-Barth-haften Klischees über Männer und Frauen dran, das wissen wir. Aber wir haben eben den Eindruck, dass ihr modetechnisch oft selbstbewusster und vor allem anspruchsvoller seid als wir. 

Eure Jungs

Die Mädchenantwort

Mädchenantwort

Collage: jetzt.de

 

Liebe Jungs,

 

erst mal vorneweg: Es ist schön, wenn ihr schön gekleidet seid. Das ist aber eher ein Bonus. Es ist aber natürlich viel, viel wichtiger, dass ihr in den fancy Klamotten dann auch nett und liebevoll seid. Tatsächlich ist das sogar die Hauptsache. Warum wir uns trotzdem freuen, wenn ihr euch auf unsere Initiative hin stilvoller einkleidet und warum das gleichzeitig eine schwierige Gratwanderung ist, versuche ich mal mit einer kleinen Zeitreise zu klären. 

 

Im Alter zwischen 12 und 15 Jahren habe ich sehr viel Zeit am Berliner Ku’Damm verbracht. Mit einer Tätigkeit, die mich heute kaum noch interessiert, die aber nach wie vor weiblich konnotiert ist: shoppen. In Mädchenhorden haben wir uns gegenseitig durch H&M, Zara und (ja ich gestehe, auch!) Orsay gekämpft und in Rekordzeit Dinge anprobiert, die wir dann doch nicht gekauft haben. Daher vielleicht die Mario-Barth-Vorlage – dessen Humor ist ja auch irgendwo in diesem Alter steckengeblieben. Sofern ich mich erinnere, sind wir bei unseren Shoppingtouren aber wirklich selten auf gleichermaßen große Jungsgruppen gestoßen. Das kann daran liegen, dass ihr einfach keinen Spaß am Shoppen hattet, dass ihr euch weniger Gedanken um euren Style gemacht habt oder eben, dass Mutti euch die Sachen gekauft hat. 

 

Und genau da tut sich die Falle auf: Der Klamotten-Beratungs-Komplex wird sein Mutti-Image nie ganz los. Je nachdem, wie die Rollen in einer Beziehung verteilt sind, kann es zu einer sehr delikaten Angelegenheit werden, Klamotten zu schenken. So wie wenn man Leuten Duschgel schenkt. Nützlich, kann man aber auch falsch verstehen. 

 

Deshalb: Nein, wir versuchen lieber nicht, euch in eine Stilrichtung zu schubsen. Zu groß die Angst vor muttihafter Bevormundung, zu groß das Risiko der Re-Traumatisierung. Aber: Wenn eine Beziehung ein gewisses Maß an Ehrlichkeit erreicht hat, dann ist Beratung keine Bevormundung, sondern ein Vertrauensbeweis.

Denn wenn man sich gegenseitig sagen kann, dass das Hemd doch schon ziemlich ausgeleiert oder die Schuhe viel zu abgelatscht sind, ohne dass der andere einem das übelnimmt, dann hat man vielleicht ein neues Maß an Vertrautheit gewonnen. Das hat nichts mehr mit der elterlichen Bevormundung zu tun. Dann ist man dabei, eines der persönlichsten Dinge zu enttabuisieren: den Geschmack. Und wenn ihr euch dann auch noch über unsere Anregungen freut: umso besser. 

 

Styleberatung trauen wir uns meistens eh erst, wenn ihr mal sowas gefragt habt wie: „meinst du, das kann ich noch anziehen?” Oder wenn ihr gleichermaßen austeilt und uns drauf hinweist, dass man heute nicht mehr alles tragen muss, was man damals bei Orsay gekauft hat. Wenn diese Hürde genommen ist, schenken wir gern Klamotten oder Accessoires und ich würde behaupten, ihr freut euch auch drüber – ganz ohne Mutti-Trauma. 

 

Das hat also nichts mit Entwicklungshilfe oder Maternalismus zu tun, sondern mit der simplen Faustregel, die beim Schenken eigentlich immer gilt: Am meisten freut man sich über Dinge, die man schön findet, sich selber aber nie kaufen würde. Bei euch sind das eben Klamotten. Und wir freuen uns, wenn ihr euch drüber freut!

 

 

Eure Mädchen

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