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Mädchen, wieso habt ihr ein Problem mit euren Nasen?

Illustration: Katharina Bitzl

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Liebe Mädchen,

Männern wird ja rein äußerlich so ziemlich alles nachgesehen: Bäuche sind „gemütlich“, Narben „verwegen“, Nasen „markant“. Spricht auch absolut nichts dagegen, gute Sache. Für uns. Dass ihr schönheitsidealmäßig leider immer noch einem viel größeren Druck (wohl auch durch uns) ausgesetzt seid, haben wir hier schön öfter thematisiert. In einem Bereich wirkt dieser Druck aber einigermaßen entkoppelt vom männlichen Blick, meistens ist er uns sogar vollkommen unverständlich: Nämlich bei der bereits erwähnten Nase. 

Müssten wir unsere eigenen Nasen beschreiben, fiele uns dazu an Assoziationen wohl reichlich wenig ein. Ist halt da, die Nase, manchmal ist sie verstopft oder so was, sonst stört sie wenig. Wie sie aussieht? Wir würden vermutlich 95 Prozent aller Nasen als „normal” beurteilen. Vielleicht fallen uns überdurchschnittlich große Nasen gerade noch auf, das war's dann aber auch.

Ihr hingegen scheint einen wesentlich differenzierteren Blick dafür zu haben, bei Begriffen wie „Stupsnase“, „Ballonnase” oder „Höckernase” habt ihr tatsächlich Bilder im Kopf. Ich habe eben „Stupsnase” gegoogelt und weiß trotzdem nicht, was genau eine solche eigentlich ausmachen soll. 

Halten wir diese Vermutung also fest: Euch scheinen Nasen und deren Form wesentlich wichtiger zu sein als uns, auch eure eigenen. Wenn ihr uns auf eure Nasen ansprecht, ob dieser Höcker da und diese großen Nasenlöcher dort nicht irgendwie auffällig wären, bemerken wir solche Details meist zum ersten Mal. Über die Jahre hinweg hatten einige von euch außerdem plötzlich eine neue Nase. Selbst, wenn uns vorher nie aufgefallen war, dass die alte irgendwie nicht in Ordnung ist. Eine Kollegin erzählte von einer Schauspielerin mit großer Nase, die einen Text darüber geschrieben hat, dass ihre Mutter ihr immer Bilder von berühmten Frauen mit vermeintlich unschönen, großen Nasen gezeigt hat. Um der Tochter damit unterschwellig-pädagogisch mitzuteilen: Die haben das geschafft, trotz der Nase.

Natürlich soll jede von euch mit ihrer Nase glücklich werden und auch völlig unabhängig von unserem „Urteil” entscheiden dürfen, was ihr an sich gefällt. Aber wir wüssten trotzdem gerne, ob ihr eine Erklärung für diese Nasen-Fokussierung habt? Oder haben wir uns die nur eingebildet? Und was macht denn nun eine Stupsnase aus?

Eure Jungs

Die Mädchenantwort:

Mädchenantwort

Collage: jetzt.de

Liebe Jungs,


die Schauspielerin war Mayim Bialik. Die aus „Big Bang Theory“. Welche davon? Die mit der Nase. Und ich war die Kollegin, die davon erzählt hat, weil es um Frauen mit großen Nasen ging – und ich mich dabei angesprochen fühle. 

Immer, wenn ich etwas in diese Richtung sage, kommt sofort aus irgendeiner Ecke: „Hääh, du hast doch keine große Nase”. Das klingt für mich aber genauso, wie wenn man einer werdenden Mutter im siebeneinhalbten Monat sagt: „Man sieht gar nicht, dass du schwanger bist“ – nett gemeint, aber offensichtlich Quatsch. 

Der Aufhänger für Bialiks Text war ein aktueller Dokumentarfilm mit dem Titel „Take my nose… please!”, in dem US-amerikanische weibliche Comedians über ihre Nasen und entsprechende OPs reden oder sich dabei begleiten lassen.

In ihrer Erklärung für den Nasen-Komplex geht es – sehr verkürzt – um falsche Schönheitsideale, Frauenfeindlichkeit, mobbende Mitschüler und die (Mit-)Schuld der Gesellschaft an unseren Minderwertigkeitskomplexen. 

Meine Erklärung ist weniger eindeutig, weil ich glaube, bei der Nase kommt einfach sehr vieles zusammen, was dazu führt, dass fast jeder was an seiner auszusetzen findet:



Klar, die Nasen, die uns in Magazinen, Filmen, auf Laufstegen und Werbeplakaten begegnen und sich als Ideal in unseren Köpfen einnisten, spielen sicherlich eine Rolle. So sehr wir da mittlerweile auch drüberstehen – spurlos gehen diese Nasen nicht an uns vorbei. Und die sind nun mal eher klein als groß, eher schmal als dick, eher stupsig als hakig und nicht selten von einem fähigen Chirurgen in eben diese Form gebracht. Wenn man mal „Stars” und „Nasen-OP” googelt, sieht man, dass es eher selten ist, dass eine natürliche Nase vor einer Kamera steht.

Dazu kommt, dass Nasen auf so viele verschiedene Arten „falsch” sein können. Sie können zu groß für ein Gesicht sein oder zu klein, das Verhältnis zum Mund kann falsch sein oder zum Kinn, sie können Höcker, Huckel oder Dellen haben, können falsch gekrümmt sein auf der X- oder der Y-Achse. Stupsnasen – per definitionem relativ kurze, geringfügig nach oben gebogenen Nasen – werden oft als Ideal beschrieben. Inhaber solcher Nasen sind bisweilen allerdings genauso unzufrieden, weil sie damit zu süß aussehen und nicht ernst genommen werden. Eine „feine” Nase könnte man vielleicht als Universalwunsch formulieren, aber die ist natürlich auch wieder Interpretationsfrage.

Die Nase ist das Erste, was man morgens, und das Letzte, was man abends beim Zähneputzen sieht

Ein dritter Grund ist, dass so eine Nase einfach keinen Zauber vorweisen kann. Augen können funkeln und anderen verzaubern, ein Lächeln kann strahlen und anderen verzaubern. Eine Nase kann nur laufen und andere anekeln. Oder unangenehm glänzen als Mittelpunkt der T-Zone. Und – was ich auch erst durch Bialiks Text gelernt habe: Sie kann sich beim Lachen nach unten biegen, was angeblich auch für viele der Grund für eine OP ist. Danke für diesen zusätzlichen Komplex by the way. (Spart euch das Googlen, das hier ist gemeint.)

Und zuletzt ist sie einfach mitten im Gesicht. Nicht zu übersehen. Das Erste was man morgens und das Letzte was man abends beim Zähneputzen sieht. Und wenn man etwas an sich selbst zu lange und zu oft anschaut, dann kriegt man eigentlich immer ein Problem damit. Das ist, wie wenn man ein Wort sehr oft hintereinander sagt und es irgendwann ganz komisch und falsch klingt (wie etwa das Wort „Nase“, wenn man diesen Text laut liest). Wir haben zum Beispiel selten Probleme mit unseren Schulterblättern. Das ist bestimmt kein Zufall.

Wenn ihr sagt, 95 Prozent aller Nasen sehen für euch „normal” aus, dann glauben wir sogar, dass ihr das glaubt. Aber nur, weil ihr dabei nicht bedenkt, wie viel die Nase in einem Gesicht ausmacht. Wenn es um Schönheit geht, sagt ihr nicht: „Naja, 95 Prozent der Frauen sehen ‘normal‘ aus“. Es gibt schöne und weniger schöne Gesichter und nicht selten ist es die Nase, die darüber entscheidet. Auch für euch. Denn wenn wir da (leider) immer noch von den Hollywood-Nasen beeinflusst werden in unserem Ästhetik-Empfinden, dann, glaubt uns, werdet ihr das auch. 

Wir wissen, dass das bescheuert ist. Genauso wie jedes andere Schönheitsideal auch

Wir rennen jetzt deswegen nicht alle zum Chirurgen. Aber einen Gedanken haben die meisten von uns im Hinterkopf: Wenn ich mir jetzt die Nase brechen würde, dann würde ich sie mir direkt mit korrigieren lassen. Dieser Gedanke erscheint uns aus drei Gründen so verlockend: 


1. Wenn man eh operiert werden muss, hat man nicht das Gefühl, sich einem unnötigen Gesundheitsrisiko auszusetzen.

2. Wir gehen davon aus, dass es dann billiger wird, wenn der Arzt doch sowieso schon mal dran ist.

3. Wir können uns – und anderen – einreden, dass es keine Schönheits- sondern eine Notfall-OP war: „Ja, da muss wohl ein Stück abgesplittert sein und dann haben sie die Nase eben so wieder zusammengebastelt.”



Und in diesem dritten Punkt, steckt das Wichtigste im Bezug auf das Nasenproblem: Wir wissen, dass es bescheuert ist. Genauso wie jedes andere Schönheitsideal auch. Wir wissen, dass wir uns, unser Gesicht und unsere Nase so lieben sollten, wie sie sind. Und meistens tun wir das auch, weshalb die meisten sich ja eben auch nicht an der Nase herumschnippeln lassen. Außer eben, es ist ein wirklicher „Notfall”.



Eure Mädchen 

Was die Jungs sonst noch interessiert:

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