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Mädchen, wieso seid ihr so touchy miteinander?

Foto: huertas19 / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Liebe Mädchen, 

ihr geht mit euren Freundinnen anders um als wir mit unseren Freunden. Damit meine ich konkret: Ihr zeigt euch eure Nähe auch physisch. Ihr gebt euch Küsschen zur Begrüßung, haltet auch mal Händchen und umarmt euch häufiger, als die meisten von uns das untereinander tun. 

Klar, es gibt auch Jungs, die sich zur Begrüßung mit Küsschen links und rechts „Hallo“ sagen. Mit einigen Freunden tue ich das auch und das sind – wer hätte es gedacht – diejenigen, die sich am ehesten von den Bildern der klassischen Männlichkeit verabschiedet haben und denen Geschlechterrollen egal geworden sind. Bei anderen Kumpels wird es schwieriger mit der Körperlichkeit, die sträuben sich schon vor einer Begrüßungsumarmung. Sie haben Angst, dass es komisch wird, wenn wir miteinander zu körperlich werden, dass sie zu feminin rüberkommen könnten oder für schwul gehalten werden. Denkt ihr über sowas auch nach?

Wir stellen es uns schön vor, einem Freund in der Öffentlichkeit mal die Hand zu halten

Wir fragen vor allem, weil wir auf dem Gebiet noch was zu lernen haben. Ich bin mir sicher, dass viele Jungs gerne ungezwungener miteinander umgehen würden. Wir stellen es uns schön vor, einem Freund in der Öffentlichkeit mal die Hand zu halten, wenn es ihm schlecht geht. Oder einem Kumpel einen Kuss auf die Backe zu drücken, um zu zeigen, wie sehr man ihn eigentlich mag. Viele Jungs trauen sich das aber nicht. Und wenn, dann nur sternhagelvoll um zwei Uhr in der Früh. 

Wieso tut ihr das häufiger und auch nüchtern? Gehört es für euch zu eurer Geschlechterrolle, touchy zu sein, genauso wie es für uns zu unserer gehört, einander nicht so oft zu berühren? Denkt ihr, ihr müsst so miteinander umgehen, weil das alle BFFs in Filmen und Serien auch so machen? Wie rankt ihr denn eure Freundschaften im Bezug auf Körperlichkeit? Wer wird abgeknutscht, wer kriegt nur eine Umarmung? Und: Wie kriegt ihr es hin, dass keine sexuelle Spannung aufkommt?

Helft uns, wir würden das gerne auch können und, was Berührungen untereinander angeht, mal den Stock aus unserem Arsch kriegen.

Eure Jungs

Die Mädchenantwort: 

Hallo Jungs,

eine Freundschaft basiert auf Vertrauen, Ehrlichkeit und Liebe. Aber wie soll das gehen, wenn ihr ständig diese Angst mit euch herumschleppt, ihr könntet von euren Freunden als „schwul“ oder „feminin“ gebrandmarkt werden? Das hat definitiv etwas mit eurer Geschlechterrolle zu tun, die sitzt nämlich ganz schön tief in euch drinnen.

Zunächst müssen wir uns vom Wort „touchy“ in diesem Kontext trennen. Für mich ist eine Person „touchy“, wenn sie keine persönliche Distanz einhält, weil sie zum Beispiel zu viel Alkohol getrunken hat. Wir Mädchen sind in diesem Sinne also nicht „touchy“, sondern einfach offener für Gefühle und Empfindsamkeiten. Wenn mich eine Freundin umarmt, mir ein Kuss auf die Wange gibt oder meine Hand streichelt, hat das überhaupt nichts mit Sex oder Sexualität zu tun. Ich fühle mich geliebt und aufgehoben, oder getröstet, wenn ich traurig bin. Eine Freundin signalisiert mir damit, dass sie bei mir ist – auch körperlich.

Es gibt keine Regel, welche Freundin eine innige Umarmung und welche ein Bussi-Bussi kriegt

Noch nie habe ich gedacht: „Was ist, wenn sie lesbisch ist?“, der: „Denkt sie vielleicht, ich sei lesbisch?“. Das hat viel mit Vertrauen zu tun: Warum sollte ich Angst davor haben, eine lesbische Freundin zu umarmen? Sie ist doch meine Freundin, egal welche sexuellen Vorlieben sie hat. Und wieso sollte eine Freundin denken, ich sei lesbisch, wenn sie weiß, dass ich heterosexuell bin?

Klar ist: Wir spielen hier mit stark traditionellen Geschlechterrollen. Es gibt ja schwule Männer, die Körperberührungen hassen, und es gibt Frauen, die keinen Bock auf öffentlich gezeigte Gefühle haben. Bei mir ist es zum Beispiel so, dass meine besten Freundinnen längere Umarmungen bekommen, weil ich mich auf sie am meisten freue. Aber es kann auch sein, dass wir mit einer Frau sehr gut befreundet sind, die nicht so auf körperliche Nähe steht. Die umarmen wir dann vielleicht weniger intensiv. Wie viel wir einander berühren, sagt also eher weniger über den Grad der Freundschaft aus und es gibt keine wirkliche Regel, welche Freundin eine innige Umarmung und welche nur ein Bussi-Bussi zur Begrüßung kriegt. Wir folgen da unserem Gefühl. Und wenn eine Freundin mal zu viel getrunken hat und „touchy“ wird, nehmen wir das mit Humor. Wir lachen und geben ihr eine Umarmung oder sogar ein Kuss auf die Lippen. 

Also hört bitte auf mit dieser Macho-Männer-ohne-Gefühle-Kacke und gebt euch endlich mal ein Küsschen auf die Wange.  

Fühlt euch gedrückt,

Eure Mädchen

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