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Wie die Corona-Isolation in Wes Andersons Welt aussehen würde

Foto: TikTok / @in_too_deepmp3

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Tiktok, das ist doch diese App, in der Teeanger tanzen und Lip Syncs zu lahmen Comedy-Sketches machen – könnte man denken. Die chinesische Video-App hat aber auch eine andere Seite – distinguiert, wunderlich, stylisch, kurz: Wes Anderson. Das Regie-Genie, das für Filme wie „The Grand Budapest Hotel“, „Moonrise Kingdom“ oder „Fantastic Mr. Fox“ verantwortlich ist, treibt sich zwar zumindest nicht offiziell auf Tiktok rum, wohl aber eine sehr gute Imitatorin: die 26-jährige Madelaine Turner.

In der vergangenen Woche veröffentlichte die nämlich den Kurzfilm „The Anderson Guide to Survive a Global Pandemic“, in dem sie einen etwas merkwürdigen Corona-Tag in mehreren kurzen Episoden zeigt: „Schritt eins: Erwache. Überprüfe, ob dein Papagei Artemis aus dem Krieg zurückgekehrt ist. (Ist er nicht.)“, hört man Turners Stimme aus dem Off sagen, während sie vornehm vor gemusterten Tapeten sitzt. Später bastelt sie eine kleine Artemis-Beerdigung und korrespondiert mit ihrer Mutter. Genau diese Art von Kuriosität schreit nach Anderson, und auch sonst passt alles zum Stil des Filmemachers: Ton-in-Ton-Optik? Check. Symmetrische Bildsprache? Check. Style-Faktor? Check. Dudelnde Cembalo-Musik? Check. 

Mehr als 230 000 Menschen gefällt das mit dem Handy gefilmte Tiktok-Video inzwischen. Turner selbst erzählt in einem Interview mit dem Onlineportal Vox.com, dass sie bei der Produktion nicht damit gerechnet habe, einen solchen Hit zu landen. Jetzt habe sie natürlich Druck: „Normalerweise mache ich Videos, die mich authentisch darstellen, aber sehr ulkig und seltsam sind.“ Dieses hier sei wesentlich genauer geplant gewesen und „visuell aufgeladen“. Die vielen Leute, die ihr wegen dieses Videos jetzt folgen würden, würden mehr von diesem „ästhetischen, puristischen Kontent“ erwarten. Und das sei „nicht wirklich“, was sie sonst bringe.

Dem purem Zufall kann man den Erfolg aber nicht zuschreiben. In der gleichen Woche veröffentlichte die 26-jährige Hobby-Filmemacherin noch zwei weitere grandiose Film-Imitationen: einmal eine Kurzsatire auf wirre Trailer von britischen Dramen und einmal „Oscar Bait“, ein schwarz-weiß Film über eine junge Frau, die eine Nachricht ihrer Mutter abhört. Beide wirken verblüffend professionell.

Wem „The Anderson Guide to Survive a Global Pandemic“ zu viel Tiktok und zu wenig Anderson enthält, kann sich vielleicht bei dem Gedanken an den nächsten echten Anderson-Film aufmuntern. Am 15. Oktober erscheint in Deutschland sein neuestes Werk „The French Dispatch“, in dem es dem Trailer zufolge um das Thema Journalismus nach dem Zweiten Weltkrieg geht, und in dem so viele Stars mitwirken, dass sogar die Avenger-Filme daneben wie eine B-Produktion aussehen.

mpu

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