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Horror-Date: Der Typ mit Putzfimmel

Illustration: Katharina Bitzl

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Dating-Situation: spontanes Date einen Abend nach dem Kennenlernen

Geschlecht und Alter des Dating-Partners: männlich, 24 Jahre alt

Horror-Stufe: 4 von 10  

Wir lernten uns ganz altmodisch in einer Lehrveranstaltung kennen. Ich befand mich in einer akuten Liebeskummer-Phase und brauchte dringend jemanden, der mir Taschentücher anreichte, mich von peinlichen Rachegelüsten abhielt und all meinen Frust an der Kneipentheke ertrug. Am liebsten in einer Stadt, in der mich keiner kannte. Also besuchte ich eine Freundin für zwei Wochen in Münster.

Wie es sich für eine beste Freundin gehört, ließ sie mich in meinem Kummer keinen Augenblick unbeobachtet und zerrte mich sogar mit in ihre Vorlesung. Als mich ihr Kommilitone auf meine Vereinsjacke eines Hockeyteams ansprach, erwachte ich zum ersten Mal aus meiner Trauerstarre: Seine Augen waren grün, sein Kopf voller dunkler Locken. Und auch sonst sah er so aus, wie ich mir den Vater meiner Kinder vorstellte. Neben der geteilten Hockeyleidenschaft hatte er auch ziemlich viel für meine Lieblingsband übrig. Er rettete meinen Tag. Wir verabredeten uns für den nächsten Abend. 

Mit einem Jutebeutel unter dem Arm kam er dann auf seinem Herrenrad angerollt und führte mich an einen tollen Platz am Aasee. Es dauerte nicht lange, bis wir wieder in ein spannendes Gespräch vertieft waren. Während es dunkler wurde und das Bier vor uns allmählich schal, verstanden wir uns immer besser. Unter dem Vorwand hungrig und völlig pleite zu sein, verlegten wir das Once-in-a-Lifetime-Erlebnis in seine WG. 

Im ersten Moment fand ich seinen plötzlichen Putzfimmel noch rührend 

Bevor wir uns gemeinsam an den Herd wagten, wollte mir mein spontaner Seelenverwandter seine Wohnung zeigen. Als ich im Eingangsbereich meine Schuhe auszog, verfiel er in eine seltsame Unruhe und sortierte die Jacken an der Garderobe. Er hatte sein Zuhause offensichtlich ordentlicher in Erinnerung als es war. In der Küche räumte er das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und wischte über die Arbeitsplatte. „Ich öffne mal schnell die Fenster, damit es hier nicht so stickig ist“, rief er und hetzte schon in den nächsten Raum.

In diesem Moment fand ich seinen plötzlichen Putzfimmel noch rührend und redete mir ein, er wolle ja nur einen guten Eindruck hinterlassen. Als er seine trockenen Pullover, T-Shirts und Boxershorts vom Wäscheständer in seinem Zimmer abnahm, bot ich ihm meine Hilfe an. Tatenlos zusehen wäre ja unhöflich, dachte ich. Schnell bemerkte er meine Raffinesse im Klamotten falten und ließ mich das alleine machen. In der Zeit konnte er die Drogerieartikel im Bad ordentlich aufstellen. 

Ich fragte mich: Will er mich loswerden oder lauert das Team der versteckten Kamera im Wandschrank?

Langsam unangenehm wurde es für mich, als er sich lautstark über die Unordnung seiner nicht anwesenden Mitbewohner ausließ. Wie ein Spatz auf Ecstasy, der sein Nest ordnet, jagte er von Zimmer zu Zimmer. Und bemerkte gar nicht mehr, dass ich da war. Sein plötzliches Revierverhalten machte mir Angst. Mir schossen zig Gedanken durch den Kopf: Warum schrubbt er ausgerechnet jetzt seine Bude? Will er mich loswerden? Sucht er eine Reinigungskraft? Lauert das Team der versteckten Kamera heimlich im Wandschrank?

Völlig egal, was die Ursache war: Ich wollte weg! Noch bevor ich mich an ihm hätte vorbeischleichen, nach meinen Schuhen greifen und davon sprinten können, stand er mit einem Stapel Bettwäsche vor mir und verkündete: „Wenn wir jetzt noch das Bett neu beziehen, fühlt sich alles wieder richtig an.“ 

Für mich fühlte sich das überhaupt nicht richtig an. Ich erzählte ihm, dass mein Ex mir doch noch zu sehr in den Knochen hängen und ich deswegen gerne gehen würde. Trotz Bedauerns zeigte er sich verständnisvoll und verabschiedete mich nett. Wir haben uns nie wieder gesehen. 

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