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„Mit wie vielen hast du eigentlich schon geschlafen?“

Foto: Freepik / Bearbeitung: jetzt.de

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Mit 20 hörte ich sie zum ersten Mal. Die heikelste aller Fragen. Ich lernte Andi kennen und war total verliebt. Wir hatten Sex und als wir danach im Bett lagen, fragte er mich: „Mit wie vielen hast du eigentlich schon geschlafen?“ Darauf war ich nicht vorbereitet und wollte es ihm eigentlich gar nicht sagen. Aber er betonte, dass es ihm sehr wichtig sei. Also nannte ich eine Zahl. Nicht die richtige, sondern eine etwas kleinere – und er war fassungslos. Er nannte seine Zahl (zwei weniger als bei mir) und sagte, er wüsste nicht, ob er die Beziehung mit mir weiterführen könnte. Und so kam es dann auch: Aus uns wurde nichts.

War es wirklich die Frage, die unsere beginnende Beziehung kaputt gemacht hat? Ich glaube: nein. Sogar im Gegenteil. Sie hat nur schneller klar gemacht, was sowieso gesetzt war: dass wir nicht zusammenpassten.

Gerade bei Männern verrät die Reaktion einiges über ihre Vorstellung von Gleichberechtigung und Emanzipation

Die Frage nach den vorherigen Sexpartner*innen ist die Gretchenfrage für jede Beziehung. Darum sollte man sich so früh wie möglich, auf welche Art auch immer, mit ihr beschäftigten. Man lernt dadurch sehr viel über den potenziellen Beziehungskandidaten, dessen Einstellung zu Partnerschaft und Sexualität und ob sie zur eigenen passt. Und gerade bei Männern verrät die Reaktion einiges über ihre Vorstellung von Gleichberechtigung und Emanzipation.

Letztens traf ich mich mit einem Kumpel. Er hatte gerade jemanden kennengelernt und erzählte, dass sie ihm die Sexpartner-Frage gestellt hat. Nach seiner Antwort wollte er ihre hören. Sie sagte: 18 – eine geringere Zahl als seine und eine im durchschnittlichen Mittelmaß. Aber er reagierte ähnlich wie damals Andi bei mir und als er mir davon erzählte, gestand er, dass er damit irgendwie nicht klar komme.

Eigentlich ist er ein moderner, weltoffener Mann. Was genau ist sein Problem? Er hat ja sogar mit mehr Frauen geschlafen als sie mit Männern. Aber wenn Frauen wechselnde Sexpartner haben, gelten sie oft immer noch als Schlampen, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Es wird vielleicht nicht mehr öffentlich ausgesprochen, weil man ja tolerant sein will, aber wenn es um die eigene Partnerin geht, kommt er zum Vorschein: der besitzergreifende Patriarch, der am liebsten eine Jungfrau heiraten würde. Weil viele Frauen das wissen, nennen sie oft eine falsche Zahl – und schwindeln dabei nach unten, niemals nach oben. Das habe ich bei Andi damals ja auch gemacht.

Aber auch manche Frauen haben ein Problem damit, wenn der neue Partner vorher ein aktives Sexleben hatte. Sie träumen vom verlässlichen Mann, der noch nie einen One-Night-Stand hatte und sein Leben lang auf die Eine gewartet hat. Und dann seine romantische und keinesfalls triebgesteuerte Sexualität nur mit ihr auslebt. 

Philipp, ein Freund von mir, führte jahrelang ein ausschweifendes Sexualleben. Er nahm fast jedes Wochenende eine andere mit nach Hause. Als er dann mit Andrea seine erste feste Freundin hatte, gab er bei der Sexpartner-Frage die niedliche Zahl drei an – weil Andrea eine sehr konservative Einstellung hatte und er wusste, dass jede andere Antwort zu einer riesigen Szene, wenn nicht sogar zur Trennung geführt hätte. Die beiden sind heute trotzdem nicht mehr zusammen. 

Wer auf die Sexpartner*innen-Frage lügen muss, um die Beziehung zu retten, kann sich eigentlich gleich trennen

Wer auf die Sexpartner*innen-Frage lügen muss, um die Beziehung zu retten, kann sich eigentlich gleich trennen. Wer allerdings die gleiche Vorstellung hat, wie damit umzugehen ist, der hat gute Chancen. Ich habe das durch Jan gelernt, den ich mit 24 kennenlernte. Bei unserem zweiten Date stellte er eine Rechnung auf: Wenn man 30 ist, die meiste Zeit seines Lebens Single war und im Durchschnitt zwei bis drei Sexpartner*innen pro Jahr hatte, dann kommt unterm Strich eine recht hohe Zahl raus. Und das bei einem noch nicht mal besonders regen Sexleben. Dass Frauen dann oft als Schlampen bezeichnet werden, fand Jan total falsch. Ich fand Jan dafür toll. Und merkte, dass es gut ist, früh über dieses Thema zu sprechen.

Als es mit meinem jetzigen Freund ernst wurde, sprach ich die Sache darum auch direkt an: Ich sagte ihm, dass ich vor ihm ein Sexualleben hatte, aber er brauche mich nicht nach einer konkreten Zahl zu fragen. Er würde keine Antwort bekommen. Er war total erleichtert. Er wollte es gar nicht wissen und er wollte mir auch seine Geschichten nicht erzählen. Unsere geteilte Einstellung brachte uns einander näher und zeigte uns, dass wir beide keine eifersüchtigen Menschen sind und den*die Partner*in nicht als Besitz verstehen. Nicht als eine Gebrauchtware, die man sich zugelegt hat, und dann muss man erstmal checken, wie abgenutzt sie schon vom Vorbesitzer ist. Sondern dass es ein Leben vor uns gab und jetzt ein gemeinsames, das von der Vergangenheit unberührt bleiben kann.

Die Sexpartner*innen-Frage klärt eine grundlegende, für eine Beziehung entscheidende Einstellung

Deshalb ist die Sexpartner*innen-Frage so wichtig. Sie klärt eine grundlegende, für eine Beziehung entscheidende Einstellung. Andi hat nicht zu mir gepasst und Andrea nicht zu Philipp. Aber vermutlich würden Andi und Andrea sehr gut zusammenpassen. Um das in einem frühen Stadium einer Beziehung herauszufinden, sollte die Frage direkt angesprochen werden. Und dann nennt man eine Zahl oder diskutiert das Thema auf eine andere Weise – und lernt sich innerhalb kürzester Zeit ziemlich gut kennen.

Und wenn man sich schon in der aussichtslosen Lage befindet, dass man keine Zahl nennen will, der oder die andere aber vehement darauf pocht, eine zu hören, dann sollte man irgendwann doch eine nennen. Eine richtig hohe. Und dazu gleich noch ein paar wilde, total übertriebene Sex-Geschichten. Oder man lässt sich eine schockierende Jungfrau-Geschichte einfallen. Je nach Geschmack. Aus der Beziehung wird nämlich sowieso nichts. Aber immerhin kann man so ein bisschen Spaß haben. 

Dieser Text erschien erstmals am 11. Februar 2018 und wurde am 13. August 2020 aktualisiert.

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