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Verliebt in jemanden, der heißer ist als du?

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert

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Lernen sich zwei Menschen kennen, der eine schön, der andere nicht so. Ein paar Monate später sind sie ein Paar. Was ist passiert?  Es ist kein seltenes Phänomen.

Aber eines, das immer wieder Getuschel und Geraune verursacht: Wie hat die nur diesen Typen klargemacht? Beziehungsweise: Was hat der Typ nur, was wir alle nicht sehen? Eine gute Frage, um sie mal wissenschaftlich zu untersuchen, dachten sich Forscher an der Universität von Austin, Texas.

Also ließen sie Studenten die Attraktivität ihrer Kommilitonen bewerten. Jungs bewerteten Mädchen, Mädchen bewerteten Jungs. Am Anfang des Semesters waren sich alle mehr oder weniger einig, wer am attraktivsten sei. Drei Monate später wiederholten die Forscher die Umfrage. Und staunten: Nachdem die Studenten nun lange Tage gemeinsam im Klassenzimmer verbracht hatten, waren sie sich völlig uneinig, wer am attraktivsten sei. Die Heißesten vom Semesteranfang hatten ihre Stellung teilweise verloren – dafür tauchten plötzlich Studenten auf der Rangliste auf, die vorher niemand für attraktiv gehalten hatte.

Was war passiert?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
 Die Schöne und der weniger Schöne: Katherine Heigl und Seth Rogen in "Beim ersten Mal".  

„Die Wahrnehmung von potenziellen Paarungspartnern ändert sich, je mehr Zeit man mit ihnen verbringt“, erklärte eine der beteiligten Psychologinnen der New York Times. Einerseits gebe es die „Seth-Rogen-Story“ (ein Bezug auf die US-Komödie „Beim ersten Mal“): Ein auf den ersten Blick unattraktiver Mensch wirkt auf eine bestimmte Person plötzlich anziehend. Es funktioniere aber auch andersrum: „Jemand kann unattraktiver werden, wenn man ihn besser kennenlernt.“

 

Die Forscher zogen daraus einen Schluss, der ganz schön gut klingt: Wenn wir alle auf lange Sicht verschiedene Menschen für Mr. oder Ms. Right halten, gibt es am Ende mehr Chancen für alle, jemanden abzukriegen. Und weniger Verlierer, für die sich gar niemand interessiert. Um das noch genauer zu untersuchen, starteten die Wissenschaftler eine Studie mit Paaren. Sie wurde in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht. Die Forscher luden 167 Paare ein, einige waren seit kurzem zusammen, andere seit Jahrzehnten. Einige waren nach wenigen Wochen ein Paar geworden, andere hatten sich davor schon Jahre gekannt. Nun bewertete eine Jury die Attraktivität der einzelnen Menschen. 

Wenn aus Freunden Liebhaber werden, ist oft einer von beiden hässlicher

 

Das Ergebnis bestätigte, was die Umfrage unter den Studenten nahegelegt hatte: Paare, die ihre Beziehung direkt nach dem Kennenlernen begonnen hatten, waren tendenziell gleich attraktiv. Hatten sie sich aber vorher schon lange gekannt oder waren gar Freunde, bevor sie zu Liebhabern wurden, war häufiger einer der beiden weniger attraktiv als der andere.

 

In anderen Worten: Die Seth Rogens hatten auf lange Sicht gewonnen. Sie hatten jemanden außerhalb ihrer Liga bekommen. Und gleich noch eine gute Nachricht: Das Phänomen tritt immer häufiger auf. Eine Umfrage des Kinsey Institute unter amerikanischen Singles ergibt, dass 33 Prozent der befragten Männer und 43 Prozent der Frauen sich schon mal in jemanden verliebt haben, den sie anfangs nicht attraktiv fanden.

 

Die Herausgeber der Umfrage nennen das Phänomen „Slow Love“ und sagen, es sei stark auf dem Vormarsch. Warum? Weil junge Menschen immer später heiraten. Und weil Zeit, wie wir gerade gelernt haben, der Freund der eher Unattraktiven ist. Was im Klassenzimmer der Studenten in Austin passiert ist, geschieht also gerade mit einer ganzen Generation: Die nicht so Attraktiven bekommen mehr Gelegenheit, als schöner wahrgenommen zu werden.

 

Bleibt die Frage, was die eher Unattraktiven denn tun können, um plötzlich heiß zu werden. Diejenigen, die in der Umfrage sagten, schon mal „Slow Love“ erlebt zu haben, verrieten es: „Tolle Gespräche“, „gemeinsame Interessen“ und ein guter „Sinn für Humor“ hätten sie zum Umdenken gebracht.

 

Fazit also: Hurra! Denn die Studie entschärft ja nebenbei auch ein weitverbreitetes Vorurteil unserer Zeit - die angebliche Veroberflächlisierung der Liebe durch Tinder. Das Links-Rechts-Wischen aufgrund des Aussehens mag zwar ein oberflächlicher Weg der Liebes-Anbahnung sein. Aber es ist eben auch nur: der Anfang.

 

Wer sich erstmal mit jemand deutlich attraktiverem auf einen Kaffee trifft, kann noch locker zu dessen Partner werden. Er braucht nur Geduld (und, klar: guten Humor und spannende Interessen). Diejenigen, die schon auf den ersten Blick attraktiv sind, haben es da schwerer. Sie können eigentlich nur noch verlieren. 

 

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