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Wer zahlt, wenn einer deutlich mehr Geld hat als seine Freunde?
Der Normalfall ist das sicher nicht, aber: Es soll ja vorkommen, dass es Freunde gibt, die einfach deutlich reicher sind als du. Woran das liegt, ist ganz unterschiedlich; meistens an Eltern, die denken, man bräuchte im Studium mindestens 1200 Euro im Monat, um irgendwie zu überleben. Es kann aber auch eine reiche, kinderlose Großtante sein, die auf ihrem Gestüt in Schleswig-Holstein sitzt und ganz unverhofft einen Riesenbatzen Geld vererbt. Oder aber du hast jemanden im Freundeskreis, der schon so organisiert ist, Profit aus seiner Begabung herauszuschlagen und jetzt 45 Euro die Stunde als, sagen wir, Programmierer verdient. Im besten Fall macht ihm das sogar richtig Spaß.
Und das alles, während du für den Mindestlohn schmutzige Teller in unterirdische Industriespülmaschinen einsortierst, 20 Stunden die Woche, und es trotzdem immer wieder knapp wird am Monatsende. Das ist ungerecht, da sind sich auch alle einig. Aber: Wenn der reiche Freund ein Bier von der Theke mitbringt und deine Münzen auf dem Tisch mit einem “Passt schon” zu dir zurückschiebt, dann hinterlässt das trotzdem ein grummliges Gefühl in der Magengrube. Vielleicht nicht beim ersten und auch nicht beim zweiten Mal, aber ganz, ganz sicher beim fünften Bier auf Kosten des anderen.
Dahinter steckt der Gedanke, dass Fairness bedeutet, dass alle gleich viel bezahlen. Aber das ist ein Irrglaube. Woher bloß kommt dieser Quatsch? Warum ignoriert man, dass alle gleich tief in ihren Geldbeutel greifen sollen, wenn die Voraussetzungen in ihren Geldbeuteln doch total unterschiedlich sein können? Woher plötzlich dieses Bedürfnis, die nächste Runde auszugeben, nachdem der reiche Freund gezahlt hat, obwohl das Geld eigentlich für die Mensa am nächsten Tag eingeplant war?
Es ist ein Trugschluss zu glauben, ausgeglichenes Zahlen hätte irgendetwas mit Gerechtigkeit zu tun. Aus dem einfachen Grund, dass weder reiche Eltern noch die kinderlose Tante aus Schleswig-Holstein noch die unterschiedliche Bezahlung irgendetwas mit Gerechtigkeit zu tun haben. Wir müssen uns nichts vormachen: Finanzielle Gleichberechtigung lässt sich nicht abends bei ein paar Bier in der Kneipe herzaubern. Wenn du vier Bier zahlst und dein Kumpel vier Bier, dann kannst du eben zwei Tage nur noch Instantnudeln essen – dein Kumpel kann von dem Geldschein, den er nachmittags zufällig in seiner Manteltasche gefunden hat, auch noch für seine ganze WG Pizza bestellen.
Man muss sich bloß daran gewöhnen, dass ein ungleiches Zahlverhältnis nicht automatisch zu einer Abhängigkeit in einer Freundschaft führt
Das ist sehr traurig, aber daran lässt sich vermutlich so schnell nichts ändern. Was man aber tun kann, um das Ganze weniger tragisch zu machen: einander etwas ausgeben, beziehungsweise sich einladen lassen.
Wenn jemand anders weniger Geld hat, einfach mal ein Bier mitbringen, oder zwei oder drei. Oder gleich eine Pizza. Einfach mal durchrechnen, was ihr jeweils für zehn Euro leisten musstet. Wenn der andere dafür sehr viel länger sehr viel ätzendere Dinge machen musste, dann hat er hin und wieder mal eine Einladung verdient.
Und wer öfter mal was ausgegeben bekommt: einfach annehmen! Ein schlechtes Gewissen bringt nichts und wäre falsch. Dass der reiche Kumpel manchmal für dich mitzahlt, ist ausgleichende Gerechtigkeit im Kleinen. Und denk dir doch mal, es wäre umgekehrt und du wärst derjenige mit der reichen Großtante, der mit seinem Tellerwäscher-Kumpel an der Bar steht. Würdest du dem nicht auch was spendieren wollen und dir wünschen, er macht kein Trara um diese kleine Freundschaftsgeste?
Unter Freunden lädt man einander doch sowieso gern gegenseitig ein. Man muss sich bloß daran gewöhnen, dass ein ungleiches Zahlverhältnis nicht automatisch zu einer Abhängigkeit in einer Freundschaft führt, sondern absolut okay ist. Und wer will, kann sich beim Einladen und Einladenlassen ruhig ein bisschen rebellisch fühlen, denn: Glückwunsch! Ihr habt soeben den Kapitalismus ausgetrickst.