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Darum sollten engagierten Studenten die Studiengebühren erlassen werden

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Okay, die Studiengebühren haben wir jetzt. Vor allem im Sommersemester 2007 steigt ein Bundesland nach dem anderen in die Studien-Maut-Erhebung ein. Die Gebühren: tun weh. Sie sind ein Steuerungsinstrument. Die Hochschulen wollen Geld einwerben, um ihre Lehre zu bessern. Wer aber sagt, dass wir mit den Gebühren nicht noch mehr steuern können? In Österreich hat der neue Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vorgeschlagen, jedem Studenten die Gebühren zu erlassen, der sich 60 Stunden als Nachhilfelehrer oder auch Hospiz-Mitarbeiter verdingt. Klingt beknackt. Sollte man aber in Deutschland umsetzen – auch, weil es schon im Regelwerk für die deutschen Studiengebühren angedeutet ist. Die Idee: Wer freiwillige Dienste versieht, wer sich in Vereinen engagiert, wer sich sozial engagiert und in einem Land das Rad am Laufen hält, in dem sich der Staat aus mehr und mehr Verpflichtungen zurückzieht, der sollte dafür belohnt werden. Und wie soll das Gehen? So! Studenten bekommen bis zu 300 Euro der gezahlten Semestergebühr zurück, wenn sie einen Wisch vorweisen können, auf dem ein gewisser Stundensatz an sozialer Arbeit verzeichnet ist. Und sie bekommen auch Geld zurück, wenn sie vorweisen können, dass sie zu einem gewissen Stundensatz ehrenamtliche Arbeit als Betreuer oder Leiter in Vereinen oder Verbänden verrichten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Foto: ddp Zwei Begründungen und Handreichungen zum Umsetzen: 1. Ich fordere eine Art „kleinen Zivildienst“, mit dem man während des Studiums Schritt für Schritt oder blockweise die Semestergebühren in Höhe von bis zu 300 Euro abstottern kann. Warum nicht die kompletten 500 Euro? Wenn man die gesamte Gebühr zurückverdienen könnte, bräuchte man die Gebühren nicht einführen. Deshalb: 200 Euro muss man nach wie vor direkt an die Hochschule zahlen. Und jetzt zum "kleinen Zivildienst". Von dem profitieren Studenten und Staat. Man kann ihn während des Studiums oder im Rahmen eines Block-Praktikums ableisten. Resultat: Die Studenten lernen Teamarbeit und bekommen ein Minimum an Ahnung davon, wie es in der Arbeitswelt zugeht. Sie lernen Schlüsselkompetenzen, die für jeden Job taugen. Sie gehen eine Art "Sozialvertrag" mit dem Staat ein. Deshalb: Zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Erfahrung gesammelt, Gebühren gedrückt. Wichtig ist, dass die soziale Arbeit mit minimal zehn Euro in der Stunde vergütet werden muss – das ist etwa der Satz, den in Berlin Uni-Hilswissenschaftler verdienen. Und die Hochschulen bekommen vom Bund im Ausgleich für die verlorenen Gebühren eine Kompensationszahlung – zwar nicht in voller, aber in anerkennender Höhe. Warum? Weil der Bund was von den Dienstleistungen der Studenten hat: *Immer weniger Männer werden für den Wehrdienst gemustert, *der Zivildienst wird immer kürzer, *der Staat zieht sich immer mehr aus der Gesellschaft zurück. Die Folge ist, dass in vielen sozialen Einrichtungen heute schon zu wenige Mitarbeiter sind. Ein Missverhältnis, das die Chefs eines zumindest noch einigermaßen funktionierenden Sozialstaats nicht kalt lassen sollte. Die Kompensationszahlungen des Bundes gehen direkt an die Uni – und werden dort freilich in Bildung investiert. Dass wir uns richtig verstehen: Im Kern meiner Argumentation geht es nicht nur um Wege, die Studiengebühr zu senken. Es geht auch darum, ein Werkzeug für jene Zeit in der Zukunft zu entwickeln, in der der Sozialstaat mal keiner mehr sein wird. In der wir einander helfen müssen. Mit den Studiengebühren könnten wir eine Art Sozialvertrag begründen. Außerdem braucht man nicht nach Ösi-Land schauen, um diese Idee zu haben. Es genügt ein Blick ins Regelwerk für die Studiengebühren in den deutschen Ländern. Dort sind „Sondertatbestände“ verzeichnet. Wer zum Beispiel ein Kind pflegen oder erziehen muss, wird in Hamburg oder Nordrhein-Westfalen von der Gebühr befreit. In Nordrhein-Westfalen wird zum Beispiel schon Gremientätigkeit als Sondertatbestand anerkannt, im Saarland kommt man als Asta-Vorsitzender um die Gebühr herum. Warum diese Sondertatbestände nicht ausweiten? Der richtige Gedanke steckt ja schon dahinter: Wer was für seine Familie oder die Allgemeinheit tut, hat weniger Zeit fürs Jobben. Und sollte entlastet werden. Und Punkt. Nun zur Handreichung zweiter Teil. In Österreich, und jetzt nehmen wir Bezug zur Zeile auf dem Cover-Foto, sind sie schon einen Schritt weiter: Dort hat der Obmann des steirischen Blasmusikverbandes zu bedenken gegeben, dass Blasmusiker ja auch gemeinnützig arbeiten und deswegen von den Gebühren befreit werden sollten. Klingt lächerlich? Aber wenn man an jene Jugendleiter denkt, die sich Wochenende für Wochenende in der Ausbildung von Nachwuchs betätigen – was spricht dagegen, jene ihr Tun auf die Gebühren anrechnen zu lassen? 2. Ich fordere, dass ehrenamtlich in Vereinen und Verbänden engagierte Betreuer oder Jugendleiter ihre Arbeit anrechnen dürfen. Nicht jeder, der irgendwo Mitglied ist, soll belohnt werden. Es sollen jene belohnt werden, die Kindern in Sportvereinen über die Turnmatten helfen, die einen Trupp von der Jugendfeuerwehr unter sich haben, die sich an fünf Wochenenden im Jahr damit abkotzen, kleinen Steppkes zu zeigen, wie man richtig in das Mundstück einer Trompete bläst. Summasumarum: Wer den kleinen Zivildienst verrichtet oder in Vereinen eine leitende Funktion hat, soll Gebühren-Rabatt bekommen. Das wäre mal zukunftsweisend. Für die Gesellschaft allgemein und für die Bildung der Herzen im Besonderen. Und jetzt ihr.

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