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FH-Studium bei Tchibo oder: Warum wir auf die Uni aufpassen müssen

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Zwischen den Universitäten und den Fachhochschulen in Deutschland gab es eine zeitlang eine, naja, gepflegte Feindschaft: An der Uni die Wissenschaft, an der FH die Upperclass der beruflichen Bildung, die Rollen waren verteilt. Gegenwärtig aber wird der Unterschied zu den Unis kleiner, weil an beiden Hochschultypen mit Bachelor oder Master der gleiche Abschluss zu haben ist. Zudem sind es oft die FHs, die sich mit neuen Studienkonzepten hervortun und wo bisweilen mit mehr Schwung gelehrt wird, weil die Dozenten aus der Praxis kommen. Viele FHs, zumal die BWL-orientierten, werden wie Unternehmen geführt. "Praxiskooperation" lautet die Devise, wenn es darum geht, Geld für die Aufbrezelung des eigenen Studienortes einzuwerben. Die FHs kämpfen, weil ihre Gründung meist noch nicht lange her ist, um Studenten, um Öffentlichkeit, um Ansehen und vermarkten sich weitaus offensiver, als es die Universitäten tun. Jüngstes Beispiel: Von Freitag an kann sich jeder, den entsprechenden Abschluss vorausgesetzt, beim Eigentlich-Verkaufen-Wir-Kaffee-Unternehmen "Tchibo" für ein Fernstudium in BWL an der Privaten Fachhochschule Göttingen (PFH) einschreiben. Statt 298 Euro je Monat beträgt die Studiengebühr nur 248 Euro, die Regelstudienzeit beträgt drei Jahre.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Erst Bahntickets, jetzt Fernstudium. Ist in Ordnung. Für die Unis aber sollte die Ökonomisierung der Bildung eine Warnung sein. Nun lässt sich trefflich über die neue Verkaufsidee von Tchibo sinnieren, wo schon Bahnfahrkarten oder Nachhilfestunden- Gutscheine über den Ladentisch gingen. Das verbilligte Fernstudium ist da wohl nur die konsequente Fortführung der Wir-verkaufen-Alles-Devise. Fast spannender zu beobachten ist die Art, wie Bildung zum Verkaufsartikel wird, wie viele FHs jede Gelegenheit nutzen, sich in die Öffentlichkeit zu bringen. „Als kleiner Anbieter muss man eben um Aufmerksamkeit kämpfen“, sagte der Präsident der privaten Göttinger Fachhochschule, Bernt Sierke jüngst. In diesem Jahr liefen in Kinos und auch auf MTV kurze Werbespots, mit denen die PFH potentielle Studenten auf sich aufmerksam machte. Der Spot endet mit dem Hinweis, dass die PFH die einzige Hochschule mit vertraglich verankerter Job-Garantie sei. Wer sechs Monate nach seinem BWL- oder Wirtschaftsinformatikstudium noch keine Stelle hat, bekommt die Studiengebühren eines Jahres retour. „Die Studiengebühren müssen als Investition in die Zukunft berechenbar sein. Mit der Jobgarantie signalisieren wir unseren Studenten, dass Karriereverantwortung und Studieneffizienz gemeinsam gelebte Werte sein müssen“, formuliert es FH-Chef Sierke etwas hölzern. Kurz gesagt: Was sich nicht auszahlt, muss nicht bezahlt werden. Dass bisher weniger als ein Prozent der Absolventen die Jobgarantie in Anspruch genommen haben, hat eventuell auch mit der massiven Vernetzung der PFH zu tun. Auf der Homepage drängeln sich die Logos von Unternehmen wie "PriceWaterhouseCoopers" oder "TUI". Vertreter dieser Unternehmen sitzen im Kuratorium der Hochschule und ermöglichen, wie etwa "Airbus", komplett neue Studiengänge, mit denen etwa „Ingenieure mit dem Schwerpunkt Carbonfaserverstärkte Kunststoffe“ ausgebildet werden. Eben jene werden gerade in der Luftfahrtindustrie gesucht. Es gibt an der PFH neben den Kuratoriumsmitgliedern auch Projektpartner oder Mentoren aus Unternehmen, die in den Kontakt mit Studenten treten sollen. Der Kontakt zur Wirtschaft ist mannigfaltig. Viele Wirtschafts-FHs begreifen sich als die „Avantgarde“ des Bildungswesens, weil sie die einstige Idee von der "praxisorientierten Hochschule" konsequent in die Zukunft geführt haben. Ausgebildet wird nun also nach Bedarf, angeboten wird nur, was es braucht – vorzugsweise IT, Ingenieur- oder BWL-Studiengänge. Wenn von „Ökonomisierung der Bildung“ die Rede ist, dann muss vor allem auch von den Fachhochschulen die Rede sein. Dass Professor Sierke den Bereich Fernstudium nun bei Tchibo feil bietet, überrascht nicht. Das ist keck, das ist Teil der PFH-internen „Medienkampagne 2007“ und irgendwie ist es in seiner Vermarktwirtschaftlichung von Bildung auch typisch fachhochschulig: Bildung für alle, Bildung, wo man sie braucht und vor allem nur die Bildung, die von der Wirtschaft auch nachgefragt wird. Das ist für sich genommen sehr gut, so kann man den Universitäten sogar den Rang ablaufen. Zur gleichen Zeit muss man aber fast erleichtert sein, dass es die Universitäten gibt. Denn nach Philosophie zum Beispiel besteht von Marktseite keine Nachfrage und an den FHs wird sie nur selten angeboten. Brauchen tun wir sie aber trotzdem. Vielleicht ist das die Lehre, die man aus dem FH-Tchibo-Deal ziehen muss: Kämpft um die Uni.

Text: yvonne-gamringer - Foto: dpa

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