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Für Alle! Wie die Aldi-Produktmanager sogar das Golfspiel in den Mainstream tragen

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Noch vor einigen Jahren waren die Gitterboxen in der Mitte der Aldi-Süd-Läden willkommene Wühlgruben. Zwischen Billigtoast, Topstar-Cola und relativ geschmacksneutralen Emmentaler-Backsteinen lökte der Discount-Primus seine Kunden jede Woche mit anderen Klamotten. Im Winter gab´s Unterhosen und Anoraks, im Sommer T-Shirts. Hin und wieder gab es dann Fußmatten für´s Auto und Politur für die zugehörige Motorhaube. Die Aldi-Menschen entdeckten also nach und nach, dass niedrigpreisige Lebensmittel das eine sind, dass es aber auch noch andere Dinge des täglichen Gebrauchs gibt, die der Kunde gern günstig vom Diskont seines Vertrauens erwirbt. Nach und nach haben sich dann die Produktmanager von Penny, Aldi und auch Tchibo mit der flachen Hand an die Stirn gepatscht und vermutlich geschrieen: Unsere Läden werden leer, wenn wir die Menschen immer nur mit Socken und Remoulade bei Laune halten. Etwas änderte sich. Erst langweilte sich Tchibo damit, nur Kaffee verkaufen zu dürfen und ergänzte sein Angebot um allerlei Krims und Krams, so dass heute die Hälfte aller Gelegenheitsjogger in den 14,95 Euro-Leibchen des einstigen Kaffee-Rösters durch die Botanik wetzt. Und dann kamen die Discounter, dann kamen Lidl und Aldi und Penny und stellten Drucker und Computer und Stereoanlagen und viel mehr steckdosengierige Geräte in die Märkte, die man alle auch im Elektro-Markt haben kann, jedoch nicht so günstig. So war der Begriff vom „Gut des alltäglichen Gebrauchs“ schon mal um ein Erhebliches erweitert. Computer sind keine Slips, Kopfhörer keine Waschlotionen. Während BILD lauthals den Volkscomputer für wenige hundert Euro pries, hatte Aldi bereits die Volks-Digitalkamera am Start. Sie hieß nicht so, sie wurde auch ohne Gedöns in Deutschlands vielleicht meistgelesenen Prospekten, den Aldi-Prospekten offeriert. Aldi hatte plötzlich die Mitte gekapert und war auf dem besten Weg, das Prinzip „Alles für Alle“ umzusetzen. Plötzlich schien nichts mehr „nicht discountertauglich“. Der Beuys-Schüler Felix Droese war im Jahr 2003 einer der Künstler, die ihre Kunstdrucke – handsigniert, Auflage jeweils 10.000 – für wenige Euro bei Aldi-Süd absetzten. Ein Damm war gebrochen und die Kunstwelt war seltsam erregt und unschlüssig, ob man diesen Schritt bejubeln sollte. Wurde da Hochkultur vor vermeintlichen Ignoranten ausgestellt? Vor Menschen, die ihre Wohnzimmer doch eigentlich mit den bei OBI erstandenen, in schwarz-weiß fotografierten Bauarbeitern auf einem Stahlbalken über New York schmücken? Oder musste man ALDI genau deswegen danken - weil die Flachdach-Buden in deutschen Industriegebieten nun zu den größtmöglichen- und denkbaren Galerien des Landes mutierten? Die Discounter jedenfalls mutierten zu omnipotenten Händlern und sind auf dem besten Weg dazu, ihren Kunden den Weg zu allen anderen Anbietern alltäglicher Güter zu ersparen. „Plus“ verkaufte plötzlich sogar Häuser für 99.990 Euro, andere hatten Autos im Angebot, dann kamen Fluggutscheine und Bahntickets. Alles für alle, der Himmel, die Schienen, die Subkultur.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Eintrittskarte zum Muckertum: Schlagzeug im Aldi-Prospekt. (Beide Bilder entstammen Prospekten von Aldi-Süd) Die Subkultur? Ende vergangenen Jahres bot Aldi alles feil, was der geneigte Hobbymucker zur Gründung einer soliden Rock-Pop-Band benötigt. Schlagzeug mit 14-Zoll-Hi-Hat, 16-Zoll-Crash-Becken und 20-Zoll-Ride-Becken. Dazu ein E-Gitarren-Set samt 20-Watt-Verstärker und Lernbuch „E-Gitarre spielen macht Spaß“. Das „61 Profitasten Keyboard“ nicht zu vergessen. In der Tat sind der jetzt.de-Redaktion schon Bands bekannt, die sich, diesem Angebot folgend, gegründet haben. „The Discounters“ mit ihrem ersten Song „Minimize the Käse-Preis“ werden wir bald in den Charts sehen. Aber im Ernst: ALDI erobert nicht nur die Mitte, ALDI gestaltet unsere Freizeit. Nächste Woche gibt es Molke-Drinks und Körperwaagen, Fitness-Uhr und das Chromhantel-Set für gerade mal 8,99 Euro. Die billige Aufforderung zum Lebenswandel, zum Nutzen der Fastenzeit. Aldi gibt in immer mehr Leben den Ton an.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Da wird der Vorstandsvorsitzende staunen, wenn neben ihm die frisch ausgerüsteten Aldi-Golfer das Grün betreten. Noch nie wurden breiten Bevölkerungsschichten so schnell vermeintlich abseitige Kulturen zugänglich gemacht. Kingt das übertrieben? Nun ja, wem das Instrumenten-Beispiel nicht genügt, der möge in die ab 22. Februar bei Aldi-Süd gültigen Angebote einen Blick werfen. Dort sieht man drei adrette Herren in den Mitt-Dreißigern Golf spielen. Und Aldi bietet tatsächlich alle Basics für Golfer auf. Zu haben sind 30 Stück mit „Titan angereicherte Distance Golfbälle mit hoher Flugkurve“ oder ein „Golf-Tee-Set, 300 Stück“. Klamottenmäßig gibt es die nötigen Herren-Polo-Hemden und Feinstrick-Pullover zum um die Schulter hängen. Wir lernen: Aldi holt Edel- und Subkulturen gleichermaßen in den Mainstream, in die Mitte der Gesellschaft. Aldi ist der große Egalisierer. Führt das zu unserem Guten? Führt das zu unserem Schlechten, wenn jeder zumindest die Staffage einer ihm fremden Kultur kaufen kann? Ich finde, diese Gleichmacherei führt einfach nur zu kapitaler Langeweile. +++ Auf den folgenden Seiten stellen wir euch die nächsten vier Prospekte von Aldi-Süd vor. Seht selbst, welche Nebenkultur demnächst in die Mitte der Discounter und damit der Gesellschaft gerückt wird.


1. Sonderangebot - Tätowiermaschinen!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


2. Ein Schnäppchen - Dildos!

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Illustration: Julia Schubert


3. Konkurrenzlos günstig - die Trauminsel!

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4. Sonderangebot - Grow-Ware!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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